Ein Einhorn kommt selten allein
Marta Navaridas und Alexander Deutinger übersetzen sich selbst in den Tanz
Sie studierten Übersetzungswissenschaften in Graz: Marta Navaridas, geboren in San Sebastián im Baskenland, Englisch und Deutsch; Alex Deutinger, geborener Salzburger, Spanisch und Englisch. So weit so normal. Die Teilnahme an einem Fachübersetzungsseminar zum Thema Metallbearbeitung: „normal" langweilig und „normal" daher auch das Gespräch miteinander. Der Rest - nicht ganz „normal", respektive nicht ganz alltäglich - ist Tanz: gemeinsam und auf der Bühne.
Marta Navaridas trainierte als Kind Shotokan-Karate und Ballett: beides aus Bewegungsdrang und mit Erfolg. Als sich die Preise für Karate zu häufen begannen, verlor die 12-Jährige das Interesse tanzte noch für ein Jahr und setzte ihr Training danach aus. Erst als Studentin in Barcelona und Graz fand sie über Workshops für zeitgenössischem Tanz und Improvisation wieder zur Freude an der Bewegung zurück. Nach Abschluss ihres Übersetzungsstudiums ging sie an die Kunstuniversität in Arnheim und danach an die Theaterschool in Amsterdam, um sich als Tänzerin und Choreographin auszubilden.
Noch davor war es ihr aber gelungen, Alex Deutinger, der nie etwas mit Tanz am Hut gehabt hatte, für diese Kunstform zu interessieren: Er sah im Kulturzentrum bei den Minoriten erstmals eine Tanzperformance, belegte Kurse für Bewegungsimprovisation am Grazer Sportinstitut und besuchte das „artlab" bei uniT. Als ihm in Graz schließlich die Trainingsmöglichkeiten ausgingen, machte er spontan eine Audition am Institute for Dance Arts der Bruckner-Universität in Linz und wurde - für ihn unerwartet - aufgenommen. Nach drei Jahren intensiver Ausbildung schrieb er seine Diplomarbeit - gleichzeitig mit der Translationswissenschaft. Seit Ende seines Tanz-Studiums hatte Alex immer wieder Gelegenheit, mit unterschiedlichen internationalen Choreographinnen und Choreographen zu arbeiten (u. a. mit Rose Breuss, Martin Sonderkamp, Oleg Soulimenko, Dani Brown, Helena Golab). Auftritte im Tanzquartier Wien, bei den Bregenzer Festspielen und auf Kampnagel in Hamburg waren bisherige Höhepunkte.
Für Alex und Marta begann der Einstieg in eine künstlerische Zusammenarbeit in Amsterdam, wo sie die Gruppe „Unicorn" gründeten und ihre erste gemeinsame, abendfüllende Produktion entstand: „Look At Them Now!", (Grazer Premiere 2007 bei „tanz schritt weise"). Für das Konzept der darauf folgenden Choreographie „Look At Them Again!", das Alex und Marta beim choreographischen Wettbewerb „tall order" im CCL Linz einreichten, erhielten sie den 1.Preis. Stipendien (u. a. Danceweb und Dantzan Bilaka) und Artist-in-Residence-Programme folgten (z. B. bei ImPulsTanz, Turbo und bei Liz King, D.ID Burgenland und bei Esther Linley im CCL Linz).
Einer Zeit des Lebens aus dem Koffer - internationale Engagements u. a. in Hamburg, Amsterdam, Madrid, Bilbao - folgte vor einem Jahr die Suche nach einem örtlichen Fix- und Drehpunkt. Junge, ambitionierte Tänzerinnen und Tänzer zieht es oft nach Berlin, Brüssel Wien. Diese beiden aber entschieden sich für Graz! Für eine Stadt, in der Tanz in unterschiedlichen Facetten und mit regelmäßigen Angeboten noch stärker sichtbar gemacht werden könnte, meinen die beiden. Eine Plattform für zeitgenössischen Tanz haben sie als Konsequenz bereits gegründet: „Performanceinitiative 22". Sie soll experimentelle Tanz- und Performanceformen fördern.
„Es gibt viel Raum im Tanzbereich", formuliert Marta und hofft, mehr von Theater und Film in ihr Tun integrieren und neue Kreations- und Arbeitsmethoden ausprobieren zu können. Formate von zwei- bis dreimonatigen Projekten - manchmal als Choreographin, manchmal als Tänzerin - und ein abwechslungsreiches Training in unterschiedlichen Disziplinen seien dafür gerade richtig. Vielfalt ist also ein wesentlicher Teil ihrer künstlerischen Identität, tänzerische Textinterpretation und Textbearbeitungen sind ein zarter roter Faden.
Derzeit arbeiten Alex und Marta in Graz am Projekt „My Heart is Bleeding and Bleeding", einem "weihnachtlichen Quartett". Im September folgt ein Haydn-Quintett, aufgeführt in einer Viehversteigerungshalle im Burgenland. Anschließend arbeiten die beiden in Athen mit dem - von Marta mitgegründeten - Künstlerkollektiv „Fingersix" am Thema political incorrectness. Danach folgt ein weiteres „Fingersix"-Projekt - ein für das Theater inszenierter Schönheitswettbewerb in Kooperation mit dem Produktionshaus Kampnagel in Hamburg.
Eveline Koberg, Juni 2009
