Das Holz, aus dem amerikanische Träume sind (*)
Die Künstlerin Maruša Sagadin verarbeitet Einflüsse und Materialien aus Los Angeles.
Direkt zum *Update 2023
2004 hat sie ihr Architekturdiplom an der TU Graz mit dem ersten Preis vergoldet - vor Kurzem konnte sie die Akademie der Bildenden Künste in Wien ebenso aussichtsreich beenden: Von 33 europäischen Kunstakademien wurden junge KünstlerInnen zur Ausstellung ihrer Diplomprojekte nach Tschechien gebeten. Und unter der Handvoll Auszeichnungen findet sich auch die Rauminstallation Sagadins. „Erfolg auf der ganzen Linie" wäre an dieser Stelle wohl eine geeignete Anpreisungsformel - die üblicherweise gern in genau jenen Zusammenhängen verwendet wird, die Maruša Sagadin in ihren Arbeiten gekonnt umzudeuten weiß.
"Everybody says Hi to Hans because Hans says Hi to Everybody" nennt sich ihr aktueller Objekt- und Collagenfundus, entstanden im Rahmen des begehrten MAK Schindler-Stipendiums in Los Angeles. Ausgehend von einer Videoarbeit treffen hier Schablonenschriften auf längst verinnerlichte Phrasenschablonen. Die Struktur gängiger Slogans, die durch die Werbeindustrie unablässig in den öffentlichen Raum ausgespuckt werden, wird dabei unbeschwert dekonstruiert. Und die entstehenden absurden, weil sinnentleerten Formeln einem so genannten „Sign Spinner" in die Hand gegeben, der damit seine gewohnte Aufmerksamkeitsakrobatik an frequentierten Straßenkreuzungen vollführt. „Man bekommt als Künstlerin einen Blick dafür, was einen interessiert", so Maruša Sagadin. In ihrem Fall ist das immer genau dort, wo es aneckt. Wo die Dinge nicht ganz rund laufen.
Städtische Knotenpunkte, soziale Verflechtungen, Architektur und Raumplanung vis-à-vis mit unterschiedlichen Mentalitäten und damit einhergehenden Problemen. Überzogene Versprechungen und tatsächliche Renditen gewinnorientierter Immobilienprojekte bringen Sagadins Arbeiten ins Rollen. Oder vielmehr ihren Zeichenstift, der grafisch und erzählerisch umsetzt, was später zu Schaukästen, Modellen, Litfasssäulen-Torsos oder Schriftskulpturen weiterverarbeitet wird. Gebäude treffen auf Benutzer. Wuchernde Wettcafés hinterfragen ihre postmodern angehauchten Fassaden. Und Stadtbewohner werden systematisch angelockt, wenn sie gemeinsam mit Michael Hieslmair die als „Public Animals" definierten Stadttauben füttert. Oder es entspinnt sich aus dem Dualismus der Wiener Stadtentwicklung zwischen Businesskarussell und Freizeitparadies, zwischen Platte und Donauinsel gar ein Rap Song. Die „Platte" dazu läuft auf einem als Architekturvision entwickelten Möbel. Und Künstlerin fragt Stararchitekt: „Wo ist unser Niveau Herr Perrault?"
Vieles entwickelt sich auch aus dem handwerklichen Prozess im Experimentierfeld der Werkstatt. Oder auf der Straße selbst - im Dialog mit den Menschen, die mit der Künstlerin zum Beispiel ihre Chefs karikieren. Die Baustelle direkt am Haus in L.A. führte nicht nur zur simplen, amerikanischen Art zu bauen, sondern auch zum Kontakt mit mexikanischen Bauarbeitern und ihren Holzabfällen. Ein Werkstoff, den Sagadin für sich „importiert" hat. Ebenso wie die pastelligen Farben rund um formale Assoziationen mit Möbeln und Turngeräten. Ihre Referenzen beziehen sie aus dem alltäglichen, menschlichen Gebrauch: Ob benutzbarer Einrichtungsgegenstand oder Kunstwerk - die Grenzen verschwimmen, verschmelzen mit den Textfragmenten zu raumfüllenden Stories aus dem „Plywood Forest". Was reimt sich auf Rest? fragt später eines ihrer Werke. „west" oder „best" würde sicherlich passen. Ebenso wie das Bekenntnis zu einer fortwährend neu zu erfindenden Form der Collage. Und der postmodernen Vielfalt der Perspektiven.
