Auf der Überholspur durchs Niemandsland
Die Malerin und Fotografin Isa Riedl sammelt ihre Motive auf und neben der Straße.
Nach ihrer künstlerischen Ausbildung an der Grazer Ortweinschule und der Kunstuniversität Linz wurde das Unterwegssein bewusst zum Thema, über das Isa Riedl den Betrachter wie in einem Road Movie durch örtliche Randerscheinungen navigiert. Sie bereiste Spanien, Portugal und Tschechien und hat sich den Weg mit Fotos und Eindrücken zur Serie „meine bleibe" gepflastert. Reflektierende Nachdenkprozesse, die aufgrund der Reisegeschwindigkeit vor Ort nicht möglich sind, werden im Atelier vollzogen, wo aus der gezielten Foto- und Motivauswahl die konzentrierte Erarbeitung in einer Mischtechnik aus Buntstift, Bleistift und Aquarell reift. Über weiß und kartongrau klaffende Fehlstellen nimmt sie in der Absenz ihre Deutungen vor, ja vermag den Blick durch das Bild in eine unkonkrete Ferne zu ziehen. Über die Titel verknüpfen sich immer wieder auch persönliche Momente mit dem Gezeigten: „Yes I did it" - endlich wieder selbst am Steuer gesessen.
Am Balkan hat Isa Riedl „Auf weißen Straßen" ausgetretene Wege und gängige Landschaftsklischees verlassen; gerade arbeitet sie an Architekturen und Ausblicken, die sie von einem Reisestipendium aus Albanien mitgebracht hat - das Skelett eines zukünftigen Badeortes als gegenwärtige Großbaustelle. Im Gegensatz zum intuitiven Status der Straßenmotive steht der gelenkte Ausflug („3 journeys"), wird die Empfehlung und Erwartung eines angeblich Örtlichen in der Folge zum Reibepunkt mit dem tatsächlich subjektiv Erlebten. Es kann auch vorkommen, dass die Fotografie für sich bleibt. Manchmal verharrt die Künstlerin und der Fotoapparat wird überflüssig: In Hongkong teilte die Fensterrahmung Ausblick und Tagwerk des Aufenthaltes ein. Manchmal wird im Experiment die Ausstellungswand zum direkten Bildträger, der die Landschaft in den dreidimensionalen Raum zurückbringt, das Motiv dazu wird auf der Fahrt zum Ausstellungsort wie zufällig aufgelesen. Und manchmal wird der Zeichenstift zugunsten sparsamer Serien auf Leinwand beiseite gelegt. Meist aber dominieren scheinbar entleerte Umgebungen, in denen sich die menschliche Präsenz nicht auf den ersten Blick erschließt. In der Blickperspektive der Künstlerin ist sie dennoch allgegenwärtig, in architektonischen Hervorbringungen oder in „Interferenzen" am Rande des Sichtbaren überschatten ihre erzwungenen Eingriffe die einsame Niemandslandidylle. Schlicht „280,13 km" heißt eine von Isa Riedls Arbeiten. Entlang der gleichförmigen Schneisen der Nicht-Orte orientiert man sich mit Marc Augé eben am besten mit Maßeinheiten.
Eva Pichler, 2010




