Jazzmusiker mit ethnischen Beziehungen
Improvisator Stefan Heckel zeigt keine Berührungsangst vor der weltweiten Volksmusik
Man muss ja als akademisch ausgebildeter Jazzmusiker nicht immer gleich nach New York oder Boston gehen, um mit der Erleuchtung heimzukehren, dass die Sache mit dem Jazz keine leichte ist. Vor allem dann, wenn man als kreativer Musiker den bescheidenen Wunsch hegt, davon leben zu wollen. Sozusagen als Künstler. Es genügt freilich auch das teure London, wohin es weiland auch den Pianisten Stefan Heckel zog, um schwer über die Runden zu kommen, hart arbeiten zu müssen. Fruchtlos blieb das im Fall Heckel freilich nicht. Der gebürtige Grazer, der an der Royal Academy of Music Jazzkomposition studiert hat, nahm 1998 in London seine erste CD auf. „Horch" nannte er interessanterweise sein Platten-Debüt mit der Stefan Heckel Group, vielleicht auch deshalb, um im Hörer die Frage nach dem Unterschied zwischen hören und horchen zu provozieren. Oder um zu philosophieren, warum Musik keine Frage des guten Geschmacks, sondern eine der Erkenntnis ist. Selbstredend, dass Kontakte aus seiner Londoner Zeit übrig geblieben sind, wie etwa zum virtuosen Saxophonisten Julian Argüelles, der noch heute das Format dieser Band wesentlich mitbestimmt.
Für den Pianisten und Komponisten Stefan Heckel führt seit seiner Zeit in London kein Weg mehr an der Improvisationsmusik vorbei. In all seinen Projekten und Kompositionen steht die Freiheit im Zentrum eines kreativen Prozesses, der sich in einem konkreten Rahmen stets neu definiert. Vom Jazz bis zur Neuen Musik. „Die Improvisation", sinniert der seriöse Klangforscher, „ist ja überhaupt die Wurzel aller Musik". Längst ist Heckel, der heuer 41 Jahre alt geworden ist, wieder in seine Heimat zurückgekehrt, zumal ihm ein Angebot für eine Unterrichtsstelle an der Jazzabteilung der Kunstuniversität Graz (KUG) diese Entscheidung nicht gerade erschwert hat.
Stefan Heckel wäre nicht der seriöse Musiker, den wir als neugierigen Tonsetzer kennen, sähe er nicht auch in der Lehrtätigkeit mehr als bloß die Sicherung einer guten Existenz. Vor allem an den Jungen merke er, wo er selber stehe und dass das Unterrichten „ein wirkliches Im-Jetzt-Sein" bedeuten kann. Mehr noch, „jeder Unterricht ist wie eine Performance", bringt es der besonnene Charakterkopf mit einem Wort des Bassisten Adelhard Roidinger auf den Punkt.
Damals vor zehn Jahren, als Heckel plötzlich wieder in der heimischen Szene auftauchte, meldete er beim Grazer Jazzclub-Festival und beim „Austrian Soundcheck" auch gleich seine Vorstellung einer offenen, klangorientierten Musik an. Und man wusste, dass fürderhin sein Weg über das Ohr und nicht über die Noten führen wird. Mittlerweile gibt er diese Erkenntnis auch an seine Studenten weiter, die der sogenannte Wahlwiener an der KUG in Gehörschulung und Arrangement ausbildet.
Bemerkenswert scheint auch, dass der Jazzmusiker Heckel seit jeher auch ein gewisses Naheverhältnis zur Volksmusik pflegt. Nicht nur zur heimatlichen, sondern beispielsweise auch zu fernöstlichen Idiomen, wenngleich man das heutzutage ja eher als Worldmusic bezeichnet. In einem ganz unkonventionell besetzten Trio mit seiner Frau, der Fagottistin Maria Brigitte Gstättner, und dem marokkanischen Percussionisten und Sänger Aziz Sahmaoui werden etwa steirische Volkslieder mit nordafrikanischer Musik voller Leidenschaft zusammengeführt. Zurückzuführen ist dieses Naheverhältnis wohl auf seine Zeit als Harmonikaspieler, in der klein Stefan sehr der alpenländischen Volksmusik zugeneigt war.
Im Quartett Mélange Oriental, einem seiner aktuellen Hauptprojekte, geht es gleich mehrfach um ethnische Musik, nämlich jener aus den vier Vierteln der Altstadt Jerusalems, dem jüdischen, armenischen, muslimischen und christlichen. Wobei der Pianist diesfalls am Akkordeon zu hören ist. Und auch die Arrangements liefert.
Sein Stammprojekt, die Stefan Heckel Group, die er eigentlich schon 1995 bei einem Workshop in Kanada gegründet hat, bleibt indes die kreative Keimzelle des an der Grazer KUG diplomierten Jazzpianisten. Damit hält er im Jahr 2010 bei drei CD-Veröffentlichungen. Mit welchen Namhaftigkeiten Stefan Heckel in seiner Laufbahn zusammengespielt hat, welchen Einladungen er folgte und welche Kompositionsaufträge er erhalten hat, ist letztlich nicht mehr als biografischer Ballast, der nur die Sicht auf einen aufgeweckten Musiker und einen Unentwegten verstellen würde.
Otmar Klammer,
September 2010