Virtuosität, Suche und Experiment (*)
Über die luziden Bilder von Josef Wurm
Direkt zum *Update 2023
Tafelmalerei gab es von Josef Wurm bis zur Ausstellung in der Akademie Graz im Jänner/Februar 2012 nur vereinzelt während Ausstellungsbeteiligungen zu sehen. In den vergangenen Jahren war der 1984 in Fürstenfeld geborene Künstler überwiegend mit großflächiger Fassadenmalerei bei österreichischen bzw. Berliner Festivals vertreten.
Mit der Ausstellung in der Akademie Graz bestreitet er seine erste Solo-Schau überwiegend mit Acrylmalerei aus dem Jahr 2011. Und er zeigt sich in der Tat verwundert über die Wirkung seiner Bilder im Galerieraum; eine Erfahrung, die er im Atelier aufgrund räumlicher Einschränkung so noch nicht machen konnte. Für sein berufliches Verständnis - ein Einstieg in den Ausstellungsbetrieb - erscheint ihm diese Gelegenheit als ungemein wichtig, wofür auch die durchwegs zustimmende Haltung seitens des Publikums spricht. „Ich fühle mich jetzt wohler, eine erste merkliche Bestätigung für meine Arbeit."
Was angesichts dieser Tafelbilder des Autodidakten beinahe unglaubhaft klingt, erklärte der Künstler zur Ausstellungseröffnung etwa folgendermaßen: Seinen Bildern stehen keine Konzepte voran, es gibt keine Skizzen, keine Vorzeichnung auf der Leinwand. Alles beginnt damit, Farbe auf die Fläche zu bringen und intuitiv Strukturen anzulegen bzw. im Malen solche zu erkennen. Zwar ist das nicht in jedem Bild der Fall, aber oft werden in mehreren Arbeitsgängen Flächen und Details wieder übermalt und neuerlich ausgeführt. In den figurativen Kompositionen zeigt sich schließlich aber auch, dass hier keine Feinmalerei betrieben wird. Einer sichtlich beinahe unheimlichen Virtuosität, seinem stupenden technischen Können zufolge sitzt jeder schnelle Farbauftrag, bis schließlich einzelne Körper, Figuren und figurative Konstellationen in Übergängen von Realismus zur Abstraktion entstehen.
Seit knapp drei Jahren teilt Josef Wurm ein Atelier mit dem ebenfalls in Graz lebenden ILA. Dort im Gespräch wird entlang der Erzählung seines Werdegangs bald klar: Der Mann lässt sich vor keinen anderen als den eigenen Karren spannen. Von Kindheit an am Zeichnen, attestierte man ihm mehrfach die, immerhin, Auffälligkeit seiner Zeichnungen, seines früh versierten Strichs, um hier nicht schwelgend von Talent zu reden. Daran galt es weiter zu arbeiten, und mit 14 Jahren ging Josef Wurm mit dem Vorhaben nach Graz, die Ortweinschule zu absolvieren. In den künstlerischen Fächern durchaus zufrieden, wollte er für die übrigen Fächer einer höheren technischen Schule, sagen wir, nicht die geforderte Kooperationsbereitschaft aufbringen. Daher der Abbruch nach drei Jahren. Es folgte die dann abgeschlossene Grafikerlehre in Gleisdorf. Zurück in Graz gründete Wurm mit Kollegen eine Agentur für Grafikdesign und Street Art. Die besteht immer noch - allerdings ohne Josef Wurm. Er bezog gemeinsam mit ILA besagtes Atelier und ist seit 2010 als bildender Künstler freischaffend.
Eigentlich schon in der Zeit der Ortweinschule war es mit Sprayen und Graffities vorbei. Wurm konnte den Farbstaub der Sprühdosen „nicht mehr riechen". Bis dahin bestand aber auch eine Abneigung, mit dem Pinsel zu malen. Er musste sich anfangs überwinden, schließlich sei er „ins Malen gekippt". Da war also kein Üben, eher der Drang zu malen, nachdem Sprayen nicht mehr möglich war. Mit der Beschäftigung, so simpel das klingt, schritt auch die technische Fertigkeit voran, was zum gegenwärtigen Stand führte. Von Perfektion fühlt er sich „glücklicherweise" weit entfernt. Nach wie vor ist jedes Bild mit Anstrengung verbunden, mit Versuchen, Spaß, Freude und Erfahrung. Trainiert dagegen wird das Gitarrespiel, hier gilt es zu üben und es besteht die Überlegung, bald einmal mit einer Band zu spielen.
