Bilder wie direkte Freistöße
Nikolaus Pessler und die bösartige Essenz der Welt
Es gibt kaum einen Maler, bei dessen Menschenbildern einem sofort klar ist: Ein Mensch ist einer, der sich der Welt entgegenstellt. Und es ist keine angenehme Welt, in der sich Pesslers Figuren behaupten müssen; ja es scheint sich bei diesen Schauplätzen, wenn schon nicht um die Hölle, so doch um die bösartige Essenz dieser Welt zu handeln.
Kaum ein Massenmörder, der da nicht auftaucht, und kein Tatort, der da ausgespart bleibt. Ein brutaler Spin-off der Weltgeschichte, der bis in die Zeiten von Dschingis Khan zurückreicht. In diesen Bildern verclustern sich Geschichte, Politik, Krieg, Unterhaltungsindustrie und Kunstmarkt zu exemplarisch verdichteten Szenarien aus Malerei und Zeichentrick. Da sieht man Charles Darwin neben dem ausgeleierten Zivilisations- und Kulturfurnier der männlichen Feinripp-Unterhose, ebenso auch Adolf Hitler, dessen HJ-Buben durch Dutzendlingsklone des naiven, knallroten Seesterns Patrick aus der Serie „Sponge Bob" ersetzt wurden.
Nikolaus Pessler (Pessi), Jahrgang 1965, besuchte die Ortweinschule und anschließend die Höhere Grafische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Seitdem ist er als selbständiger Grafiker in Graz tätig. Er ist Mitglied der Grazer Sezession und präsentiert dort manchmal ein, zwei Bilder bei Gemeinschaftsausstellungen. Was viel zu wenig ist, denn längst wäre eine große Personale fällig, wo einmal die ganze Wucht seines Œuvres sichtbar wird. Aber Pessler redet wenig, steht meist abseits und macht überhaupt kein Aufsehen von sich, was hemdsärmeliger Ausbreitung im Kulturbereich naturgemäß nicht entgegenkommt. Stärker als bei uns, ist Pessler in der Schweiz präsent. Lassen wir uns aber auch nicht täuschen von Pesslers Themen. Was als Sujet nämlich sofort kompakt vorm Betrachter steht, das offenbart erst bei näherem Hinschauen das außerordentliche Talent des malerischen Vortrags.
Die vehemente Kontur ist bei ihm kein manieriertes Lasso, das die Figur mit virtuosem Gezappel einfängt, sondern sie entsteht direkt im Malprozess als stringente Grenze des lebendigen Drucks der figurenorientierten Binnentextur nach außen. Pessler bevorzugt meist den radikalen Hell-Dunkel-Kontrast und bietet so dem Auge des Betrachters wenig Wellnessprogramm, denn Farbe ist in diesen Bildern seltener notwendig und wird durch ihren sparsamen Einsatz auch immer tatsächlich wirksamer Bedeutungsträger. Auch gibt es nirgends kokette Schlieren oder unerlöste Flecken als malerischen „Gottesstaub". In Pesslers Bildern scheint immer nur das Notwendigste getan, obwohl auch er manchmal Figuren am Bild ändert, aber immer gleich im Furioso des ganzen Schwungs.
Ironie, Sarkasmus, ja Boshaftigkeit scheinen Pesslers erste Reaktionsformen auf die Realität zu sein, und höllischen Spaß scheint es ihm zu bereiten, für prominente Gesichtszüge immer wieder neue Weichen zu stellen und Entgleisungen vorzunehmen. Pessler ist aber nicht nur der inoffizielle Hofmaler von Papst, Hitler und Kim Il Jong, sondern er ist auch Leibmaler der bestbezahlten Kunstikonen unserer Zeit, der Grant Pa der Trickfilmstudios ...
Zeit wäre es längst, dass ihn ein österreichischer Würdenträger vor dem Ausscheiden aus dem Amt als seinen Porträtisten für die doch eher brav gemalten Ahnengalerien entdecken würde.
Was gibt es über diesen skeptischen Menschen Persönliches zu sagen? Nun, er hält sich Menschen gern vom Leibe. Kunstbetrieb? Ein ironisches Lächeln. Künstler? „Ich mag keine Schals." Fußball? Seine Antwort ist politisch unkorrekt. Pessi hat mich porträtiert, ich habe darauf ein ziemlich schleimscheißiges Lächeln. Ich hab ihn gemalt, mit Raumfähre am Mond. Sein Porträt von mir ist besser. Aber das wird niemand erfahren, denn er red‘t nix, und mich fragt keiner.
Erwin Michenthaler
Stand: Jänner 2013








