Der magische Moment des Fotografierens
Die steirische Fotografin Sandra Derler verlässt sich bei ihren Bildern auf ihre Intuition, und das ohne Worte.
„Ich wusste lange nicht, was ich suche", gesteht die 31-jährige Hartbergerin. Aber jetzt sei sie mit und in der Fotografie angekommen. Und das vor fünf Jahren. Bis sie aber hier gelandet ist, hat sie die Ausbildung zur Mediendesignerin am Kolleg in Villach abgeschlossen und viele Jahre beruflich im Bereich des Veranstaltungsmanagements verbracht. Und sie hat auch bei verschiedenen Filmprojekten in unterschiedlichsten Rollen mitgearbeitet, beim Location-Scouting, beim Script, bei der Ausstattung und bei den Kostümen. Diese Filmprojekte haben ihr den Blick auf das Bild und somit den Weg zur Fotografie eröffnet.
Mit der Ausbildung an der Akademie für angewandte Fotografie in Graz, entschied sie sich endgültig für die Kunst und für die Fotografie: „Der Grundgedanke, auf dem meine Arbeit aufbaut, ist der magische Moment im Prozess des Fotografierens." In ihren fotografischen Anfängen hat Derler sich mit der verschwimmenden Grenze zwischen Traum und Realität oder in Selbstporträts mit dem Alltag beschäftigt. Ihren Zugang, wie sie zu einem Bild und damit zu einer künstlerischen Aussage kommt, hat sich im Laufe der Jahre entwickelt und verändert. Sie hat sich von Konzepten, die mit Worten gefüllt sind, verabschiedet. „Es war zu schwierig für mich, Konzepte und Texte mit den Bildern in Übereinstimmung zu bringen", sagt Derler. Für ihre Bilder ist es wichtig, dass sich der Betrachter darin selbst wiederfinden kann. „Wenn ich ein Bild textlich beschreibe, nehme ich dem Bild zu viel weg", denkt Derler. Sie sei aber auch schon mit ihrer strikten Trennung zwischen Wort und Bild an ihre Grenzen gestoßen: „Die Fotografie ist mein Lehrer." Derler hat für ihre Bilder kein großes ausformuliertes Konzept im Kopf, sondern eine Thematik, die sich während des Prozesses des Fotografierens spontan auflöse.
Auf die Frage, ob eine visuelle Begabung oder das Beherrschen des Handwerks ausschlaggebend für schöne oder gute Bilder sind, antwortet die Künstlerin wohlüberlegt: „Das ist sehr individuell. Im künstlerischen Bereich versuche ich, beides zu kombinieren." Das Handwerk der Fotografie zu beherrschen - vom Auslöser über die Entwicklung bis zum fertigen Bild - bedeute auch, dass man sowohl technisch als auch visuell viel umsetzen kann. Technisch gesehen fotografiert sie noch immer mit ihrer ersten digitalen Spiegelreflexkamera. Ab und zu wünscht sie sich eine neue Kamera, die mehr Licht einfangen kann.
Derlers Zugang zur Fotografie ist von ihrer eigenen inneren Gelassenheit und ihrer Wohlbesonnenheit geprägt. Sie beobachtet gleiche Situationen immer wieder, bis ihr eine Idee kommt, die sie dann intuitiv umgesetzt Sie setzt auch das Wechselspiel zwischen Idee und Motiv in ihrer Arbeit ein. Ein Beispiel ist ihre - wie sie es selbst nennt - „erste politische Arbeit", die sie in Athen gemacht hat. Aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation der Griechen befinden sich tagtäglich Tausende Demonstranten auf der Straße. Die Fotografin hat in ihrer Arbeit Bilder dieser Demonstranten jenen von Obdachlosen gegenübergestellt, die zwei Gassen weiter auf der Straße leben. Manche schauten ihrer Meinung so aus, als ob sie erst kürzlich allen Besitz verloren hätten. Mit dieser künstlerischen, fotografischen Gegenüberstellung will sie verdeutlichen, wie „die wirtschaftliche Lage eines Landes auf das persönliche Leben zugreift."
Sandra Derlers Bilder sind geprägt von der Empfindung des Moments während des Fotografierens. Sie habe dann das Gefühl, mit der Kamera eins zu sein. Auch das, was der Betrachter zu sehen bekommt, ist in ihrem Kopf schon völlig durchkomponiert. „Die Teile und Ausschnitte, die ich fotografiere, füge ich im Kopf wieder zusammen." - Das erklärt auch ihre Liebe zu quadratischen Bildern. Welche ihrer geschossenen Bilder wirklich bearbeitet und publik gemacht werden, liegt wieder in einem Gefühl für das Visuelle: „Ich spür, welches Bild, in die engere Auswahl kommt." Optimal sei ein Bild dann gelungen, wenn es für sich spricht, und wenn es gleichzeitig im Betrachter ein Gefühl auslöst. Die Interpretation bleibe somit dem Betrachter überlassen: „Deshalb gibt es auch keinen Text."
Im Moment ist die Fotografin, die 2013 ein Arbeitsatelier im Grazer RONDO zur Verfügung gestellt bekommen hat, mit der Auswahl ihrer Fotos beschäftigt - 10.000 sind es bisher. Derlers Zukunftsprojekt ist die Beschäftigung mit dem freien Fall, da steckt ihre Idee aber erst im Anfangsstadium. Sie möchte auch noch ganz viel reisen, verschiedenen Orte kennenlernen und diese dokumentarisch wie auch poetisch dokumentieren. Und im Grunde möchte sie in Zukunft auch von ihrer Fotografie leben können.
Petra Sieder-Grabner
Stand: August 2013