Sanftmut und Beharrlichkeit
Viele seiner Filme handeln von Musik. Doch die Arbeiten des Dokumentarfilmers Heinz Trenczak gehen weit über das musikalische Feld hinaus.
Unter den Namen, die mir mit der Anfrage zugeschickt worden waren, ob ich über einen dieser jüngeren Kollegen ein Portrait für die ARTfaces schreiben wolle, befand sich auch der von Heinz Trenczak. Ich nahm das Angebot, über ihn als jungen Kollegen zu schreiben, mit Begeisterung an. Heinz Trenczak und ich sind nämlich am selben Tag, dem 3. 1. 1944, geboren. Vielleicht liegt das an seiner besonderen Persönlichkeit in ihrer Mischung aus Sanftheit und Beharrlichkeit.
Während der Promotion ihrer CD „Little French Songs" hat Carla Bruni darauf hingewiesen, dass auch die älteren Typen nicht damit aufhören sich jung zu fühlen. Auf niemanden trifft das stärker zu als auf Heinz Trenczak. In seinen wirklich jungen Jahren wird er Cellist (Mozarteum Salzburg), weil er sich weigert, „normal" Matura zu machen. Er studiert später Musik, unter anderem beim berühmten Komponisten Mauricio Kagel, und absolviert das Orff-Institut, was ihn im Auftrag des Goethe-Instituts auf eine Vortragsreise durch Indien führt. Dazu muss man wissen, dass er das vierte Kind einer ungewöhnlichen Frau, Emma Hoffer-Sulmthal, ist, die ebenfalls Musik studiert hat und der Heinz Trenczak später mit „Granny's Videos" ein Denkmal setzte.
Jahre beim WDR
Aber die Jugendlichkeit von Heinz Trenczak hat auch damit zu tun, dass er die stürmische Entwicklung des Mediums Film über vierzig Jahre hindurch begleitete, praktizierte und - was vielleicht noch wichtiger ist - auch akzeptierte. 1971 beginnt er nämlich im Fernsehen, beim WDR Köln, als diese Position noch sowohl in künstlerischer als auch gesellschaftspolitischer Hinsicht bedeutsam war. Der Musikredakteur wird bei zahllosen Features, Porträts und Dokumentarfilmen Drehbuch und Regie machen.
In diesen späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren wurde eine vor allem für den Dokumentarfilm - also Heinz Trenczaks Genre - neue Technologie entwickelt. Lippensynchron aufzunehmen wurde immer einfacher, Tonbandmaschinen und Kameras immer kleiner. Die quarzgesteuerte Aufnahmetechnik erlaubte schließlich synchrone Bild-Ton-Aufzeichnungen, ohne dass Kamera und Tonband durch Kabel miteinander verbunden waren. Gegenwärtige, digital sozialisierte Kollegen können sich diese technischen Probleme nicht einmal mehr vorstellen. Asynchronität gibt es allenfalls in den Nachrichten, wenn der Techniker Bild- und Ton-Files nicht exakt untereinander gezogen hat.
Damals bedeutete diese Innovation für den Dokumentarfilm vor allem eine neue Ästhetik. Der berühmte Klaus Wildenhahn, bei dem Trenczak in die Lehre ging, drehte beispielsweise in einer Ecke des Saals, und irgendwo ganz woanders machte der Tonmann seine Arbeit. Eine technische Mobilität, die auch bei politisch motivierten Streifen zum Tragen kam, deren Produktion häufig einen Guerillacharakter hatte.
Graz, „Blimp" und Video
Es war bezeichnend für die sanfte Konsequenz von Heinz Trenczak, dass er seine Stellung beim WDR aufgab, sobald Quotensicherung immer wichtiger und Inhalte immer verdächtiger wurden. Mit 40 wird er „freier Filmemacher", kehrt zurück nach Graz und dreht „Zuhören Aufhören - Von steirischen Musikanten" noch ganz klassisch auf 16mm. Ich erinnere mich an einen trotz des sich lichtenden Haares sehr attraktiven Mann mit warmen, braunen Augen. Seine Stimme hatte dieses melodiöse Timbre, über das Musiker und Rundfunksprecher gelegentlichen verfügen. Und seine Kultiviertheit war ohne jede Arroganz, doch ein wenig einschüchternd.
Es folgt eine (unbedankte) Arbeitsphase, in der Heinz Trenczak gemeinsam mit Bogdan Grbic und Peter Zach die Filmzeitschrift „Blimp" (Filmwerkstatt Graz) herausgibt und unter anderem ein Filmfestival im „steirischen herbst" 1984 veranstaltet.
Trenczak wünscht sich von seiner Mutter eine Videokamera zum Geburtstag und seither sind, neben einer internationalen Lehr- und Vortragstätigkeit, zahlreiche Filme entstanden, darunter „Granny's Videos" oder „Theaterglühen" (1999) über Peter Turrini, der „Noarnfülm" (2007) über die Gruppe „Aniada a Noar" oder der vorläufig letzte, „Der Musikstaat" (2008/2013), zusammen mit Andrea Schabernack. Seine „Granny`s Videos", das „100 Jahre lange Videoband" über seine Mutter (1900 - 1996), wurde im Kulturjahr 2003 im Grazer „Dom im Berg" gezeigt. In einer labyrinthischen Ausstellungsskulptur verschmolz Oral History (die Erinnerungen von Heinz Trenczaks Mutter) mit einem gleichsam musikalischen Fluss digitaler Bilder.
Bewundernswert an Heinz Trenczak ist unter anderem, wie bereitwillig er sich auf die Digitalisierung einließ, ohne die klassischen, filmischen Erzählweisen aufzugeben. Gutes Beispiel ist der „Noarnfülm", sein Film über die Gruppe „Anida a Noar", mit seinen aufwändig zahlreichen Einstellungen und der sorgfältigen Montage von Arthur Summereder.
Filmischer Kommunikator
Obwohl Musik grenzenlos ist, gehen viele der meist im Rahmen von Tranczaks „Vis-à-vis Film" hergestellten Filme weit über das musikalische Feld hinaus. Neben „fachspezifischen" Filmen über Regisseure wie Richard Leacock oder Frederick Wiseman hat Trenczak über den Dichter Tonino Guerra gedreht, über die ungarisch-österreichische Schriftstellerin Djavidan Hanum, verheiratet mit dem Vizekönig von Ägypten und berühmt durch ihr Buch „Harem" (1930), oder Filme zur Tagespolitik von Graz gemacht. Bemerkenswert ist die Energie, mit der dieser vom anonymen Fernsehen kommende Künstler seine Arbeiten zu speziellen Anlässen und für spezielle Interessengruppen persönlich öffentlich macht. Er praktiziert damit eine filmische Kommunikation, die weder mit dem Mythos des Massenmediums kokettiert, noch sich auf die Einsamkeit des Schreibens zurückzieht. Die stille, oft unbedankte Arbeit Heinz Trenczaks für den Film vor allem für Graz kann gar nicht genug gewürdigt werden.
Am 3. 1. 2014 wird Heinz Trenczak (wie ich) 70 Jahre alt. Mal sehen, ob ich bis dahin jung genug geworden bin, um mit ihm Geburtstag zu feiern.
Wilhelm Hengstler
Stand: Juni 2013