Gemeinsam gegen die Bilderflut
"maiö" sucht als FotografInnen-Kollektiv nach der Erweiterung individueller Ansätze und des Mediums an sich.
Eine fotografische „Stille Post" markiert den einen Anfang. Den anderen nehmen die Rondo-Ateliers ein, für die sich das Kollektiv von ursprünglich acht FotografInnen bewerben wollte. Sie hatten sich kennengelernt am Kolleg für Fineart Photography & MultimediaArt an der Grazer Ortweinschule, und es war der Anlass dieser Einreichung, der die gemeinsame Arbeit provozierte, die Idee „maiö" hervorbrachte und den ersten gemeinsamen „Betätigungsraum" eroberte: Das Atelier nützten die acht nämlich nicht, um mit ihren Arbeitsplätzen ins Rondo zu übersiedeln, vielmehr wurde es Ausstellungsraum, Realisationsmöglichkeit für Rauminstallationen und regelmäßige Gespräche, über die seit 2008 beachtenswerte Konzepte entstanden. Der Computer blieb also zu Hause, private Utensilien und fotografische Arbeiten ebenfalls. Der Raum sollte frei sein und maiö als Gruppe mit einem konzeptuellen Zugang über persönliche Fotografie-Vorhaben und -Anschauungen hinaus wachsen lassen.
Und damit zurück zum Anfang, und zur „Stillen Post": Ein Foto, ein Satz, vom nächsten Glied in der Kette neu interpretiert und wiederum weitergegeben. Gleich einer Idee, die mit neuen Einflüssen durch die Mitglieder geschärft, verfeinert oder am Ende wieder verworfen wird. Fünf „maiös" bildeten dabei eine Art Kerngruppe - jene Größe, auf die das Kollektiv bis heute auch geschrumpft ist - namentlich auf Marianne Borowiec, Martin Grabner, Sabine Hoffmann, Thomas Raggam und Maria Schnabl.
Das schier endlose Wuchern der Bilderwelten, auch in den Weiten des Internet, das die moderne Fototechnik ausgelöst hat, wird zum Thema, wenn heute „Quantität oft mehr zählt als Qualität, als das Bemühen um das einzelne Bild." Die technische Reproduzierbarkeit hat Auswüchse erreicht, mit denen Walter Benjamin kaum gerechnet hätte. Wohl weil man viel zu oft abdrücken kann. Mit der simplen Frage nach der Originalität des fotografischen Bildes bringt die Arbeit „Rauschen" diese Flut als eine Unzahl von Kopien bzw. Kopien von Kopien usw. an die Wand. Auch um die „echten" Bilder systematisch abzuwerten. Oder es wird mit „Bleichen" der Betrachter selbst zum „Auslöser" einer Versuchsanordnung gekürt, die das entstehende Portrait via Camera-Computer-Drucker-Bleichbad-Automatisierungsstrecke nach einem kurzen Aufblitzen der Materialität gleich auch wieder in den Zustand des Ephemeren entlässt.
Mit „Auflösung" vollendet sich dieser dreiteilige Zyklus rund um Legitimität und Beständigkeit der Fotografie, wenn Bilder einer Ausstellung sukzessive verschwinden. Via Zerlegung in ihre Bestandteile - nicht auf der Pixel-, sondern auf der Objektebene - gehen Informationseinheiten im projizierten Bild nach und nach verloren. „Von kleinen zu großen Dingen" greift die Retusche um sich, wird die Virtualität der Bilder in den Vordergrund gespielt: Denn immer schemenhafter findet sich unsere Wahrnehmung in der Masse des Gesehenen zurecht, wird das Bild zur Flüchtigkeit, zur kurzen Lichterscheinung zersetzt.
Ausgeklügelte Techniken der digitalen Bildverbesserung werden von maiö in Richtung Manipulierbarkeit des Mediums umgedeutet, z. B. wenn eine Serie von Portraits scheinbar perfekte Gesichtszüge zeigt, die einzelnen Partien wie Mund, Nase, Augen aber durchmischt zu überwirklichen Persönlichkeiten zusammengesetzt werden.
Es sind jene Angelpunkte der Rezeption, an denen maiö den Hebel ansetzen inmitten der Digitalfotomassen der Datenträgerwelt. Und gekonnt auf einen medienimmanenten Reibepunkt hinweisen, der wahrgenommen werden will.
Eva Pichler
Feber 2010