Realität ist Verhandlungssache
„Wir spielen, bis uns der Tod abholt“, heißt es nach Schwitters, und Jörg Vogeltanz ist ein wahrer Meister dieses Spiels.
Gestatten: Vogeltanz, Jörg. Geboren: 1968. Ein Revolutionsbaujahr. Halt! Jetzt wird's politisch! Und da muss man aufpassen. Vor allem hierzulande. Mag vielleicht stimmen. Vielleicht auch nicht. Dem Jörg Vogeltanz aber, dem einzigen wirklichen ComicAuteur dieses Landes, dem Grafiker für ganz, ganz (Zwinker!) besondere Fälle, dem Ästhetik-Polemiker, an dessen Lippen man hängt, und nun auch Neo-Filmregisseur des Guten und Edlen, im Besonderen aber grenzwissenschaftlich nicht ganz Ortbaren ist derlei selbstschützender Opportunismus schlicht und einfach Wurscht! Weiß Gott, oder irgendetwas anderes da oben, unten oder drüben, der Mann ist wirklich eine Marke: Revolutionsbaujahr. Ein Unangepasster mit außerordentlich liebreizendem Wohlfühlcharme und überbordend-kindlichem Spielgeist. Scheinbar ohne Ecken und Kanten. Aber lassen Sie sich nicht täuschen, der gelernte Bühnenbildner weiß sich ganz gut zu melden, wenn's heißt, Recht und Gerechtigkeit zu verteidigen. Ob in Kunst oder Gesellschaft - für ihn sowieso eins - ist ihm da völlig gleich.
Er macht sein Ding, will heißen: Zeichnet, skizziert, filmt und schreibt sich durch die serielle Kunst von Comic und Laufbild wie ein Berserker auf durchwegs internationalem Niveau. Irgendwo angesiedelt zwischen George Grosz, Moebius, den Schriften von Aleister Crowley und all dem Populärkultürlichen der letzten 1.000 Jahre. Alles schön gewürzt mit einer Lovecraft‘schen Prise aus Verschwörung bzw. Theorie darüber. Doch aufgepasst, der Mann ist kein seltsamer Paranoiker oder irgendeiner von diesen verschrobenen Luftschlossarchitekten. Nein, nach eigenen Angaben erkennt er, der übrigens erste Comiczeichner, der in der Steiermark eine Förderung für selbiges Medium bekam, nur die Muster. Und die sind, wie wir alle wissen, vielgestaltig ... quasi: interpretationspolymorph.
Bühnenbildner wollte er eigentlich nie werden. Das psychosoziale Drama am und vor allem im Theater ging und geht ihm flächendeckend auf die Nerven. Wie, so geht die Kund‘, auch außerhalb desselben. Set Designer, das wär's gewesen. So einer, der ... na, der halt Filme ausstattet. Und weil da in Österreich ausbildungsmäßig zur Zeit des jungen Vogeltanz ziemlich Ebbe war, verlegte er sich - Man ist ja nicht blöde, sondern erfinderisch! - auf die filmähnlichste aller Kunstformen: das Comic Book, oder wie es banalere Geister ausdrücken, das „Bilderhefterl". Wobei kein quackender Donaldist jetzt an Asterix und Konsorten denken sollte. Die Bilderwelten des Jörg Vogeltanz bewegen sich nicht in den Niederungen wertkonservativer Panelschaften, nein, seine grafischen Ergüsse sind Eyecatcher des Abstrusen, Romanzen der Verformung, Rendezvous‘ im Bizarren. Von der Visualisierung des Theaterstücks „Mahlzeit" (immerhin eine Sonderedition beim „Sterz") des Brachial-Autors Martin G. Wanko über die gesellschaftspolitischen Paranoiabomben „The Anger Diaries" mit der MacGuffin-Kopfgeburt J. F. Sebastian, dem Mann für alle Fälle, ja, selbst bis zu den genialen Coverschöpfungen für den Wiener Milena-Verlag oder bloß simplen grafischen Auftragsarbeiten, die bei ihm niemals simpel sind, bewegt er sich wie ein Stalker meisterlich auf unebenem Grund in einer faszinierenden terra incognita aus Kunst und Politik, Gesellschaft und dem Schatten des Dahinter.
Spätestens hier hätten andere Künstler ihr Ruhekissen bezogen, es sich bequem gemacht auf dem sondierten Altenteil heimischer Provenienz. Das ist nicht Vogeltanz! Mit dem Set Design beim Film ist's leider nichts geworden. Egal, werden wir halt Regisseur! Und so ließ sich der Unstete nicht lumpen und schuf zusammen mit Freizeit-Schamane Bernhard Reicher „Pantherion", ein ganz leicht an die BBC-Kultserie „Torchwood" erinnerndes Science-Fiction-Movie, das er von einer geplanten 10-minütigen Internetserie zu einem avantgardistischen Kinomonument von geschlagenen zweidreiviertel Stunden wandelte. Der Basis übrigens für eine TV-Serie in heimischen oder internationalen Gefilden. Wo, ist ihm eitel. Hauptsache, es passiert. Irgendwie. Irgendwann. Gerüchten zu Folge scheint ATV interessiert zu sein. Sollte es aber nicht klappen: „No Problem! Dann gehen wir halt wieder in die Eigenproduktion." Denn wie heißt es so schön im Untertitel zu „Pantherion": „Realität ist Verhandlungssache". Kann sein. Bei der Fiktion jedoch, da geht gar nichts.
