Poetische Gedankenwelten in Knetmasse verfilmt
Experimentelle Filmgestaltung und Stop-Motion-Animation mit akribisch genau modellierten Plastilinfiguren zeichnen das Werk der Film- und Videokünstlerin Karin Csernohorski aus.
Bewundernswert und außergewöhnlich ist das Werk der 32-jährigen Film- und Videokünstlerin Karin Csernohorski. Ohne allzu sehr ins Schwärmen geraten zu wollen, ist ein Blick in ihre Videos und Kurzfilme auf jeden Fall ein extraordinäres Erlebnis. Vor fünf Jahren hat sich die Filmemacherin auf die Knetmasse spezialisiert, die Grundlage und Material für ihre Filme ist. Ihre künstlerischen Neigungen konnte Csernohorski schon in der Ortweinschule für Kunst und Design in Graz ergründen. Nach ihrem Abschluss im Fachbereich „Dekorative Gestaltung" und künstlerischen Tätigkeiten in Theater, Gestaltung und Design hat sie der Wunsch nach der interdisziplinären Studienmöglichkeit an der Hochschule für Gestaltung nach Karlsruhe verschlagen. Ihren heutigen Beruf hat sie zuallererst dieser bereichsübergreifenden Ausbildung zu verdanken. Eigentlich im Fach Produktdesign immatrikuliert, nutzte sie im Laufe der Zeit immer gezielter den experimentellen Film als ihr Ausdrucksmittel.
„In der interdisziplinären Ausbildung spielt das Medium Film prinzipiell eine große Rolle". So habe sie angefangen, Videos zu drehen. Sie sieht in ihren Filmen eine Erweiterung der Malerei, ihrem ursprünglich liebsten Medium, die sie dadurch bewegt darstellen könne - inklusive einer Erweiterung/Verstärkung ihrer Ausdrucksmittel durch Lyrik und Sound. Ihre Videokunst und auch ihre Filminstallationen waren von Anfang an experimentell. „Damals habe ich sehr viele verschiedene Animationstechniken genutzt ", erinnert sich Csernohorski. Bis sie 2008 auf ihre Leidenschaft gestoßen ist: Animationsfilme mit Plastilin zu gestalten, sogenannte „Clay-Animation" (oder „Claymation"). Und ab hier teilt sich ihre berufliche Passion in zwei gleich berechtigte Teile: Da ist auf der einen Seite der Autorenfilm, bei dem die Künstlerin als alleinige Urheberin des Filmes angesehen wird und sämtliche künstlerischen Aspekte der Umsetzung vom Drehbuch bis zum fertigen Schnitt selbst übernimmt. Diese Spielart des Filmes nutzt Csernohorski, um Emotionen zu visualisieren, einen gedanklichen Kosmos zu zeigen - oder wie sie es ausdrückt: „Poesie darzustellen als visuellen Genuss." Wie beim Rückzug in Tagträumereien kommt hier das Spiel mit der Vorstellungskraft, die der Realität überlegen ist, voll zur Geltung. In ihrem aktuellen Projekt, einem poetischen Experimentalfilm, spiegeln sich innere Konflikte in einer Reise durch das Unterbewusstsein. Dieses wird schließlich von der eigenen Willenskraft (in Gestalt eines im Geiste erschaffenen Wesens) von seiner Furcht befreit.
