Im Schloss des Orientalisten
Über das Grenzgängerische im Werk von Gerhard Flekatsch
Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall muss eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein: Als Orientalist und Diplomat bereiste der 1774 geborene, 1856 verstorbene Grazer den arabischen Raum, übersetzte Standardwerke vom Türkischen ins Deutsche, fungierte als erster Präsident der bis heute existierenden Akademie der Wissenschaften und stellte während des Metternich-Regimes seinen Mut dadurch unter Beweis, dass er eine „Denkschrift über die gegenwärtigen Zustände der Zensur in Österreich" unterzeichnete. Lange Zeit seines Lebens verbrachte der Kosmopolit in der Steiermark: Adoptiert von der Adeligen Jane Anne von Purgstall, wurde er später als Erbe des Schlosses Hainfeld im Raabtal eingesetzt - wo seine Spuren bis heute sichtbar sind, etwa beim Hauptportal, das von einer arabischen Inschrift gekrönt wird.
Wer den Künstler Gerhard Flekatsch besucht, der erfährt so einiges über Hammer-Purgstall und das Schloss Hainfeld. Nachdem das größte Wasserschloss der Steiermark, ein Baujuwel aus unterschiedlichen Epochen, lange Zeit für die Öffentlichkeit verschlossen blieb, wird es nach seiner Übernahme durch die Juristin Annabella Dietz seit einigen Jahren temporär für Kulturveranstaltungen geöffnet. So entdeckte auch der gebürtige Steirer Flekatsch, Jahrgang 1958, das Haus - als Teilnehmer der Regionale 2008, bei der hier ein Projekt umgesetzt wurde. Gemeinsam mit einigen Kollegen betreibt Flekatsch, wie er erzählt, dort unter dem Titel „naher osten - naher westen" ein Artist-in-Residence-Programm - für das er, an Hammer-Purgstalls Interesse für das Fremde, das Andere anknüpfend, Künstler und Künstlerinnen aus anderen Kontinenten einlädt, etwa aus China oder Japan. „Eines meiner Grundanliegen dabei ist das Bauen von Brücken zwischen unterschiedlichen Vorstellungen," erklärt er, „es gibt so viele unterschiedliche Wirklichkeiten, jeder besitzt seine eigene." Auch Hammer-Purgstall wurde mit dieser Tatsache konfrontiert. Flekatsch steht seiner Persönlichkeit und seinem Werk trotz aller Bewunderung frei von Illusionen gegenüber: „Er brachte ein recht verromantisiertes Bild vom Orient nach Österreich", kritisiert er . Unterschiedliche, vielleicht verfälschende, Vorstellungen lassen sich freilich auch reflektieren - wie sich etwa in der Begegnung der Gastkünstler mit den Familien, bei denen sie leben, zeigt. „Da können schon beim Frühstückstisch die ersten Diskussionen entstehen, etwa wenn ein Moslem keine Wurst isst", beobachtete Flekatsch.
In seiner eigenen Kunst beschäftigt er sich ebenso mit unterschiedlichen Kulturen und deren Interferenzen. In seiner Wiener Wohnung, die er abwechselnd mit seinem Badener Atelier zum Arbeiten nutzt, zeigt er einige Bilder: Auf dunklem Hintergrund verteilen sich Schriftzeichen, die nicht so recht zuordenbar erscheinen. Sie muten hebräisch, thailändisch oder arabisch an, entsprechen aber nicht tatsächlich existierenden Lettern. Dazwischen finden sich immer wieder einander ähnelnde grafische Zeichen. Diese, so erläutert Flekatsch, übersetzen Bewegungen vom Räumlichen ins Zeichnerische. „Hier habe ich etwa Salutierbewegungen von Soldaten übertragen. In allen Heeren gibt es dafür eine bestimmte Grundbewegung", erklärt er - und demonstriert diese zwiespältige Geste - einerseits kulturübergreifend, andererseits nationalistisch - gleich.
Das Grenzgängerische scheint sich als roter Faden durch das Werk von Flekatsch zu ziehen; nicht nur in Hinblick auf Kulturen oder Nationen. Eine seit Jahrzehnten entstehende Fotoserie zeigt scheinbar unterschiedliche Menschen - tatsächlich ist der Mann mit dem Bart, die Frau mit den glamourösen Ohrgehängen, der bebrillte Bub und die Perlenketterlträgerin immer ein und dieselbe Person: Flekatsch selbst.
Nina Schedlmayer, Dezember 2011