„Den Groove kann man nicht unterrichten!“
Der Bassist und Komponist Reinhard Ziegerhofer ist musikalisch vielseitig, so oder so, und er kann tausend Geschichten erzählen.
Ein Interview mit Reinhard Zeigerhofer zu führen, ist eine amüsante Herausforderung. Zu jedem Stichwort lacht er auf, weil ihm sein Gedächtnis sofort eine oder mehrere Geschichten preisgibt. Es ist ihm schon viel passiert, und es ist viel passiert in seinem Leben, worüber er mit einem scheinbar unendlichen Optimismus, Augenzwinkern und einer ansteckenden Fröhlichkeit berichtet. „Ich bin kein Schwafler", sagt Ziegerhofer, um dann sofort eine seiner Geschichten zu erzählen: Er komme aus Liezen und es war ihm dort, außerhalb der Ballungszentren, nicht möglich Kontrabass zu lernen. Also lernte er E-Bass, und sein Freund und Förderer Hans Jörg Fischer, ein Jazz-Urgestein in Liezen, hat Ziegerhofer die Welt des Jazz eröffnet.
Der musikalisch unglaublich Vielseitige hat als Kind Blockflöte und Akkordeon gelernt. Dazu meint er nur: „Die Lehrerin war eine Furie". Mit 14 Jahren hat er angefangen, sich selbst Gitarre beizubringen. „Also eigentlich bin ich ein Gitarrist, aber nur wenn ich‘s brauch‘", schmunzelt er. Er hatte eine Band mit den Nachbarskindern, aber bei der Diskussion mit einem Bandmitglied, der auch Gitarrist war, habe er irgendwie verloren, oder auch nicht, denn Ziegerhofer stieg auf E-Bass um. Mit 20 Jahren war es dann so weit: Er ging nach Graz, um am Konservatorium Kontrabass zu studieren „Ich war total vernarrt in den Kontrabass." Doch um in der Familie den Frieden zu wahren, hat er gleichzeitig Technische Chemie studiert. Das hat er dann irgendwann beendet, weil ihm klar war, dass die Musik sein Leben und sein Brot ist, von dem er leben will.
In seiner Ausbildungszeit begann sich sein musikalischer Weg abzuzeichnen. Zuerst gab es für ihn nur Jazz und Klassik, bei einem Sommerurlaub in Griechenland ging der von ihm so genannte „Irrweg" zu Ende, und Rock und Pop hielten ebenfalls Einzug in seinen musikalischen Kosmos. Von da an begann er sich zu spüren - nicht mehr als einer, der zwischen den musikalischen Stil-Stühlen sitzt, sondern als Cross-Over-Typ, der sich in allen Lagern zuhause fühlt: „Mich interessiert jede Richtung außer Plastikschlagermusik und Operette."
Den Bassisten vergleicht er mit dem Mittelfeldspieler beim Fußball. Er sei der Koordinator, der alles vermischt, aus allem einen Knödel macht, neue Zutaten hinzufügt und so etwas völlig Neues entstehen lässt. „Mich interessieren Sprache, Gesang und Rhythmus. Und darüber hinaus gibt es noch den Groove", schwärmt Ziegerhofer. Hier begegnet man seinem musikalischen Ziehvater und seinem absoluten Vorbild Joe Zawinul, mit dem er mit der Gruppe „Broadlahn" gemeinsam unterwegs war. Zawinul sprach immer vom Groove, das sei das, was den Funken in der Musik ausmache. Ziegerhofer beschreibt Groove so: „Es ist eine Melodik, eine fortschreitende Musik oder ein Rhythmus. Um diese Grundschwingung, die dabei entsteht, wickelt sich alles andere. Du kannst es nur finden und herauskitzeln, aber du kannst den Groove nicht unterrichten. Das ist das Essentielle an der Musik."
Seine Projekte lassen sich ganz unterschiedlich an: Da war einerseits die sehr lange Zusammenarbeit - 18 Jahre - mit der Gruppe „Broadlahn", andererseits viele eigene Unternehmungen, Kompositionen, das Musical „Die Geierwally", Bass-Solo-Konzerte, die Gruppe „Polka Potente" und noch vieles mehr. „Zwischendurch musst du dich reduzieren, um dich dann wieder ausweiten zu können. Nach drei Jahren an der Front will ich wieder zurück, um zu schauen, wo mein Kern steckt." Es schwebt ihm vor, Kammermusik und Groove zusammenzuführen. Träume und Gedanken seien sehr wichtig, aber ob Dinge verwirklicht werden, stehe oft in den Sternen.
