Neue Bilder aus der Twilight Zone
Kitty Ackermann entwirft traumwandlerische Bilderwelten, in denen sich die Betrachter spiegeln können.
Nicht Mitternacht ist die Zeit der Geister, sondern die zwölfte Stunde des Tages, nach neuerer Zeitrechnung: 18 Uhr. Es ist die Zeit der blauen Stunde, wenn die Nacht langsam in den Tag einsickert, das Licht immer schwächer wird und die Dinge nur noch schemenhaft daraus hervortreten. Dieses Zwielicht ist das eigentliche Hauptmotiv in den jüngeren Arbeiten der Malerin und Bildhauerin Kitty Ackermann. Ihre Bilder zeigen menschenleere Szenerien, etwa Landschaften - seltener auch Interieurs -, die oft im Dämmerlicht liegen und Platz lassen für den Auftritt von Gestalten, die sich in der Vorstellungskraft des Betrachters tummeln. Etwa: Was wird sich demnächst im nächtlichen Regen auf diesem Vorplatz ereignen, der im Hintergrund von Bäumen begrenzt und im Vordergrund nur unzulänglich von einer Straßenlaterne erhellt wird? - Die Geschichten, die Ackermanns atmosphärische Bilder erzählen, sind vor allem die Geschichten ihrer Betrachter. Ackermanns Mental Landscapes fungieren gewissermaßen als Bühnenbilder für die bzw. Spiegelbilder der Imagination.
Die Basis von Kitty Ackermanns Mixed-Media-Arbeiten die von kleinen Druckgrafiken bis hin zu großformatigen Acrylbildern reichen, sind oft Fotografien, Eindrücke und Notizen, die sie auf Reisen macht oder bei ihren Streifzügen durch die Wälder und Wiesen im abgeschieden wirkenden Tal der Gleinz bei Deutschlandsberg, das die Münchnerin seit den Tagen ihrer Kindheit kennt. 1960 erwarben ihre Eltern das weststeirische Gut Prinzental und nutzten es als Ferienresidenz und Zweitwohnsitz. „Auch Anregungen aus Literatur und Filmen fließen in meine Bilder ein sowie eigene Erfahrungen, für die eine Entsprechung gefunden werden muss", erzählt die Wahl-Steirerin, die 1998 ihren Lebensmittelpunkt von München in die Weststeiermark verlegt hat. „Es steht ein langwieriger Arbeitsprozess dahinter, die Bilder schichtweise so ineinander zu montieren, dass sich am Ende ein traumwandlerischer Moment darin offenbart."
Kitty Ackermanns Bilder erinnern einerseits an die Fantasielandschaften der Romantik, also an Szenerien, in denen das aufkeimende Bürgertum seine Flucht aus der ebenfalls aufkeimenden Industrialisierung antrat, und in denen Geistergeschichten, wie etwa die Erzählungen und Romane eines ETA Hoffmann, einen ersten Siegeszug feierten. „Das Böse kommt auf leisen Sohlen" lautet ein Buchtitel von Ray Bradbury, den die Künstlerin auch passend für die Beschreibung ihrer Bilder hält. Eine zweite Assoziation, die sich bei der Betrachtung von Ackermanns mittel- und großformatigen Acrylbildern ergibt, sind die verschwommenen Fotorealismen eines Gerhard Richter, in denen unter anderem das Verhältnis von Malerei und Realität auf dem Prüfstand steht.
Kitty Ackermann wusste schon früh, dass sie eine künstlerische Laufbahn einschlagen wollte. Nach dem Gymnasium absolvierte sie von 1965-68 die Fachschule für Holzbildhauerei in Oberammergau und studierte im Anschluss Malerei und Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Bald nach dem Studienabschluss 1976 verbrachte sie mit einem DAAD-Stipendium ein Jahr hinter dem Eisernen Vorhang in Warschau, wo sie mit der Realität des Kommunismus konfrontiert wurde. Übrigens hat auch eine ihrer vier Schwestern eine künstlerische Richtung eingeschlagen: Heide Ackermann wirkt als bayerische Volksschauspielerin in zahlreichen Filmen und Fernsehserien mit („Weißblaue Gschichten", „Bulle von Tölz" etc.).
Bereits 1975 waren Arbeiten von Kitty Ackermann im Rahmen einer Personale im „steirischen herbst" in Deutschlandsberg zu sehen. Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen in München, Köln, Frankfurt und vielen anderen deutschen Städten folgten. Seit einigen Jahren sind Ackermanns Werke in den Sommermonaten im Galerientrakt im sogenannten „Fürstenhäusl" ausgestellt. Das traumhaft gelegene ehemalige Jagdhaus von Gut Prinzental wird von ihrer Schwester und ihrem Schwager bewohnt. Jeweils ab Mitte Juni öffnen sie den separaten Galerieraum für Besucher, um die jeweils aktuellen Arbeiten von Kitty Ackermann zu zeigen. Neben den beschriebenen somnambulen Bildern sind hier - quasi als Kontrastpunkt - auch einige ältere, mehrteilige Wandobjekte zu sehen: streng geometrische, bemalte Holzkästen; in manche von ihnen sind Glasstücke oder Spiegel eingelegt. „Ich mag es, wenn sich die Besucher in meinen Arbeiten spiegeln", sagt die Künstlerin. „Auch bei den Bildern ist es durchaus bewusst gesetzt, ob ein Bild mit Glas gerahmt ist und spiegelt oder nicht."
Werner Schandor
August 2011