Vom Kloß im Hals des Peter Simonischek
Wie die junge Schauspielern Verena Lercher an der Seite des „Jedermann“-Stars reüssiert
Keine Frage. Bei Schauspielern - und Schauspielerinnen - fallen neben den zahlreichen Talenten, die es auf der Bühne braucht, auch ihre physischen Voraussetzungen ins Gewicht. Im Fall von Verena Lercher waren es zuallererst die Augen. Wer jemals die Tristesse eines Mittagessens am Parkplatz des legendären Würstel Hannes geschmeckt hat, wird verstehen, wie tröstlich es ist, wenn dort an der Plakatwand zwei große dunkle Lercher-Augen gegen den Fritteusegeruch und das längst nicht mehr mobile Baustellenklo anlächeln. Liegt ein Augenpaar sehr eng beieinander, macht das zuweilen den Eindruck, es mit einem einfachen Gemüt zu tun zu haben. Verena Lerchers Augen liegen weit auseinander. Sie wirken so sensationell - auf der Bühne wie auf der Plakatwand -, weil der Betrachter alles Mögliche in ihnen zu sehen glaubt. Nur kein einfaches Gemüt.
Das zweite war die Stimme. Auf der Bühne. Dann auch ganz nahe: am Telefon. „Nein", betont Verena Lercher mit Entschiedenheit, „sie ist nicht heiser meine Stimme". Stimmt. Es ist viel mehr so, als würde das Laute, das Impulsive, das Lachen oder Losschreien dieser Stimme auch im Gespräch leise mitschwingen. Wie eine zweite Saite. Eine zweite Seite der Schauspielerin Verena Lercher.
„Ich glaube, dass ich eine sehr körperliche Schauspielerin bin", sagt Verena Lercher. Seit sie 2004 ihr Schauspielstudium an der Otto-Falckenberg-Schule in München abschloss, hat sie viel Tanztheater gemacht und an ungewöhnlichen Projekten mitgewirkt, wie etwa „Freudendienste" von Annette Kuß am HAU Berlin, wo aufbauend auf dramatisierten Interviews mit Prostituierten ein „Laufhaus" bespielt wurde. Lercher wirkte auch an den Münchner Kammerspielen, dem TdJ Schauburg, dem Theater Bonn, den Sophiensaelen in Berlin und zuletzt am Wiener Theater Drachengasse.
Am Schauspielhaus Graz hat sie nun ihr erstes fixes Engagement. Das startete sie an der Seite von Peter Simonischek in Ibsens „Baumeister Solness". Kein sanfter Einstieg. Für die Rolle war ursprünglich Andrea Wenzel vorgesehen. Als Wenzel schwanger wurde, war Stargast Simonischek skeptisch, wie der heikle Text mit einer ihm unbekannten jungen Kollegin gelingen sollte. Doch die ersten Proben mit Lercher haben ihn umgestimmt. Mehr noch: „Ich war platt!", schwärmte Simonischek gegenüber den „Salzburger Nachrichten". „Die hat so gut gespielt, dass ich einen Kloß im Hals hatte." Im „Solness" ergibt sich die Spannung zwischen dem Schaubühnen-Burgtheater-Festspiele-Star, der den Baumeister gibt, und der 26-jährigen Jungschauspielerin, die letzteren aus seiner Altersagonie reißen soll, wie von selbst. „Wir unterscheiden uns einfach in unserer Lebenserfahrung - wie man auf Dinge schaut, Dinge wahrnimmt. Das passt zu den Rollen", so Lercher über die Ibsen-Arbeit mit Simonischek, „da ist schon etwas gegeben, man braucht es nicht herzustellen."
In „Malina", einer Dramatisierung des einzigen zu Lebzeiten veröffentlichten Romans von Ingeborg Bachmann, gibt Lercher eine von drei Stimmen des „Ich". Auch hier treffen verschiedene Lebensperspektiven auf der Bühne aufeinander. Auch hier hat es Verena Lercher mit ausgesuchten Kolleginnen zu tun: Martina Stilp und Gertrud Roll. Eine erstaunliche Dreifaltigkeit, die nicht nur den männlichen Kollegen einen Kloß in den Hals zaubert.
Hermann Götz, Jänner 2009