Eine besonnene Jazzsängerin mit spielerisch sicherer Feder
Über die Hörskulpturen von Laura Winkler
Der Doppelpunkt macht´s aus. Immerhin war Laura Winkler noch nicht einmal auf der Welt, als The Stranglers ihr Hitalbum „Aural Sculpture" in die Charts lancierten. Nun hat die Musik der 22-jährigen Jazzsängerin nicht zwingend etwas gemein mit den englischen Rock-Haudegen, doch konnte die junge Dame mit dem sonnigen Antlitz Gefallen an einem Titel finden, indem sich ihr Name genauso verbirgt wie jene Skulpturen, von denen sie „auf der großen Spielwiese der Jazzwerkstatt Graz zu träumen begonnen hat". Diese Träume hat die introvertierte Musikerin in Kompositionen umgesetzt, die vor allem durch juvenile Lebendigkeit und eine Herzhaftigkeit überzeugen, die selbst noch in melancholischen Phasen nichts an ihrer spielerischer Schwerelosigkeit verlieren. Sicher intoniert mit einer Stimme, die man leicht wie eine Feder beschreiben könnte, und deren mädchenhafter Charme die Hoffnung nährt, dass hier auch ein charakterhaftes Timbre wächst.
Mit einem pointiert gesetzten Doppelpunkt also gründete Winkler im Jahr 2008 ihr Quintett „aural:L sculptures", mit dem sie im Vorjahr ihre ausgeprägten, durchaus distinguierten Kompositionen für ihre erste CD mit dem Titel „umami" eingespielt hat. Umgeben ist Laura Winkler dabei von geradezu seelenverwandten Musikern aus dem Lager der Jazzwerkstatt Graz, die den ihnen gebotenen Raum für Improvisationen geschickt für die Ausformung einer charakteristischen Beziehung von Thematik und Bandsound nutzen.
Freilich kommt dem Begriff „Aura" in all der Wortspielerei so etwas wie eine Schlüsselstellung zu. Geht es der geborenen Krieglacherin mit dem nordischen Stimmungsbarometer doch auch darum, die Tragfähigkeit ihrer oft poetischen Texte, die sie - für das Genre doch ungewöhnlich - auch in deutscher Sprache singt, an neuen Sounds zu erproben, mithin die lyrische Ader weit zu öffnen. Dabei zeigt sich Winkler, die heuer ihr Studium für Jazzgesang an der Kunstuniversität Graz bei Dena DeRose abgeschlossen hat, vornehmlich dem Songformat zugetan. Was auch durchaus einem gewissen Zeitgeist entspricht.
In muntere Arrangements gekleidet ergibt das frischen, zeitgenössischen Jazz, der zwar von Popmusik beeinflusst sein mag, dem es aber nicht an der nötigen Sophistication gebricht. Vor allem in den spontanen Interaktionen, die an idiomatischer Bodenhaftung und dramaturgisch schlüssigen Bögen ihresgleichen suchen, hält Komplexität die Spannung. Ihrem Drang nach einer persönlichen Aussage, ja einem profunden persönlichen Gesamtausdruck mag noch einiges an Unabgeklärtheit anhaften. Diese kann man einerseits als sympathisch, andererseits aber auch als latente, vielversprechende Perspektive einer undogmatischen Musikerin willkommen heißen. Zumal ihre Stärken auch nicht im feurigen Temperament, sondern in ihrer mitteilsamen Besonnenheit zu liegen scheinen, einer Besonnenheit, der organisch gewachsene musikalische Prozesse immanent sind. Doch Laura Winkler ist kein Kind von Traurigkeit, und so evozieren komplexere Themen oft genug auch allerhand groovige Strecken und spritzigen Ensemblegeist, die dem japanischen Namen ihrer CD reichlich Ehre machen: einfach herzhaft.
Als engagiertes Mitglied der rührigen Jazzwerkstatt Graz und der im kausalen Zusammenhang dazu stehenden Konzertreihe Fat Tuesday ist Laura Winkler nebenbei auch zu einer tragenden Figur der Basisarbeit in der jungen Grazer Jazzszene geworden. Dementsprechend oft ist ihr strahlendes Lächeln überall dort zu sehen, wo sich in der Regel die Gagen noch unter dem Wert idealistisch musikalischer Konfrontationslust und jenem experimentierfreudigen Tatendrang bewegen, den die Jazzpolizei gewähren lässt. Das soll ein Kompliment sein.
Nicht zuletzt gehört die junge Steirerin als Mitglied der einzigartig spontanen Gruppe Musicact einer weiteren Filiale dieses jungen Musikerpools um Leute wie Siegmar Brecher oder Stefan Heckel an. Dieser illustre Haufen aus Impro-Theaterschauspielern und Jazzmusikern scheint der stets evidenten Spielfreude von Laura Winkler besonders gelegen zu kommen.
Otmar Klammer, Oktober 2010