Die Macht der Gefühle (*)
Wenn die Emotionen auch in den Seilen hängen, wirft ein Markus Mörth noch lange nicht das Handtuch.
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„Bei mir geht es um Kampf. Den Kampf der Emotionen." Wow! Das mag schon etwas theatralisch klingen. So nach Shakespeare reloaded mit einer Prise Hollywood now und ganz viel dickem und breiigem Soundtrack im Drumherum. Ja, so mag's vielleicht klingen. Mag's vielleicht auch sein. Und vielleicht stapelt der steirische Filmemacher Markus Mörth, dem diese beiden Sätze, wohl selbst emotional geschwängert, entfleucht sind, auch ein bisschen zu hoch, wenn er meint, das allgegenwärtige Beziehungsschlachtfeld filmisch mit einem Übermaß an Gefühl beackern zu müssen. Dennoch: Kino ist und bleibt Emotion. Und Emotion, leidenschaftlich erfühlt wie erfüllt, bricht sich bisweilen, ach was sag' ich, IMMER, martialisch am Gegenüber. Reibt sich an ihm. Umschränkt. Fesselt. Lässt ihm kaum genug Luft zum Atmen - zum Leben in ... Normalität. Atemlos ist dann so eine Geschichte, so ein Film. Atemlos und unendlich aufregend.
Also noch mal: „Bei mir geht es um Kampf. Den Kampf der Emotionen." Und jetzt kein „Vielleicht" mehr, kein Infragestellen dieser sensitiven Eigendefinition in Wort und ... (Film-)Bild. Weil der Mann spricht wahr. Voll und ganz. Denn kaum ein Regisseur heimischer Provenienz vertritt mit seinem bisherigen Schaffen so intensiv diese entwaffnend klare Aussage, wie der 1973 in Graz geborene Markus Mörth: Studierter Philosoph, Publizist und Theaterwissenschaftler, emsiger Drehbuchautor, Kurator von Filmfestspielen, hehrer Mitbegründer von „Kurzfilm Graz" und - was zweifellos soziale Kompetenz verspricht - einstiger Flüchtlingsbetreuer im Haus St. Gabriel in Graz, dem er unter dem Titel „Dinge von größter Leichtigkeit" auch eine Doku widmete. Aber vor allem und immer, so scheint es wenigstens, allseits guter Hoffnung, mit dem Laufbild und dessen Möglichkeiten das Zwischenmenschliche diskret und dennoch überlebensgroß auf das rechteckige Stück Weiß im immerwährenden Dunkel des Kinosaals zu bannen.
Bereits seine ersten Kurzfilme, allen voran „Matchball" oder der Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule „Allerseelen", lassen nichts zu wünschen übrig, wenn's heißt, den Mikrokosmos Liebe mit all seinen Untiefen aufzuwühlen. Es sind dies Momentaufnahmen minimalistischer Gangart. Extrem leise, aber niemals lautlos. Extrem detailliert betrachtet, aber keinesfalls voyeuristisch. Weniger ein Kino Hollywoods, zumindest nicht jenes der schamlos-verlogenen Love Story-Attitüden, als vielmehr eines des neuen und neueren französischen Films. Ein Kino der sanften Gesten, des Underplayings, der vielsagenden Blicke. Fragil. Unauffällig. Echt. Und, soweit es im Boy-meets-Girl-Oeuvre verankert ist, mit kräftigem Feeling in Richtung weiblicher Reichshälfte. Die Frauen sind es nämlich in Mörths Welt, die zweifellos das starke, nein, genauer: das „stärkende" Geschlecht bilden. Wobei er erspüren lässt, dass sich seine Geschichten um die aktuelle Rollenverteilung im Hier und Heute drehen und so, wider alle erneut aufkeimende Biedermeierlichkeit, Mut zur (in der Realität) längst vollzogenen Rollenauflösung zeigen. Was natürlich die Frage aufwirft, ob Mörth ein feministischer Filmemacher ist. Die Antwort darauf: Kaum! Denn nicht geschlechtliche, sondern vielmehr emotionale Emanzipation prägt seine Filme.Das Gefühl, nicht der Selbstzweck, heiligt die Mittel.
Mit seinem neuesten, gerade in Vorproduktion befindlichen Projekt „Die Müßiggänger", zweifelsfrei eine Hommage an Federico Fellinis Meisterstück „I Vitelloni", ist er einer völlig orientierungslosen, der Flüchtigkeit des Moments verpflichteten wie ausgelieferten, Männerclique in Graz auf der Spur, die wiederum nur den choralen Background für einen von ihnen, Paul, den „Helden" der Story, bilden. Ein Kleinstadttyp mit Kleinstadtleben. So antriebslos wie überproportional in seinen Träumen. So einsam wie verlustig einer, seiner Identität. Aber Obacht, kein Loser! Kein Provinzspinner mit Leben auf Standgas. Nein, dann eher schon ein Kämpfer. Einer vielleicht wie Markus Mörth, randvoll mit Emotion.
A. Heimo Sver
März 2008
*Update 2023: Kleine menschliche Geschichten
Markus Mörth, der seit 2005 als freier Regisseur, Drehbuchautor und Produzent arbeitet, hat 2010 die Markus Mörth Film- und Medienproduktion GmbH gegründet. Der Fokus seiner filmischen Arbeiten liegt auf kleinen, menschlichen Geschichten, die aktuelle und wichtige Themen unserer Zeit aufgreifen.
In seinem 2022 auf der Diagonale uraufgeführten Dokumentarfilm „Im Jakotop" gibt Markus Mörth beispielsweise Einblicke in die Lebensrhythmen des bevölkerungsreichsten Bezirks von Graz: Jakomini. Er lässt eine Kabarettistin, einen Kaffeehausbesitzer, eine Kunstrestauratorin, einen Sozialarbeiter, eine Stadtplanerin, eine Tröpferlbadmitarbeiterin, eine Volksschuldirektorin und den Zeitungsverkäufer am Jakominiplatz von ihrer Arbeit, von den Veränderungen und vom Zusammenhalt im Grätzel erzählen. Mörth gibt ihnen Raum, ihre Wünsche, Hoffnungen und Visionen zu formulieren, in denen oftmals auch Bedauern über die Auflösung traditioneller Strukturen oder soziale Ungerechtigkeit mitschwingt. Warum gerade Jakomini? Mörth: „Ich hab' Jakomini als Kind immer als wilden Ort wahrgenommen, als einen Ort, an dem es alles gibt."
Seit 2007 ist der Absolvent der Hochschule für Fernsehen und Film München (Abt. Film und Fernsehspiel) auch Universitätslektor und Lehrbeauftragter an der Karl-Franzens-Universität Graz am Institut für Anglistik (Ergänzungsfach Medien). 2013 hat er die Drehbuchwerkstatt Steiermark, in Kooperation mit der Drehbuchwerkstatt München, gegründet.
Auszeichnungen:
2017 Publikumspreis „Geschwister" Filmfest Bozen
2017 Jurypreis „Geschwister" Filmmuseum München
2015 Green-Panther (Bester Werbefilm) in Gold
2011 Carl-Mayer-Förderpreis
2010 Prälat-Ungar-Anerkennungspreis für Journalismus
2008 Carl-Mayer-Drehbuchpreis
Website: www.markusmoerth.com