Texte am Rande des Nervenzusammenbruchs
Warum man lesen sollte, was die Ärztin Constanze Dennig (ver)schreibt
„Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige." Voltaire hat das einmal gesagt, und Constanze Dennig hält sich daran. Insofern verwundert es nicht, dass die Schriftstellerin, geboren 1954 in Linz, auf die Frage nach einer möglichen literarischen Prägung Loriot („der Größte!") nennt. Angst zu unterhalten hat die attraktive Rothaarige definitiv nicht. Wie ihr ohnedies jeglicher - in Künstlerkreisen nicht ganz seltene - Dünkel erholsam fremd zu sein scheint. Allerdings dürfte ihr abgesehen davon vermutlich wenig fremd sein, schon gar nicht Menschliches. Schließlich ist die Autorin von Romanen („Die rote Engelin, Eros, Omam und ich", „Klonküsse"), Satiren („homo touristicus"), 17 Theaterstücken (darunter "Himmel über Bagdad" oder „Valse triste") und 6 Drehbüchern in ihrem erlernten Beruf Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie mit großer Praxis in Graz, das neben Wien ihr zweiter Wohnsitz ist. Da wie dort hält sie nichts von langer Weile, was sich nicht nur darin zeigt, dass sie ihr Studium einst in Rekordzeit abschloss, sondern auch in der Tatsache, dass das Schreiben bei ihr „in erster Linie schnell gehen soll." Zurecht empfindet sie das Ändern, Bearbeiten oder Kürzen ihrer Texte als Qual, die sie, wenn es denn überhaupt einmal sein muss, ohne Unmut dem Lektorat überlässt. Wunderbar erfrischend ist dabei ihr grundsätzlicher Zugang zur literarischen Tätigkeit; anstelle des oft (unnötig) romantisch-verklärten Wartens auf Inspiration setzt Dennig ganz bewusst auf etwas so Sachlich-Pragmatisches wie Disziplin. Heraus kommen dennoch hochgradig inspirierte und inspirierende Texte, deren Themen meist in gesellschaftlichen Grenzbereichen angesiedelt sind. Auch ihr Beruf als Ärztin spielt beizeiten mit hinein. Und dennoch, gerade das Schreiben nimmt im Leben von Constanze Dennig sehr viel Raum ein.
Das Schreiben und das Theater. Besonders das „Theater am Lend", seit mittlerweile fünf Jahren ihre mit viel Einsatz betriebene Aufgabe - und mit rund 180 Spieltagen pro Jahr auch keine kleine. Talent für alles Literarische war von Anfang an da. Bereits zu Mittelschulzeiten gab es die erste Publikation. Auch künstlerisches Interesse war seit jeher vorhanden. „Schauspiel, Film, Tanz, Kunst" - das waren schon in der Jugend Constanze Dennigs berufliche Optionen. Inzwischen hat sie längst auch ihre eigene „Künstlerfamilie" gegründet. Ihr Sohn ist Filmemacher, und die Tochter studiert Architektur.
Die öffentliche Seite ihres Berufes als Autorin stört sie keineswegs. Lesungen macht sie gern. Demnächst sogar in China. Dort gibt es zwar keinen Kaiser mehr, „des Kaisers neue Kleidern lasaen sich Dennig zufolge jedoch auch ganz gut als Phänomen innerhalb der heimischen Kulturlandschaft ausmachen. Denn sie ist keine, die sich jede beliebige Textfläche oder jedes abstrakte Bild als Kunstwerk verkaufen lässt. Oder, um es mit einem Satz aus ihrer köstlichen Satire "homo touristicus" zu sagen: "(...) wenn man jemandem eine leere Leinwand als Kunstwerk verkaufen kann, muss man schon einen schönen Trottel vor sich haben."
Wer allerdings kein Trottel ist, findet in Constanze Dennigs Büchern und Texten eine Fülle brillanter Sätze; feinsinnige Anspielungen, seziermesserscharfe Beobachtungen, humorvolle Doppelbödigkeit. „Wenn ich etwas nicht mag", lässt sie eine der Protagonistinnen in ihrem Roman „Klonküsse" sagen, dann sind das „selbstgefällige, wichtigtuerische Menschen ohne Hirn."
Dennig ist das Gegenteil: Ihr Selbst ist wohl gefällig, dabei aber angenehm unangepasst, was sie tut, ist wichtig (in beiden Berufen), und Hirn hat sie defintiv. Sehr viel sogar. Herz aber auch. Was sie am glücklichsten macht, ist ihr zu privat, um es zu beantworten. Noch einer von vielen Faktoren, die sie davor bewahren, langweilig zu sein. Voltaire hätte seine Freude mit ihr.
Andrea Sailer