Eingebrannte Erinnerungen
Sabine Maier entwickelt neue Techniken für ihre Bilder
Da dachte man immer, das World Wide Web lasse die Welt zusammenschnurren, schließe das kleinste Kaff mit dem Rest des Globus zusammen - und dann das: „Arbeiten, die mit dem Internet zu tun haben, funktionieren am Land nicht!" Zumindest nicht für Sabine Maier, Medienkünstlerin, Jahrgang 1971 - und derzeit, im Sommer 2013, in Judenburg als Artist in Residence weilend. Dort wurden Lofts ausgebaut, auf drei Stockwerken, mit Terrassen - und in einem solchen verbringt sie nun die Sommermonate. Dass sie an den Internet-Projekten besser in der Stadt arbeiten kann - dort sei man in einem anderen Fluss, erklärt sie -, erweist sich als nicht weiter tragisch. Denn so kommt sie zu einer anderen Arbeit, die sie schon länger verfolgt. „Verformte Isolation" nennt sie ihre soeben entstehende Serie. Darin kombiniert sie Fotografien, die sie auf ihren zahlreichen Auslandsaufenthalten - etwa in Kanada, Guatemala oder Afrika - gemacht hat, mit solchen, die sie an ihre Kindheit denken lassen. „Erinnerungen, die fotografisch festgehalten worden sind, werden oft zu einer anderen Realität - die es so vielleicht gar nicht gibt und nie gab", bemerkt sie. „Was immer das fertige Bild oder die manifestierte Erinnerung vorgibt zu sein: Es ist immer ein bisschen mehr - nämlich alles das, was wir in darin hineinlegen."
Für die Fotoarbeiten verwendet sie keine konventionellen Drucke auf Papier, sondern sie erdachte eine eigene Technik, die sich an altem Handwerk orientiert: Auf recht komplizierte Weise überträgt sie die Bilder manuell im wahrsten Sinne des Wortes auf Holzplatten („Hier in der Region gibt es eben so viel Holz - das war leicht zu kriegen"); dabei kann sie sich schon mal blutige Finger holen. Die flüchtigen Erinnerungen sollten möglichst stabil im Material verhaftet, eingebrannt werden und sind „eine Art Weiderfindung des Surrealismus und Nouveau Realismus, widergespiegelt durch ein reizüberflutetes Auge unserer Zeit", erklärt sie.
Häufig hat die Kunst von Sabine Maier mit dem weiten Themenfeld Erinnerung zu tun: So interviewte 2012 sie bei der - leider letzten - „regionale" einstige Bewohner von leerstehenden Häusern in St. Lambrecht. Passanten konnten sich die Gespräche über Lautsprecher, die an die Rücklehnen von Bänken montiert waren, anhören. Und in Bratislava, wo sie auf ein baufälliges Schwimmbad stieß, ließ sie Performerinnen in einem 16mm-Film die Hochzeit des Synchronschwimmens aufleben.
Auch ihre vielen Reisen - die häufig nach Osteuropa, bisweilen in Krisenregionen führten - schlugen sich in ihren Projekten nieder; für eines etwa sprach sie mit Flüchtlingen, die Robert Mugabes Simbabwe entkommen waren; in einer Kirche in Johannesburg war Maier auf sie gestoßen. Sie lud die Menschen ein, sich im Gespräch mit ihr an die Flucht zu erinnern und diese auf einer Karte nachzuzeichnen. Gemeinsam mit Porträtfotos präsentierte sie die Tonbandmitschnitte dann in einer Installation, in der die Flüchtlinge wieder als Individuen erschienen.
Sabine Maier hat jedoch auch noch eine zweite künstlerische Identität - nämlich als Teil des Duos Machfeld, das sie mit Michael Mastrototaro 1999 gründete. In breitgefächerten künstlerischen Medien - Performance, Film, Sound, Fotografie, Netzkunst, Tanz - gehen sie gemeinsam Fragen zur Überwachung, zum Umgang mit Technologie, zu Kommunikation und, überhaupt, Gesellschaftspolitik auf den Grund. Demnächst wird sie sich mit einem Social-Media-Projekt beschäftigen. Aber erst, wenn sie wieder zurück in Wien, wo sie meistens lebt, ist. Denn am Land funktioniert das nicht so gut. www.machfeld.net
Nina Schedlmayer
Stand: Juli 2013







