Wilde Schnitte
Das über die Grenzen blickende Grazer VJ-Kollektiv „montage sauvage“ feiert demnächst sein drittes Bestehensjubiläum: Drei Jahre bewegte Bilder und schräge Cuts auf internationalem Niveau mit jugendlicher Verve.
Die Gründe fürs Ausgehen und Feiern sind mannigfaltig: Während der eine anbandeln will, will die andere einfach nur den Alltag und die Männer vergessen; während manche sich zielstrebig Richtung Filmriss trinken, wollen andere nur von den DJs gerettet werden. Selten hört man aber von den Feiernden, dass sie die Clubs wegen der VJs, kurz für Visual Jockeys, aufsuchen - also wegen jener Menschen, die die Partycrowd nächtelang mit im Rhythmus blitzenden, flackernden und tanzenden Bildern und Filmsequenzen versorgen. Das nervt und ist für das vierköpfige Grazer VJ-Kollektiv montage sauvage (frz: wilder Schnitt) Platz eins der „Lästig-Charts" des Visuals-Machens. montage sauvage sehen sich dezidiert als Live-Video-
künstler, da sei es dann besonders schräg, wenn Clubgäste nicht zwischen jenen, die Platten auflegen, und jenen, die die bewegten Bilder zaubern, unterscheiden können: „Manchmal kommt es schon vor, dass sich jemand bei uns auf einer Drum'n'Bass-Party Alicia Keys wünscht", so Mitglied Julian Ausserhofer.





Solcherlei Episoden sind aber eher die Ausnahme als die Regel, denn montage sauvage konnten in den letzten drei Jahren regional wie international große Erfolge verbuchen, und in Graz wissen mittlerweile die meisten Tanzenden und Veranstalter die Skills der vier Studierenden aus Graz und Wien zu schätzen. Gegründet wurde das Kollektiv 2005 von Julian Ausserhofer, Manuel Kostka und Johannes Paar im Rahmen des VJ-Workshops des springfive-Festivals für elektronische Musik. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit fand man eine gemeinsame Linie: Neben Grafiken und altem Found Footage werden in liebevoller Detailarbeit Clips und Mini-Videos produziert, die dann nächtens zur Musik rhythmisiert zerhäckselt werden: „Wir haben den Ansatz, dass wir wirklich alles selber machen. Der Anteil an Eigenmaterial ist bei unseren Sets 90 Prozent", so Ausserhofer. Also keine langweiligen Presets und Standard-Animationen, sondern exquisite Mini-Movies, die das Tanzbeinschwingen erleichtern und das Wochenende noch außeralltäglicher machen sollen.
Bereits nach wenigen lokalen Auftritten folgte Lob und Anerkennung: Der in Weimar lehrende Kulturtheoretiker und Musiker Roger Behrens meinte bei einem der ersten Gigs von montage sauvage beim Symposium „Kunst, Kommerz und Klaustrophobie" im Rahmen des ersten Forum Festivals sogar: „Jungs, ihr werdet noch mal groß werden!" Wie wahr! Es folgten Gigs in ganz Österreich und auch internationale Clubs wollten ihre Partys mit den wilden Schnitten des durch den Eintritt des Informationsdesign-Studenten Philipp Rudler zum Quartett angewachsenen Kollektivs bereichert haben: Neben einer Videoinstallation auf der renommierten Roboterschau Roböxotica des Wiener KünstlerInnenkollektivs monochrom, regelmäßigen Auftritten bei Nächten der Grazer Drum'n'Bass-Veranstaltungsreihe strictly.beats und des Labels Bumm Bumm Produktionen und Bookings bei allerhand regionalen Raves bespielte man Clubs in Shanghai und Oslo. Demnächst ist New York an der Reihe.
Was ist also das Geheimnis des Erfolges? „Unsere spezielle Konstellation. Jeder von uns hat einen anderen Zugang, obwohl wir alle mit Medien, Bildern und Videos arbeiten", betont Ausserhofer. Philipp Rudler ist eigentlich der einzige, der Videobearbeitung gelehrt bekommt, Ausserhofer hingegen studiert Journalismus und Unternehmenskommunikation, Kostka in Wien Politikwissenschaft, Paar kommt von der Architektur. Dieser multiperspektivische Ansatz lässt die Clips und Bilder von montage sauvage im Vergleich zur VJ-Konkurrenz unorthodox anders blinken. Zudem strotzen die vier Herrschaften, die nebenbei noch diverse andere Projekte betreiben, mit jugendlicher Potenz. Ausserhofer: „Wir sind jung und unverbraucht. Wir sind die VJ-Herzbuben!"
http://sauvage.mur.at
http://www.myspace.com/montagesauvage
Christoph Marek, April 2008