Tanz als visuell-dramatischer Akt
Tomáš Danielis plädiert für Offenheit und künstlerischen Austausch in der Grazer Tanzszene
Als Tomáš Danielis 2002 im Rahmen der Internationalen Bühnenwerkstatt als Lektor nach Graz geholt wurde, wusste er von Linz, Wien und Salzburg; von Graz wusste er nichts. Nun hat er seinen Hauptwohnsitz hier, und von 2007 bis 2009 war er künstlerischer Leiter der Bühnenwerkstatt. Gleichzeitig arbeitet er aber auch immer wieder österreichweit an verschiedenen Orten; zurzeit vor allem in Wien im WUK und projektorientiert mit Willi Dorner.
Geboren wurde Tomáš Danielis 1980 in Banská Bystrica, im Herzen der Slowakei, wo er bis zu seinem 19. Lebensjahr lebte. In den darauf folgenden 10 Jahren war er als Lehrer und Tänzer in 15 europäischen Ländern und in Japan tätig. Er war mehrere Jahre Mitglied des Balletts in Bratislava, ein Jahr Solist am Kroatischen Nationaltheater in Zagreb und zwei Jahre Gastsolist am Grazer Opernhaus. Seit 1996 war er auch Mitglied zahlreicher Contemporary Dance Compagnies, bei Frey Faust etwa oder bei Sasha Waltz.
Sein künstlerisches Handwerkszeug hatte er sich während einer fünfjährigen Ausbildung für „Contemporary Dance and Ballet" im Konservatorium von Banská Bystrica erworben sowie in der „Academy of Music and Drama" in Bratislava, wo er auch den Abschluss mit einem Mag. Art. machte. Sein künstlerisches Fundament ist demnach ein breites und die jeweiligen Umsetzungen definieren sich entsprechend weit gesetzt und offen. Voll Hochachtung spricht er einerseits vom slowakischen Volkstanz, von dessen fantastischer Einfachheit, wo letztlich auch seine Wurzeln zu finden seien, und gleichzeitig davon, wie sehr ihn American Dance (Alvin Ailey) geprägt habe.
Dass Danielis den Anforderungen von Contemporary Dance am besten entspricht, bestätigen zahlreiche Auszeichnungen. Soeben wurde ihm für sein Solo, präsentiert beim "11th Polish Festival of Theatre Art" in Rybnik, für berührende und perfekte Performance der Preis der Kritik verliehen. 2007 erhielt er bei TanzRat Wien den „Price for Best Choreography at the Competition" und den „3rd Price for Interpretation" in der Kategorie „Modern Professional Dancers". Vor dem Hintergrund des Contemporary Dance definiert Danielis seine künstlerische Verortung als etwas, was sich nicht ästhetisch festlegen lässt; vielmehr ist Bühnentanz für ihn das, was sich über alle Genregrenzen hinweg und entsprechend dem Thema mittels aller verfügbaren Medien sich selbst erklärend mitteilt - den höchst selbstbewusst getragenen Absolutheitsanspruch miteinbezogen. Tanz basiert für Tomáš Danielis nicht so sehr auf Musik, sondern stellt einen vordringlich „dramatical-visual", einen „visual-dramatical" Akt dar. Den strukturierenden Rahmen liefert ihm eine Art von Konstruktivismus und Funktionalität im Denken. Seine nächste Premiere, „The Break" im September 2009 im TTZ Graz, soll für all dies Zeugnis ablegen.
Danielis‘ Hauptaugenmerk für die nächste Zukunft liegt in der Gründung einer eigenen Compagnie: Esther Steinkogler, Claudia Fürnholzer und Mihael Pecnik nennt er als Mitglieder. Als solche, die er, seiner Grundeinstellung von „openess" entsprechend, nach abgeschlossenem Projekt keineswegs festhalten will. Derartig offenes Vorgehen sei insbesondere in einer kleineren Stadt wie Graz wichtig. Hier sei „Öffnung" für eine funktionierende Tanz-Szene ein allererster, geradezu ein lebensnotwendiger Schritt: Dringend bedürfe es des künstlerischen Austausches, allen Konkurrenzängsten der lokalen Tanzkünstler und Künstlergruppen zum Trotz. Dies ermögliche die Basis für selbstverständliches Networking und gleichzeitig für künstlerisch wie auch finanziell (über)lebensnotwendiges Touring.
Diese Auffrischung wäre gleichermaßen „tänzerisches Grundnahrungsmittel" für ein größeres Interesse seitens eines zahlreicheren Publikums; ein Publikum, das nicht nur durch eine gesteigerte Kontinuität von Angeboten zum zeitgenössischen Tanz geführt werden kann und muss, sondern auch durch Diversität und Spezifität. Tomáš Danielis ist fest davon überzeugt, dass er in einer Stadt, in der es einen guten Jazz-Hintergrund sowie eine starke „visual- und electonical art" gebe, mithelfen könne, dem zeitgenössischen Tanz einen erfolgreichen Weg zu bahnen.
Eveline Koberg, Juni 2009