Website: http://marusa.sagadin.at/
Eva Pichler
Oktober 2010
*Update 2023: Eisdiele, Schirnkunsthalle und auf nach Prag
Alle zwei Jahre wird der Förderungspreis für zeitgenössische bildende Kunst vergeben. Mit der Ausschreibung, Organisation und Durchführung des renommierten Preises ist die Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum betraut. 2023 geht er an Maruša Sagadin.
Petra Sieder-Grabner: Ich gratuliere dir herzlich, liebe Maruša. Der Förderungspreis des Landes Steiermark für zeitgenössische bildende Kunst, ausgerichtet durch die Neue Galerie, war immer ein erster Meilenstein in einer künstlerischen Karriere. Nun hast du schon einige Meilensteine errungen. Was bedeutet der Preis für dich?
Maruša Sagadin: Der Preis verschafft mir Sichtbarkeit und eine finanzielle Unterstützung, die für die künstlerische Produktion existenziell ist. Ich bin sehr froh darüber, dass mir der Preis auf Vorschlag von Kuratorin Magda Radu verliehen wurde, die ich sehr schätze.
2022 hast du den Otto-Mauer-Preis bekommen, der einer der wichtigen „Nachwuchspreise" in Österreich ist. Wie ist die Rezeption dieses Preises, der an den legendären Monsignore Otto Mauer erinnert, unter Künstler*innen heute?
Der Otto-Mauer-Preis hat eine lange Tradition, wenn ich mir die Liste der vorherigen Preisträger*innen anschaue, bin ich noch glücklicher, jetzt darunter zu sein. Interessanterweise ist er nicht der höchstdotierte in Österreich, aber aufgrund der langjährigen Tradition und der Beständigkeit ein sehr angesehener Preis.
Du bist in Slowenien geboren und aufgewachsen. Dennoch nehmen wir dich als steirische Künstlerin wahr. Wie kommt das? Ist das für dich in Ordnung? Welche Beziehung hast du zu Graz, der Stadt, in der du studiert hast?
Ich bin mit meiner Familie 1991 nach Graz gekommen, habe dort die Schule und das Architekturstudium abgeschlossen. Meine ersten Kontakte mit der Kunst sind da passiert, über den künstlerischen Zugang der Architekturfakultät, später waren Forum Stadtpark und der steirische herbst wichtige Inputs sowie viele persönliche Beziehungen zu Freund*innen und Kolleg*innen wie Nicole Pruckermayr und Majda Krivograd. Mittlerweile lebe ich seit vielen Jahren in Wien und bin auch viel in Slowenien künstlerisch aktiv. Ich arbeite an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Sprachen. Es gibt in der Arbeit und dem Leben viele Einflüsse, die Identität ist eine Collage.
Wann bist du eigentlich nach Wien gegangen und warum?
Nach dem Architekturstudium, um Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste zu studieren. Das war 2005.
In der Kulturabteilung haben wir eine öffentlich zugängliche, sehr schöne Arbeit von dir; sie gefällt unseren Gästen besonders gut. Welches ist dein Anliegen, wenn du an Örtlichkeiten arbeitest, die von vielen Menschen genutzt werden?
