Diva, Zicke, Zwangsjacke
„Diese Band kann unfassbar gut sein und unfassbar schlecht.“
Wer dermaßen extrem hart ins Gericht geht mit der steirischen Alternative-Band facelift, das ist selbstverständlich weder eine Stimme aus der Kritikerecke, noch eine aus dem Publikum - es ist vielmehr der O-Ton des Gitarristen, Sängers und facelift-Gründungsmitgliedes Clemens Berger, der diese Behauptung genauso trocken wie überzeugt vorbringt. „Wir sollten uns eigentlich 'Die Zicken' nennen - wir alle haben uns immer ganz schlecht verstellen können, und wenn einer nicht gut drauf ist, zieht er die anderen mit runter". Drei von zehn Konzerten findet er selbst „katastrophal".
Nun ja, im Grunde kann uns das völlig egal sein, solange wir diese Meinung nicht teilen: Denn wer ein Konzert der 1997 gegründeten Band, mittlerweile bestehend aus Andrea Orso (Gesang, Bass), Matthias Predota (Gitarre, Horn, Akkordeon), Jürgen Kulmer (Schlagzeug) und Clemens Berger, besucht oder auch eine der insgesamt fünf veröffentlichten CDs anspielt, bekommt auf einem kunstvoll gewebten Gitarrenteppich Gesang von zart bist hart mit klar strukturierendem Schlagwerk serviert - einen Sound, der krachend auf dich niederstürzt, dich in eine angenehme Zwangsjacke steckt, dir ganz schlicht in die Beine fährt und/oder auch spöttisch vor dir herumhüpft.
„Ansteckend" ist er immer, und wenn Frontfrau Andrea einmal weniger G'schicht'ln auf der Bühne erzählt, ist's auch nicht weiter schlimm. „Andrea ist eine launische Diva", erzählt Clemens, der einst gemeinsam mit ihr und Peter Domainko die ersten Banderfahrungen sammelte. „Sie kann einen Saal rocken oder den Abend total versenken." Auf einem Festival in Köln haben ihr 10.000 Menschen ein Geburtstagsständchen gesungen, weil sie beim Auftritt gut gelaunt ihren Jubeltag verkündete ... So viel die Oststeirerin Andrea Orso an Esprit oder auch Unberechenbarkeit auf die Bühne mitbringt, so viel fließt im Vorfeld eines Albums in die Komposition und auch Texte ein; ihr satter Bass und die frische Stimme der mittlerweile zweifachen Mutter sind markant und wichtig für die Band. Matthias Predota sei als „Multiinstrumentalist" enorm wichtig für die Band, betont Clemens. Er bringt eine Vielseitigkeit mit, die es erlaubt, vieles auszuprobieren. Matthias ist vor sechs Jahren mit dem Schlagzeuger Jürgen Kulmer, beide ebenfalls Oststeirer, zu facelift gestoßen. Jürgen bereichert die Band mit einer „unkonventionellen Kreativität", seinem ruhigen, ausgleichenden Wesen und einem feinen Witz. Und der Grazer Clemens Berger - Gitarrist, Sänger, Komponist und Texter? „Ich bin der Organisator - es braucht jemanden, der einen Rahmen schafft, alles zusammenhält und die Sache am Laufen hält".
Und „die Sache" läuft sehr gut: Nach dem Debütalbum „She" (1997) folgten hunderte Live-Konzerte; Clubtouren durch ganz Europa und in die USA, Festival-Auftritte (Bizarre, Donauinsel, Nova Rock, Forestglade ...). 2000 wählte eine deutsche Fachjury facelift zur besten Alternative-Newcomerband des Jahres, 2004 wurde das Album „Pictures" für den Amadeus Austrian Music Award nominiert und 2007 wurde die Band mit dem Austrian Music Award gekrönt. Mit dem aktuellen fünften Album „Whom do you see?" (Frühling 2012) reiht sich ein Auftritt an den anderen, und im Frühling 2013 geht es damit auch auf US-Tour. Nun werden ganz neue Pläne geschmiedet: Ein Remix der Single „Sick of your cage" von Binder & Krieglstein ist geplant - eine Richtung, die in die Zukunft weisen könnte. facelift soll es als Gitarrenband weiter geben, aber man will auch wieder etwas ganz Neues ausprobieren und sich, so Clemens Berger, „als neue Formation unter einem neuen Namen" im elektronischen Bereich umsehen. „Was wir für uns suchen, ist ein Innovationsschub - auch wieder mal an den Start zurück und schauen, was geht." Und weiter: „facelift passt so, wie es ist, aber wir nehmen uns auch wieder die Freiheit, etwas Neues auszuprobieren".
Wie auch immer die musikalische Reise weitergeht: Routine wird die „Zickenband" facelift so schnell nicht einholen. Clemens Berger: „Im Grunde wollen wir immer, dass es um was geht - lieblichen Schlendrian lehnen wir ab." Vor allem: „Es muss UNS gefallen, das war immer das Wichtigste."
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Claudia Rief-Taucher
Stand: August 2012