Kulinarische Körpergefühlsbilder
Über die „TuscheVerZeichnungen“ und andere Werke von Roman Klug.
Ob Tusche, Papier, Grammelschmalz, Plattenkisten oder getrocknete Karotten - vor ihm ist kein Material sicher. Der 1970 in Wien geborene Künstler Roman Klug bedient sich in seinen Arbeiten unterschiedlichster Medien und Ausdrucksweisen. So begann er bereits im zarten Alter von 22 Jahren als Illustrator von Comics und Cartoons für den „Gleinstättner", eine unabhängige Gemeindezeitung in Gleinstätten, zu arbeiten. Schon bald darauf folgten einige Projekte, die ihn von seiner musikalischen Seite zeigten: Gemeinsam mit der Industrialband „Big Orange" bestritt Roman Klug einige Auftritte, und in seiner künstlerischen Gestaltung des Musikvermittlungsprojektes „Plattenkiste mit Bedienungsleitung" schließlich fanden Musik und bildende Kunst in Roman Klugs Arbeit den kleinsten gemeinsamen Nenner. Es folgten zahlreiche kreative Arbeiten, ein Roadmovie, das in der Galerie Carneri ausgestellt wurde, danach Comic und Ausstellung selbigen Werkes mit dem vielversprechenden Namen „hundsdreck", eine Do-it-yourself-Papierinstallation in der Grazer Literaturzeitschrift „Lichtungen", die Gründung der Band „Boutique Meteor", die Teilnahme an der Gruppenausstellung „Widerstand - art and politics from Austria" in der Galerie Rhizom in Aarhus (Dänemark) und so weiter.
Roman Klug scheint also trotz seines äußerst individuellen künstlerischen Ansatzes ein hohes Maß an Teamfähigkeit zu besitzen. Dies zeigt nicht nur die Tatsache, dass er in zwei Bands gespielt, mit Werner Schandor gemeinsam ein Comic im Kürbis-Verlag publiziert und auch mit der Künstlerin Sigrid Hoffmann im Team eine „implant-data" für die Ausstellung „30 Jahre PÄDAK Eggenberg" gestaltet hat. Von 2001 bis 2012 war Roman Klug außerdem Teil des Männerkoch- und Künstlerkollektives „Cooks of Grind".
Wer noch nie an einem interaktiven Grammelschmalzbrotschießen der „Cooks" teilgenommen hat, der sollte dies möglichst schnell nachholen. Die zu gewinnenden Preise - ein Carpaccio Karol Wojtyla, ein Gazpacho oder auch falsche Garnellen, für die, die nur in den äußeren Ring treffen - sind durchaus erstrebenswert. Was Roman Klug an der Arbeit mit den „Cooks" besonders fasziniert hat, war die Tatsache, dass es keinen „Mehrwert" gab, sondern das Produkt der künstlerischen Arbeit immer sofort aufgegessen wurde.
Doch auch die neuesten Werke Roman Klugs haben eine Art kulinarische Note. So verwendet er beispielsweise in seinem Bild „Lena Hoschecks‘ Lips" getrocknete Karotten als Material, um einen Mund darzustellen. Expressionistisch-skizzenhaft und dennoch reflektiert und ausgearbeitet zugleich sind die TuscheVerZeichnungen, die Klug im Juli 2012 bei der Ausstellung „prospective/ unreserved" in der Galerie G 69 präsentiert. Die Bilder beziehen sich nicht nur auf der materiellen, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene auf das Rein-raus-Prinzip: Essen, Sex, Verdauung, Ausscheidung. So trägt eine der Arbeiten den hübschen Titel „Fish Meal", eine andere nennt sich „Haserl is(s)t Leder". In der Zeichnung „Tongue-Honey" wird das Verzehren von Fleisch auf die Ebene der Sexualität übersetzt, wir sehen ein Liebespaar, das sich mit seinen Zungen leidenschaftlich ineinander verknäult. Die Kompositionen der Zeichnungen sind narrativ, kompakt, kondensiert. Ähnlich dem Prinzip, dessen sich die Körperprosa bedient, schafft Roman Klug in den Zeichnungen intensive „Körpergefühlsbilder". Die Referenz zu Maria Lassnig ist hier offensichtlich, die Bilder sind subjektiv, stülpen eine Innenansicht in eine Außenansicht um, und das auf eine mutige Art und Weise, die sich nicht davor scheut, Abgründe und sexuelle Tabus zu thematisieren. Auch Roman Klugs Kokettieren mit Comic- und Cartoonformen fällt auf. Seine Comics selbst sieht der Künstler allerdings als ein „noch nicht vollständig entwickeltes Frühwerk", das ihm wohl in erster Linie die Möglichkeit gab, seine Ausdrucksweisen als Zeichner auszuloten. Doch die Arbeit mit Sprachmaterial hat Roman Klug auch in seine TuscheVerZeichnungen übersetzt: Hin und wieder wachsen Textzitate aus den filigranen, expressionistischen Gebilden heraus, vermischen sich die Linien der Schrift mit der Fläche, den dargestellten Hybridgegenständen. Für die Tuschezeichnungen dienen unter anderem Fotos als Basis.
Die Arbeit mit Zitaten hat Roman Klug bereits in seinem Zyklus „Horrorfiction" thematisiert, in dem er sogenannte „trash covers" von Schundromanen neu interpretiert hat. Die Anlehnung an kunstgeschichtliche Motive, das Spiel mit Collage, Zitaten, eine rhizomatische Art und Weise, Kunstwerke zu denken und umzusetzen, ist Roman Klug also durchaus nicht fremd. Was die Thematik betrifft, so sind die Bilder provokant: Sie beschäftigen sich mit den Bereichen Sexualität, Gewalt, Völlerei, Ekel - aber auch mit Humor. Sehr menschlich, sehr ehrlich.
Zudem arbeitet er gemeinsam mit der Autorin Kate Howlett-Jones an einem Kinderbuch. Auch räumliche Arbeiten sind im Entstehen, so beispielsweise ein mit Wäschetrocknerfusseln beklebtes Bacardi-Reklameschild. Dass das Entwerfen dreidimensionaler Objekte Roman Klug noch schwer fällt, gesteht er im Gespräch. Die Referenzpunkte seiner bisherigen Arbeit seien nämlich vor allem Künstler des Konstruktivismus gewesen, und dass diese eher flächen- als raumorientiert gearbeitet haben, ist bekannt.
Wie er zeichnet, beschreibt Roman Klug folgendermaßen: Zuerst beginnt er, das weiße Blatt nach und nach mit Linien zu füllen. Diese verweben sich, zunächst nur in seinem Kopf, zu bestimmten Netzen, Strukturen, Bildern, setzen Assoziationen frei, mit denen der Künstler weiter spielt - und zeichnet. Nach und nach wachsen aus dem abstrakten Gebilde also Augen, Ohren heraus, vielleicht auch eine Hand. Seine Bilder würden sich demnach aus Assoziationsketten zusammensetzen, die aus psychischen Ausnahmezuständen kämen, so Roman Klug. Jedoch bleibt die Übersetzung der Linien dem Rezipienten überlassen. Denn wie wir wissen, ist jedes gelungene Kunstwerk klüger als der Künstler selbst.
Sophie Reyer, Juni 2012