In einem Gespräch vor einigen Jahren mit dem von mir sehr geschätzten Kurator Dirck Möllmann habe ich erwähnt, welche ambivalente Beziehung ich zum öffentlichen Raum habe: Der öffentliche Raum ist ein Hund. Er bedeutet mir viel, darin kommen viele meiner Fragen zu Zwischenmenschlichem zusammen, gleichzeitig ist er ein anspruchsvoller, ungeschützter Arbeitsraum. Es gibt Arbeiten, die partizipativ sind, benutzt werden können, aber auch welche, die sich mit Fragen der Zugänglichkeit in Form von skulpturalen Motiven äußern, wie die Arbeit in der Kulturabteilung - eine Doppelflügeltür wird zum Triptychon, die Mitte ist durch ein betonartiges Element versperrt, die offenen Flügel erinnern an eine Eisdiele.
In der renommierten Frankfurter Schirn-Kunsthalle ist anlässlich des Gastlandes Slowenien auf der Frankfurter Buchmesse eine Ausstellung mit Werken slowenischer Künstler*innen zu sehen. Auch du bist mit einer Arbeit vertreten. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den ausgestellten Werken und der Literatur?
Die Ausstellung mit dem Titel „Luv Birds in toten Winkeln" findet im halböffentlichen Raum der Schirn-Kunsthalle, der Rotunde, statt, die gleichzeitig als eine Verlängerung des Eingangsbereiches gesehen werden kann. Es ist ein runder, über 20 Meter hoher, kathedralenartig postmoderner Raum. Die säulenartigen Arbeiten sind Figuren und Architekturen gleichzeitig, sie sind Infrastrukturen, tragen Basketballkörbe, Birnen und können als Straßenlaternen gelesen werden. Die erkennbaren Formen und die Titel der Arbeiten sind das Narrativ.
Dein Leben ist beruflich gerade sehr dicht. 2024 gehst du zudem als Gastprofessorin an die Akademie der bildenden Künste nach Prag. Was erwartet dich dort? Bedingt das deine Abwesenheit aus Wien für ein Jahr?
Es ist eine einjährige Gastprofessur an der Akademie in Prag, ich mag das Unterrichten sehr, und nachdem ich jetzt eine sechsjährige Pause seit dem Unterrichten an der Akademie in Wien hatte, ist der Zeitpunkt, das Dialogische wieder zu stärken, perfekt. Ich werde meine Atelier-Arbeit weiterhin intensiv ausüben, ohne das geht es nicht, ich vermisse ja mein Atelier schon nach einem Tag.
Was würdest du Künstler*innen, die am Beginn ihrer Karriere stehen, als Rat für ihre berufliche Zukunft sagen? Du bist eine sehr erfolgreiche Künstlerin, hast eine international agierende Galerie und große Einzelausstellungen in unterschiedlichen Häusern (Skulpturengarten Belvedere 21, Cukrarna in Ljubljana, Schirn-Kunsthalle Frankfurt ...). Magst du uns einen Einblick darüber geben, wie deine Anfänge als Künstlerin in Graz waren und ob/wie du dich hier in die Kunstszene eingebracht hast? Das ist gerade für die jüngere Generation interessant zu wissen.
Im Architekturstudium wurden wir stark im selbstständigen Denken unterstützt und darin, Eigeninitiativen zu ergreifen. In Graz konnte ich nach dem Studium zwei Jahre im Vorstand des Forum Stadtpark aktiv mitwirken, mit dem Umzug nach Wien habe ich mir sofort ein Atelier organisiert. Die ersten Jahre habe ich in Gemeinschaftsateliers gearbeitet, seit einigen Jahren habe ich mein eigenes Atelier, mit einer Werkstatt. Ohne den passenden Raum funktioniert die Arbeit nicht, das haben wir ja schon von Virginia Woolf eindrücklich gelernt. Deswegen empfehle ich immer, sich ein Atelier zu nehmen, um an der Arbeit dranzubleiben; wissend, dass es ein finanzieller Stress ist.
Das Interview erschien in der Publikation zu den steirischen Landes-Kunst- und Kulturpreisen 2023.
Stand: November 2023