Der schlampige Materialist
Der Künstler Ernst Koslitsch fotografiert Modelle von Häusern – und verzichtet dabei nonchalant auf Pedanterie.
Ernst Koslitsch, Jahrgang 1977, aufgewachsen in Wolfsberg im Schwarzautal, lacht, als er sagt: „Meine Arbeiten schauen vielleicht ein bisschen so aus wie ein schlampiger Thomas Demand". Er steht in seinem Atelier in der Fotoklasse der Wiener Universität für Angewandte Kunst, in dem er nur noch einige seiner Arbeiten gelagert hat. Demnächst, so erzählt der gelernte Koch, wird er nämlich sein Fotostudium an der Angewandten abschließen und in die Bildhauerateliers der Akademie der Bildenden Künste im zweiten Wiener Gemeindebezirk übersiedeln. Dort wird er demnächst einige Jahre als Gasthörer in der Klasse der renommierten Bildhauerin und Performerin Monica Bonvicini verbringen.
Sieht man sich die Fotografien von Ernst Koslitsch an, dann weiß man, warum: Für seine Serie „Reise, Reise" - 2008 war sie übrigens, gemeinsam mit anderen Arbeiten, in der Neuen Galerie Graz ausgestellt - hat er Gebäude, die ihm von Zugfahrten in Erinnerung geblieben sind, nachgebaut. Die Schwarzweißfotos, die er von diesen Modellen angefertigt hat - gedruckt auf mattem Barytpapier - erscheinen haptisch, dreidimensional, skulptural, man möchte sie beinahe angreifen. Es sind Pappendeckel-Häuser, in die ein paar Fenster eingeschnitten sind, Karton-Silos oder glänzend erscheinende Industriegebäude, die im Dunkel zu verschwinden scheinen. Nicht auf die exakte Rekonstruktion zielt Koslitsch jedoch ab, sondern auf jene aus dem visuellen Gedächtnis, das sich die Bilder freilich nicht maßstabsgetreu merkt: Daher ist auch die Leiter, die sich am Silo emporrankt, drastisch überdimensioniert; ob das Haus nun sechs oder sieben Fenster besitzt, ist ungewiss - und wer weiß, ob auf jenem Dach in der Pezzlgasse in Wien-Hernals tatsächlich drei Rauchfänge sitzen oder vielleicht doch zwei oder vier? Zwischen Tatsachen und Erinnerung, so scheinen die Fotografien zu sagen, klaffen eklatante Lücken, die stets dem Subjektiven geschuldet sind.
Dass Koslitsch seine Arbeiten als „schlampige Demands" bezeichnet, kommt nicht von ungefähr: Seinen Modellen merkt man ihre Machart an - sie streben keinen Illusionismus an. Dies zeigt sich recht deutlich in dem 90 mal 180 cm großen C-Print „Konstruktion von Wirklichkeit": Da spannt sich hinter einem schlichten Wohnhaus ein blauer Himmel auf - jedoch knittert er an einigen Stellen. Auf den ersten Blick kann man erkennen, dass auch die Bäume, die Figuren, die Straßenlaternen nicht „echt" sind, sondern Fakes. Das Leben, meint Koslitsch, „ist eben knitterhaft" - Leugnen zwecklos. Mittlerweile inszeniert er seine Plattenbau-Modelle jedoch ganz anders, nämlich als Mitbewohner: „Ich lebe in einer Wohnung voller Häuser" hat er eine Mini-Serie betitelt, in der sich Gebäude vor einer Stehlampe aufpflanzen oder es sich auf einem Sofa gemütlich machen. Auch an diesen Fotografien zeigt sich recht gut, dass Ernst Koslitsch, wie er betont, „der erweiterbare fotografische Raum mehr interessiert". Seine Entscheidung, sich demnächst verstärkt mit dem Dreidimensionalen, der Materialität von Dingen zu beschäftigen, ist wohl die richtige.
Nina Schedlmayer, April 2009