„Bitte keine fertigen Bilder“
Peter Angerer ist als Künstler wie als Kunstpädagoge ein Mann mit hohen Ansprüchen. Seine vielseitige Beschäftigung mit philosophischen und kunsttheoretischen Problemen ebnete ihm dabei den Weg zu konzeptuellen Ansätzen.
Der Künstler Peter Angerer hat als Zeichner begonnen, dazu gesellte sich ein Interesse an der räumlichen Arbeit innerhalb von Malerei und Installation, am örtlichen und inhaltlichen Kontext, der ihn über strenge geometrische Formen zu einer objektivierten Bildsprache führte - im Zentrum stets die Reflexion über das verwendete Medium. Das Bild scheint sich gegen seine äußere Bedingtheit zu sträuben, Rahmen werden vergittert, entleert, schichten sich zum eigenständigen Objekt, während das Werk auf die Wand ausufert oder sich in Archivkästen und Metallkoffern verbirgt. Leinwände werden hinter- und übereinander montiert, paaren sich mit Alltagsobjekten als Flächen von Tisch- und Regalmöbeln und verlassen somit den Status einer vertikalen Bildbetrachtung. Um seinen selbstverständlichen Standpunkt gebracht, muss sich auch der Betrachter - im Dialog mit dem Werk - bewegen.
„Früher habe ich meine Bilder ausgeräumt, jetzt räume ich sie wieder voll" beschreibt Peter Angerer seine aktuellen Arbeiten. Und nimmt dabei mit gezielt partizipativen Kompositionen den Betrachter als Komplizen in die Pflicht. Für die Serie „beauty brain" entwickelt er ein Schienensystem der fließenden Bilder, „Verschiebungen", die sich über den Eingriff des Betrachters neu konfigurieren können, grob gerasterte, sich überlagernde Fotografien, Malereien, Schriftpartikel, monochrome Flächen - hier können die verschiedensten Techniken parallel wirksam werden. Um gängige Blickschablonen zu hinterfragen, treffen Gehirnwindungen auf Medienschönheiten, Denkstrukturen auf Oberflächlichkeiten - ein Bausteinsystem für Gedankensprünge. Und ein Fundus, der auch großformatige Kompositionen speist, die in Anlehnung an Wolfgang Welschs Begriff der „Transversalität" Widersprüchlichs zueinander finden lassen.
Das druckgrafische Werk manifestiert sich in gekonnten Farbhochdrucken - monochrome Flächen kontrastieren mit organischen Strukturen und Textpassagen. Oder in „structural sculpture", wo Zerstörung immer auch Transformation, das Erstehen neuer Formen, bedeutet: zerknüllte Originale werden in Kugeln oder Glaskuben versiegelt - Materialien, die auch in Rauminstallationen als umfangreiche Assoziationsfelder zur Aufarbeitung kommen. In „fragile" wird die Zerbrechlichkeit menschlichen Handelns gleichzeitig zum Spiel der materiellen Durchlässigkeiten: Ein gläsernes Kartenhaus findet Ungleichgewicht in seiner Wandprojektion, aus der sich wiederum die Leinwand als Bildfragment herauslöst, Glasobjekte täuschen Doppelungen vor, Gedanken sind glasklar sichtbar. Dazwischen eröffnet eine Schachtel „Voll nicht darstellbarer Ideen" der Fantasie alle erdenklichen Möglichkeiten.
In klassischer Schildmanier verweist Peter Angerer desgleichen im öffentlichen Raum auf den (aktiven) Betrachter: „Geh deinen Weg" mündet als Imperativ in keinen vordefinierten Richtungspfeil. Für das Leben und die Kunst gilt gleichermaßen: es gibt keinen Routenplaner. Man muss es sich selbst aneignen.
Eva Pichler, 2010