Bis vor etwa drei Jahren, erzählt Wurm, habe er seine Bilder noch über Skizzen und Vorzeichnungen auf der Leinwand angelegt. Diese Methode gab er inzwischen auf und nun könnte man das Verfahren im schrittweisen Prozess als malerisches Suchen auf der Leinwand beschreiben. Es ist ein vielschichtiges im Wortsinn; unter den finalen liegen etliche Schichten und Bilder, die zum Teil noch in Digitalfotos festgehalten bleiben. Diese sind eigentlich nicht mehr zu sehen. Sein Eindruck allerdings ist, die übermalten Details „schwingen gewissermaßen noch durch". So wird seine Malerei durch die Überlagerung mehrerer deckender Farbschichten „fast zur Skulptur". Etliche Anklänge an Francis Bacon sind insofern nachvollziehbar, als „die Dinge, von denen man fasziniert ist, bewusst und unterbewusst" in Komposition und Technik während des Malens wieder zu Tag treten. Es sind gar nicht vorrangig die Bilder, erzählt er, vielmehr publizierte Gespräche mit Francis Bacon, die ihn beschäftigen. Dabei etwa die Auseinandersetzung Bacons mit der Malweise Diego Velázquez' in den Porträts von Innozenz X. Im Bewusstsein solcher Diskurse kann zeitgenössische Malerei in Referenz zu historischer neuen Aspekten der Interpretation zuarbeiten. Dessen und seinem Interesse an Malerei der Renaissance und des Barock gewahr, betont Josef Wurm aber wieder, dass seine Bilder immer aus „Suche und Experiment" entwickelt werden und auf kein zuvor gefundenes Motiv zurückzuführen sind. Dementsprechend tragen sie auch keine Titel, sind stets mit „o.T." bezeichnet.
Da ist allerdings noch etwas, das wohl auf schwer erklärbare Weise irgendeinen Einfluss auf die Bilder haben könnte. Josef Wurm träumt luzide, das heißt, er merkt, was im Schlaf in ihm vorgeht und kann seine Träume sogar bewusst steuern. Vielleicht ähnelt sein Malen in gewisser Weise der Selbsterfahrung im psychoanalytischen Gespräch, wenn sein Unterbewusstes auf der Leinwand Form findet. Aber das zu eruieren dürfte kaum möglich sein. Zu finden, was es im Bild schließlich ist, „müsste jeder Betrachter für sich selbst leisten. Zu welchem Ergebnis er oder sie auch immer kommen mag."
Wenzel Mraček
Februar 2012
*Update 2023: Scheulos suchend
Die Arbeiten von Josef Wurm werden unter anderem von der Grazer Galerie Bachlechner vertreten. Auf der Website der Galerie haben zwei prominente Stimmen aus der Literatur ein Zeugnis der Wertschätzung für den Künstler abgegeben. Roman-Autorin Valerie Fritsch schreibt über die Arbeiten des Künstlers: „Josef Wurm dreht an jenen Gelenken und Gewinden der Welt, die die romantischen Schlüsselstellen der Düsternis und des Alltages zusammenhalten." Und der Dramatiker und Musiker Joachim Vötter ergänzt: „Scheulos suchend, so tänzelt er auf diesen auch unverdrossen über die vor sich hindösenden, gähnenden Gräben zwischen Stilen, Materialien, Techniken , in seiner Malerei, dass es erfrischender nicht sein könnte für mich."
Knapp zehn Jahre lang hatte der Oststeirer mit seiner Frau Zsuzsanna Szula und Kind in Budapest gelebt. „Die zunehmende Orbanisierung und Aushebelung des Rechtsstaates durch die aktuelle Regierung ließ die vormals lebendige und bunte Kunstszene in der ungarischen Metropole zusammenschmelzen", schreibt Lydia Bißmann im Herbst 2022 im steirischen Kulturkalender KUMA. Wurm wird in diesem Artikel mit den Worten zitiert: „Es gibt dort inzwischen nur noch Superunderground oder Konformität - als Österreicher ist dort kein Platz mehr für mich gewesen."
Josef Wurm hatte in den letzten Jahren zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, so z. B. im Österreichischen Kulturforum Budapest 2018 und im Kulturforum New York 2020. Ebenfalls 2022 waren bei einer Ausstellung der Kulturvermittlung Steiermark gemeinsame Arbeiten von Josef Wurm und Zsuzsanna Szula in der Galerie Centrum in Graz zu sehen.
2022 erhielt Josef Wurm den Kunstförderpreis der Stadt Graz. Anlässlich der Preisverleihung entstand ein Video-Porträt mit dem ansonsten eher Medienscheuen Künstler.
Zum Videoporträt über Josef Wurm
ARTfaces-Redaktion
Dezember 2023