Die Filmlänge schwankt noch zwischen vier und acht Minuten. Da Csernohorski viel mit unterschiedlichen Animations-Techniken experimentiert, richtet sich die Filmlänge oft nach dem verwendeten Material. „Die Ideen für meine Autorenfilme ergeben sich von selbst durch das Wahrnehmen der Umgebung und des Alltags", sagt die Filmkünstlerin. Sie kommen durch die kritische Auseinandersetzung mit der Welt, mit der Gesellschaft und mit sich selbst. Die Gestaltung einer Szene entwickelt Csernohorski, wenn sie den Stoff erarbeitet, wofür sie Kreativitätstechniken nutzt. „Bei der Knetanimation muss man genau planen, weil die Arbeit sehr aufwendig ist", erklärt Csernohorski. „Ich brauche mehrere Wochen oder Monate für ein paar Sekunden." Damit man sich den Aufwand vorstellen kann: Jedes Bild wird einzeln fotografiert. Für eine Sekunde Film braucht die Filmemacherin 25 Bilder. Ein Bild bedeutet eine halbe Stunde Arbeit. Bei der Stop-Motion-Methode macht sie Bild für Bild - Frame by Frame. Für ihr Filmsetting baut sie alles selbst, den Hintergrund, die Figuren - alles wird penibel genau mit Knetmasse hergestellt. „Jede Bewegung, jede Figur, alles ist handgemacht", erzählt Csernohorski schmunzelnd. „Ich brauche für eine Figur ein bis vier Tage, je nachdem, wie kompliziert sie ist. Einige Figuren haben innen eine bewegliche Drahtkonstruktion, die für schwierige Animationen oder sehr dünne Gliedmaßen notwendig ist. Für Hintergründe benötige ich mindestens drei Tage, manchmal zwei Wochen. Manchmal vergehen Wochen und Monate mit den Vorbereitungen, bis ich zur eigentlichen Arbeit, der Animation übergehen kann." - Manchmal bittet die Filmproduzentin ihre Freunde, ihr beim Mischen von Farben zu helfen, weil „das dauert nicht nur ewig, sondern man kann das auch gut vorm Fernseher machen." Mit analogen Filmtricks schafft sie für die ZuseherInnen Illusionen. „Das klingt in der Erklärung kompliziert, ist aber ganz einfach." Beispiel: Gefilmt wird von oben auf eine doppelte Tischplatte, die eine Tiefenwirkung erzeugt.
So arbeitet sie auch in ihrer zweiten Leidenschaft - der Produktion von Musikvideos. Auch hier spielt die Knetmasse neben der Musik eine Hauptrolle: „Da fühle ich mich von meiner Jugend beeinflusst. Ich habe die Musikvideos in den 80er und 90er Jahren total geliebt." Das beste Beispiel ist ihr ausgezeichnetes Video zu „That's the Beat" von der steirischen Band „The Incredible Staggers", das auf vielen internationalen Festivals gezeigt worden ist, und auch auf der „Best of ITFS"-DVD des Internationalen Trickfilmfestivals Stuttgart zu finden ist.
„Leider ist die Trickfilmbranche noch ein bisschen an den Rand der künstlerischen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gedrängt", bedauert die Künstlerin. Ebenfalls schade sei es, dass sich außer speziellen Kultursendern kaum ein Fernsehsender für die künstlerisch anspruchsvolle Kurzfilmbrache interessiert. Es sei allerdings auch ein Aufschwung beispielsweise des Stop-Motion-Filmes zu bemerken, wobei Csernohorski die Entwicklung durch die Verbreitung über Internet-Portale wie „Youtube" oder „Vimeo" positiv beurteilt. Am wichtigsten sei es aber für die Kunstfilmbranche nach wie vor, auf Festivals vertreten zu sein.
Am schönsten ist für Csernohorski, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen konnte: „Ich kann mir nicht vorstellen, den Film zu verlassen. Ich kann jetzt das machen, was ich mir für mein Leben gewünscht habe. Ich habe den besten Beruf gefunden, und ich bin sehr glücklich, hier gelandet zu sein und davon leben zu können." Ihr Hauptaugenmerk liegt jetzt auf ihrer aktuellen Filmarbeit, ein von der CineArt Styria-gefördertes Projekt, aber für die weitere Zukunft sei sie für alles offen. Auch eine Rückkehr in die Steiermark sei für sie eine Möglichkeit.
Petra Sieder-Grabner
Stand: Februar 2013