„Möglichst gute Musik machen“
Wie viele andere Musiker mögen es Code Inconnu nicht, in Schubladen gesteckt zu werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Musikern hört man das ihrer Musik auch an.
An der Grazer Band Code Inconnu lässt sich die Widersprüchlichkeit der Mechanismen im Kulturbetrieb gut demonstrieren. Eines ihrer früheren Alben wurde im britischen „Wire", dem weltweit so ziemlich besten Musikmagazin, ausnehmend positiv rezensiert, in ihrer Heimatstadt ist es für das Avantgarde-Rock-Quintett dennoch bis heute nicht einfach, für einen Auftritt engagiert zu werden. Hier bekamen sie auch schon einmal von Veranstaltern zu hören, ihre Musik sei einfach „zu anstrengend". Man sieht: Musik, die im renommiertesten Feuilleton bejubelt wird, hat nur deswegen am freien Markt noch lange keine besseren Chancen, ja, wird oft marginalisiert.
Mit ihrem dritten Album, das im Gegensatz zu seinen Vorgängern „Abgesang" und „Spoil, microbe" keinen Titel trägt, nehmen Code Inconnu einen erneuten Anlauf, um als eine der besten Avant-Rockmusiken von Österreich und Umgebung wahrgenommen zu werden. Die Band ist mittlerweile auf ein Quintett angewachsen. Zu den Gründungsmitgliedern Gottfried Krienzer (Gitarre), Christoph Uhlmann (Synthesizer) und Markus „Maex" Sworcik (Schlagzeug) sind im Lauf der Jahre der Bassist Reas und der Sänger Hannes Schauer dazugewachsen. Vor allem der jüngste Neuzugang, Hannes Schauer, war gar nicht so leicht zu integrieren, hat man doch über Jahre hinweg als reine Instrumentalband gut funktioniert. „Da Platz zu schaffen für einen Sänger war ein längerer Prozess", erzählt Schlagzeuger Sworcik. Die gewiss nicht geringen ästhetischen Veränderungen, die der Bandsound immer wieder durchlief, waren oft dem Gestaltungswillen von Gottfried Krienzer geschuldet. „Er übernimmt gern das Ruder, um uns woanders hinzusteuern", erklärt Sworcik.
Letztlich ist Schauer aber eher zufällig zu Code Inconnu gestoßen. Ausschlaggebend war unter anderem, dass er ganz in der Nähe der alten Bandmitglieder gewohnt hat. Im kleinen Musikbiotop von Graz findet man sich fast zwangläufig, irgendwann. Auch der Bandname ist eher zufällig entstanden. Man sei damals in der gemeinsamen Küche herumgesessen (das Trio lebte gemeinsam in einer WG) und habe darüber diskutiert. Der Haneke-Film „Code Inconnu" lief damals gerade im Kino, und ein französischer Bandname ist den Gründungsmitgliedern rein vom Klang her sympathisch gewesen.
Im Gegensatz zu manchem Detail der Bandgeschichte ist die Musik von Code Inconnu sicher nicht auf Zufall aufgebaut. Hier scheint man eher die ganze Vielfalt der Möglichkeiten von Rockmusik bzw. ihre Grenzen auszuloten. Sworcik: „Der Sound reichte schon ziemlich am Anfang vom Garagenpunk bis zum filigranen Gegenteil". Erst irgendwo zwischen Postrock und avantgardistischer Elektronik mäandernd, ist man mittlerweile - mit Sänger - bei einer Rockmusik angelangt, die aus der Negation, respektive einer Auflösung ihrer Konventionen besteht. Hier werden jene Elemente dekonstruiert, die Rockmusik im Lauf der Jahrzehnte zu einem oft unerträglichen Genre werden ließen (der hässliche Rockismus mit seiner formalen Dumpfheit, mit seiner selbstgewissen, „authentischen" Attitüde, mit seiner Schein-Expression, die sich in fragwürdigen Praktiken wie dem berüchtigten „geröhrten" Gesang oder dem Soli-Genudel ausdrückt). „Der Regelbruch ist schon einer unsere Lieblingspraktiken", nennt es Sworcik. Auch zur Musik fanden die Bandmitglieder durchwegs auf unterschiedliche Weise. Bei Hannes Schauer führte der Weg über seine Faszination an David Bowie: „Die hat etwas in mir ausgelöst, dass ich mich näher mit Musik auseinandersetzen wollte." Bei Maex Sworcik ging der Weg ganz einfach über sein Instrument: „Ich wusste, dass ich mit dem Ding einfach möglichst gute Musik machen wollte." Dass es Code Inconnu mit dieser „anstrengenden" Musik schwerer haben als ausgetrampelte Pfade beschreitende Indie-Bands, ist klar. „Unsere Musik fordert den Hörer", meint Christoph Uhlmann, „eigentlich ist Musik ja sehr einfach zu konsumieren, man muss ja gar nichts dafür tun. Bei uns liegt das halt ein bisschen anders. Es ist eine Aufforderung zu Aufmerksamkeit".
Homepage: www.code-inconnu.org
Martin Gasser, März 2010