Herumreisende in Sachen Jazz
Die Armenierin Anush Apoyan macht Station in Graz, um hier den Jazz zu studieren.
Anush Apoyan, 1983 in Eriwan (Yerevan, Armenien) geboren, bezeichnet sich selbst als eine „Herumreisende in Sachen Jazz". Ihre Eltern, beide klassische Sänger in Armenien, beeinflussten sie schon in Kindesjahren und weckten ihr Interesse am Gesang. Zuerst waren es noch die Beatles und Ray Charles, die sie beeindruckten, doch bald fand sie ihr Interesse am Jazzgesang. Berühmte Sängerinnen wie Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Carmen McRae und Billie Holiday nennt sie als ihre Vorbilder, denen sie einst noch auf Musikkassetten lauschte.
In ihr bis heute regelmäßig beschriebenes Tagebuch schrieb sie damals einen Eintrag über den russischen Sänger Leonid Agutin, von dessen Musik sie „fasziniert war, weil er zuerst Jazz gemacht hat und dann aber sehr hochwertige Popmusik. Jazz als Fundament für den Pop, das hat mich interessiert!", so Apoyan. Überhaupt zitiert sie gerne ihr Tagebuch, das ihr schon des Öfteren Antworten auf Fragen gab, die sie erst später fand. „Ich schreibe mir selbst oft Briefe, die ich erst Jahre später lese. Man bekommt gute Antworten, warum man etwas im Leben so und nicht anders gemacht hat", sagt sie lächelnd.
Mit 17 Jahren begann sie dann aber selbst Jazzstandards zu singen, besuchte auch das Jazzkolleg in Eriwan, was ihr aber bald zu wenig war. Sie wollte live singen und trat in diversen Jazzclubs und Bars auf. „Irgendwann wurde es aber zu eng in Armenien und ich wollte hinaus", sagt sie mit leiser, aber bestimmter Stimme. Während des gesamten Gesprächs wechselt sie übrigens, als ob es das Selbstverständlichste auf Erden wäre, von perfektem Englisch in perfektes Deutsch.
Es wurde dann also Graz, der nächste Ort ihrer musikalischen Reise. „Einerseits hat die Jazzabteilung an der KUG einen sehr guten Ruf mit gelebter Tradition in Europa, zum anderen kann ich hier kostengünstig studieren und das notwendige Handwerk erlernen", sagt Apoyan. Sie kam in die Klasse von Dena deRose, „die mich immer unheimlich unterstützt, aber auch sehr fordert". Auftritte mit vielen ansässigen Musikern in Grazer Clubs folgten, und sie wurde in der Szene gut aufgenommen, obwohl es „nicht immer leicht war". Ein Anliegen ist es ihr, armenische Elemente in ihre Musik zu übernehmen, aber sie sieht ihren Weg eher in der Fusionmusik, weniger im Ethno-Jazz. „Armenische Volksmusik hat wunderschöne Melodien, das zeigt auch Karen Asatrian, mit dem ich gerne zusammenarbeite. Aber wir Armenier haben genauso wenig wie die Österreicher den Jazz erfunden; ich möchte diese Melodien einbauen, möchte auch später selbst arrangieren, noch versuche ich mir aber aus meinen Vorbildern das Beste herauszupicken und von ihnen zu lernen. Keine von ihnen war vollkommen perfekt, jede aber war einzigartig", sagt sie bestimmt und lächelt im nächsten Augenblick.
Es gefällt Anush Apoyan in Graz, sie möchte aber ihre Reise noch nicht als beendet sehen und ihre Studien fortsetzen. „Paris wäre ein Traum für mich", meint sie und schließt etwas nachdenklich an: „Natürlich wäre ich auch gerne eine Zeit lang in den USA, für Workshops oder Auftritte, aber an sich bliebe ich gerne in Europa. Hier sind meine Wurzeln". Und bei ihr ist es kein Widerspruch, dass sie im nächsten Satz davon spricht, auch „etwas im Bereich Latin machen zu wollen, denn die Reise endet nie, und man soll sich bloß nicht einschränken". Dazu hängt sie wie selbstverständlich noch an, dass sie gerade an einem eigenen CD-Projekt arbeitet und überdies Saxofonstunden nimmt. Diese Reise wird sicher nicht so schnell enden, so viel ist gewiss!
Christian Salentinig, Jänner 2009