Ein Herzensanliegen ist ihm auch die Reinhard Ziegerhofer Group mit Saxophon, Keyboard, Schlagzeug, E-Bass und Gesang, mit der er sich einen Traum verwirklicht: „Es ist eine Kunst zu improvisieren, zu grooven und zu begleiten." Beim Improvisieren soll sich alles, was katalogisiert ist, auflösen, Skalen werden aufgebrochen. Improvisation sei auch die spontane Komposition, die man sofort niederschreiben muss. Das zeige sich an der grafischen Notation der Komponisten. Ziegerhofer komponiert auch: Bereits mit 15 Jahren begann er, ein Oratorium zu schreiben. In der Zwischenzeit gibt es von ihm auch Musicals, Filmmusik, Jazznummern, Folknummern, Kammermusik und natürlich zahlreiche Arrangements und Bearbeitungen: „Ich muss die Idee gleich niederschreiben, sonst ist sie weg, aber auch das macht nichts, weil dann kommt eine andere." Nicht zu vergessen, dass Ziegerhofer auch noch ein spätberufener Student war. Mit 46 Jahren begann er sein Instrumental- und Gesangpädagogikstudium am Joseph-Haydn-Konservatorium in Eisenstadt, das er vor vier Jahren erfolgreich abschloss.
Ausgewählte musikalische Stationen
• 1981 - 1988 Mitglied des Grazer Symphonischen Orchesters
• 1986 - 2004 Mitglied der steirischen Ethnofolkjazzgruppe Broadlahn
• 1989 Auftritt beim Steirischen Herbst mit Glen Branca
• 1995 zusammen mit Andreas Safer (Aniada a Noar) Komposition des Musicals „Die Geierwally" (Text: Reinhard P. Gruber)
• 1995 und 1996 Auftritte mit Broadlahn zusammen mit Joe Zawinul und Zawinul Syndicate
• Ab 1997 Zusammenarbeit mit der Harfenistin Monika Stadler
• 1998 Gründung des Folktrios Pozar Rottensteiner Ziegerhofer
• Ab 1998 Bass-Solo-Konzerte
• 2000 Dreiwöchige Tour in Wisconsin/USA mit Chuck LeMonds & the Impermanents
• 2001 Duoauftritt mit Wolfgang Puschnig bei der Präsentation des Buches „Die Vorgänge bei der Betrachtung" von R. P. Gruber im Schloss Stainz
• 2002 - 2003 Musikalische Leitung des „ transeuropean musicproject" beim Festival Polaritäten in Burgenland mit Musikern aus Ungarn, Frankreich, Österreich (2002), Irland, Kroatien, Österreich (2003)
• 2003 Gründung des eigenen Kammermusikquartettes, das ausschließlich Kompositionen von Reinhard Ziegerhofer spielt.
• 2003 Gründung des Reinhard Ziegerhofer Quartettes, das ausschließlich Kompositionen von Reinhard Ziegerhofer im Stile von Ethnofolkjazz spielt.
• Ab 2004 Mitglied der Ethnofolkgruppe Polka Potente
• Seit 2005 Mitglied der afrikanischen Gruppe Ramadu & the Afrovibes mit Musikern aus Zimbabwe, Kongo und Österreich
• 2006 Uraufführung der Komposition „Lichtspur der Engel" für Chor, Streichorchester, Sopran und Marimba in Graz
• 2006 - 2007 Produktion der ersten CD von Polka Potente (Produzent: Wilfried Scheutz)
• 2007 Präsentation der Bass-Solo-CD „Bass Diary" in der Helmut-List-Halle in Graz
• 2007 Porträtkonzert + Präsentation der Basssolo-CD „Bass Diary" mit den Gruppen QuaRZ, RZ-Quartett und Polka Potente in Liezen
• Ab 2008 Mitglied der Worldfusion-Gruppe crossfiedler
• 2009 Uraufführung der Komposition „Symphonie g-Moll - groove" unter Verwendung und Bearbeitung von Teilen der Symphonie Nr. 40 von W.A. Mozart (KV 550) und kompositorischer Elemente aus eigener Feder vom Trio Quergestrichen in Fohnsdorf.
• Komposition, Einstudierung und Aufführung der Musik zum Theaterstück „ ‚s Nullerl" mit der Theatergruppe Stainach und dem Regie- und Schauspielduo Steinbauer-Dobrowsky im Rahmen des Kulturfestivals „Regionale X"
• 2010 - 2011 Komposition und Aufführung der Musik als Solobassist zum Tanztheaterstück „Sladkosuite" von Darrel Toulon an den Opern Graz und Maribor
• 2011 Bearbeitung einer Arie von G.F. Händel aus „Messiah" für Solo-E-Bass und Aufführung in der Oper Graz, begleitet vom Grazer Philharmonischen Orchester
Reinhard Ziegerhofer im Internet: www.ziegerhofer-music.com
Petra Sieder-Grabner
Stand: Oktober 2012