Eine klassische Schriftstellerkarriere
Krimiautor Alfred Paul Schmidt ist der große Außenseiter der österreichischen Gegenwartsliteratur

Alfred Paul Schmidt, alias Goofi, hat den langen Atem, auch wenn ein Kriminalroman von ihm „Der wüste Atem" heißt. Heute ist in dem soignierten Pensionisten, der auf der Hundewiese neben dem ORF Landesstudio Steiermark Frolic an seine vierbeinigen Freunde austeilt, der Avantgardist und selbstmörderische Kreativalkoholiker der Siebzigerjahre nicht mehr leicht auszumachen. Von „Bester jagt Spengler", seinem radikal-progressiven ersten Buch 1970, ist es ein langer Weg, und 20 Bücher später bis zu seinem „Das Buch der Schläfer". Das demnächst bei Keiper erscheinende Buch nimmt sich in Schmidts mittlerweile ironisch-eleganten Schreibweise der absurden, österreichischen Bestechungs- und Spendenskandale an.
Schmidts Schriftstellerkarriere ist einfach klassisch. Er maturierte 1967 an der Arbeitermittelschule, studierte am Grazer Konservatorium Kontrabass (abgebrochen), es folgten ein Studium der Soziologie und Pädagogik (abgebrochen) und zahlreiche Gastspiele als Nachtportier und Gelegenheitsarbeiter (ebenfalls abgebrochen). Niemals zur Diskussion stand das Schreiben. Die Titel dieser Bücher bilden aneinander gereiht schon ein „work in progress": „Als die Sprache noch stumm war", „Das Kommen des Johnny Ray" , „Fünf Finger im Wind", „Mit beiden Füßen in der Luft", „Doppelte Totgeburt", „Das andere Gestern", „Als die Sprache noch stumm war". Und dazu kommen noch scheinbar banale Titel wie Titel „Hinter der Haut lauert der Tod", Geschäfte mit Charlie", „Die Spur der Sonne", außerdem Theaterstücke, Kinderbücher, Texte - alles womit ein fanatischer Hackwriter versuchen kann Geld zu machen.
Schmidt ist einer der widersprüchlichsten unter den Autoren der sogenannten Grazer Gruppe. Erst hat der bekennende Fan von Thomas Mann ungeachtet dieser absonderlichen Vorliebe die Repräsentanten der Grazer Boheme in den Rhythmen des Free Jazz geschildert. Später sind aus diesen Stories präzise Milieustudien eines Kleinbürgertums geworden, die an ihren realistisch-elaborierten Rändern immer noch ins Absurde ausfransten. Wenn man Kalifornien für die glykolweinverseuchte Steiermark setzt, liegt der Vergleich mit John Steinbecks „Tortilla Flat" - Schelmenromanen nahe. Und wie der amerikanische Vielschreiber für Hollywood gearbeitet hat, landete Alfred Paul Schmidt beim österreichischen Patschenhollywood. Seine seit 1986 für den ORF geschriebenen, insgesamt 40 Folgen für „Eurocops" „Peter Strohm" und vor allem „Stockinger" haben ihn für viele berühmt, für manche berüchtigt gemacht. Trotz seiner geheimen Popularität ist P.A. Schmidt nichts weniger als verbindlich. Obwohl ein manischer Stilist tauschte er absurde Kalauer konsequent gegen den schönsten Wohlklang. In seiner vorerst letzten Phase schreibt er seine Kriminalromane, die derzeit bei dem Grazer Verlag Keiper erscheinen, allerdings in einer makellosen Prosa, die ihn mehr Zeit, als das Schreiben früher kostet. Nicht wegzudenken aus der österreichischen Gegenwartsliteratur zählte er gleichzeitig zu ihren Außenseitern, nicht davor gefeit von einer eitlen Nomenklatura gelegentlich schmählich behandelt zu werden. Er panzert sich mit ironischer Gleichgültigkeit gegenüber Kultur und Intellektualität, macht aber beim Stillen seines ingrimmigen Bildungshungers nicht einmal vor Uraniavorträgen Halt. Ausgestattet mit reizbarer Sensibilität, gibt er sich gleichzeitig als emotionaler Tiefstapler. Und als Autor, der die irrsten Phantasien auf der Grundlage banalster Wirklichkeiten entwirft, hat er sein experimentelles Interesse für Alkoholika nur mit unzähligen Familienpackungen des großen Magenschoners Digestiv Renee überlebt. Dass Paul Alfred Schmidt, alias „Goofi" noch lebt, ist vermutlich sein genialstes Kunststück und für seine Leser dass größte Glück.
Wilhelm Hengstler
Stand: Juli 2012