Internet: www.vogeltanz.at
A. Heimo Sver
Stand: September 2012
Comiczeichner, Graphiker, Regisseur, Texter
geboren am 27. August 1968 in Graz
1988-92 Diplomstudium Bühnengestaltung a. d. Hochschule f. Musik u. darstellende Kunst in Graz
1992-93 Art Director u. Illustrator d. Werbeabteilung Temmel KG (Golling)
1992-93 Cartoonist „Der Nebelspalter" (Basel)
1993 Bühnen- u. Kostümbild „Dreck" a. d. Studiobühne d. Oper Graz
1994 Bühnen- u. Kostümbild „Cymbelin" a. d. Forum III Theater, Stuttgart
1995 Gründung d. Kunstervereins „etrancExit" (mit Christian Gschier u. Max Baur)
1996 Bühnen- u. Kostümbild/Lichtgestaltung/Dramaturgie/Konzeption
„Performance i!" a. T.i.P., Graz
1992-93 Cartoonist „wann&Wo" (Dornbirn)
seit 1998 Lehrbeauftragter f. Freies Zeichnen / Studiengang: Industrial Design
FH Joanneum, Joanneum Research Graz
2000 Bühnengestaltung/graph. Production-Identity „Who killed Arnie?" im Palais Attems, Graz, u. Kabelwerk, Wien
2003 Teilnahme a. d. 50. Biennale in Venedig m. d. „Wandering Library Project"
(i. Kooperation m. M. Krusche, J. Schützenhofer, J. Kapeller u. C. Gschier)
2005 Webdesign Online-Game „BIGFOOT"
2006 Illustrator „Korso" (Graz)
2008 Cartoonist „ZAK" (CR-Magazine / Arbeiterkammer Stmk., Graz)
2006-10 Online Journalist „the outfit" (MacGuffin, Graz)
2007-10 Illustrator/Cartoonist „Falter" (Steiermark Ausgabe)
2007-09 Moderator „Nekrolog" (wöchentl. Talk-Radio, Radio Helsinki, Graz)
seit 2008 Illustrator „Milena Verlag" (Wien)
seit 2008 Graphic Designer/Layouter Universität f. Musik u. darstellende Kunst in Graz
seit 2009 Herausgeber/Layouter/Public Relations/Art Director „edition preQuel" (Graz)
seit 2009 Senior Lecturer Universität f. Musik u. darstellende Kunst in Graz
(Studiengang: Bühnengestaltung)
seit 2010 Illustrator „Flair Magazin" u. „h.o.m.e. Magazin"
seit 2011 Illustrator „Rokko's Ad Ventures"
Bibliographie (Auswahl)
1996 Comic „Mahlzeit" [n.e. Stück v. Martin G. Wanko]
2001 Comic-Anthologie „Wie im richtigen Leben" [div. Zeichner u. Texter]
2002 Graphic Novel „The Anger Diaries 1/1 - Der Citoyen"
2004 Graphic Novel „The Anger Diaries 5/2 - Funkschatten" [Text: Sver & Schwarzl]
2006 Graphic Novel „The Anger Diaries 3/3 - Inmates" [Text: Ballhausen]
2007 Graphic Novel „King No1" [Text: Oliver Mally]
2009 Graphic Novel „The Anger Diaries 2/4 - Wired Worlds" [Text: Ballhausen]
Filmographie (Auswahl)
2000 Kurzfilm „Deconstructing Eggenberg" [Ausstattung/Drehbuch-Mitarbeit]
2002 Kurzdoku „Mit einem Bein auf der Bühne - Catherine Clicquot" [Regie/Kamera]
2007 Werbe-Clip „Nichtraucherschutz" [Regie]
2007 Trailer ring.award 08 „Rigoletto" [Idee u. Post-Production]
2007 Werbe-Clip „Nichtraucherschutz" [Regie]
2007 Videoclip „Drink All Day" [Animation]
2008 Dokumentarfilm „Das Geheimnis d. Steirischen Panthers" [Character Design]
2008 Spielfilm „Die Faust" [Graphic Designer - Website & Poster Art]
2011 Dokumentarfilm „Der Mythenberg" [Animation Keyframe Drawings]
2012 Spielfilm „Pantherion - Reality is debatable" [Regie/Darst./Script Adapt.]
Preise & Auszeichnungen
2000 Sonderpreis d. ORF ON - Comic-Wettbewerbes









