Zu Lande und zu Wasser
Bildhauerin Angelika Loderer

Die Soundkulisse in Angelika Loderers Atelier ist beeindruckend. Ab und zu donnert die U-Bahn vorbei, dann hört man zartes Geklingel oder rhythmisches Schlagzeug: Links von ihrem Studio in Wien proben Musiker, rechts davon werden Siebdrucke hergestellt. Und in ihrem eigenen Raum lagern alte Autoteile in großen Regalen, war dieser doch einst eine Werkstatt. Kurzum: ein überaus urbaner Ort.
Aufgewachsen ist die Bildhauerin - Jahrgang 1984, ernsthaft, groß gewachsen - auf dem Lande, im steirischen Feldbach. Wo sie für ihre künstlerischen Ambitionen - man ahnt es - nicht immer auf Verständnis stieß. Dennoch war sie von Kindesbeinen auf mit Kunst vertraut, führte doch ihr Vater eine Gießerei - in vierter oder fünfter Generation bereits, wie sie erzählt. Mittlerweile hat ihr Bruder das Geschäft übernommen. War das Unternehmen zuvor auf Industriewaren spezialisiert, so führte es Loderer senior immer mehr in Richtung Kunst - mit dem Ergebnis, dass Bildhauer wie Josef Pillhofer oder Joannis Avramidis dort ein und aus gingen, später auch Erwin Wurm. Bei letzterem studierte Angelika Loderer später, fasziniert von dessen damals neue Herangehensweisen an die Bildhauerei. „"Ich habe bei Wurm gelernt, dass der Begriff der Skulptur sehr vielseitig interpretiert werden kann", erzählt Loderer, die zunächst mit dem Studium der Sportwissenschaften in Graz begonnen hatte - das sie später auch vollendete.
2011 schloss sie an der Universität für Angewandte Kunst ab - mit ausgezeichnetem Erfolg. Ihre Diplomarbeit jedoch, die sie in den luftigen Ateliers in der Rustenschacherallee aufgebaut hatte, die gibt's heute nicht mehr. Denn das Ephemere ist in Loderers Arbeit angelegt. „Pinker Schnee" heißt die Installation, in der gepresster Sand auf derangierte Wäschestände und wenig gefüllte Aquarien sowie eine eingequetschte Matratze stieß und fragile Gebilde formte. Und auch später entstandene Skulpturen existieren heute bisweilen nicht mehr: Eiszapfen, die von Wischmopps in Loderers Atelier in Peking hängen, wo sie mehrere Monate dank eines Stipendiums zubrachte. Gras, das sich zu Bergen türmt und von dem eine Art Gipsmaske abgenommen wird, das sie es nun in einer Ausstellung in Kornberg bei Riegersburg zeigt („Öffnung", kuratiert von Michaela Leutzendorff-Pakesch, 18. August bis 15. September 2013; Meierhof Kornberg, Dörfl 1). Verbogene Windschutzscheiben. Gerne arbeitet sie mit Materialien, die sie vor Ort findet und deren Bearbeitung - in guter Moderne-Tradition - von Zufall ebenso wie von Kontrolle gesteuert ist. „Ich experimentiere gerne", sagt die sportlich wirkende Künstlerin.
Doch bisweilen verfestigt sich auch das Vorübergehende, Ephemere in massiven, traditionellen Materialien. So goss Loderer etwa verlassene Maulwurfgänge oder Spechtbehausungen mit Gips aus und fertigte daraus Skulpturen aus Alu und Bronze von hohem ästhetischem und poetischen Gehalt. Es sind, auch wenn Loderer häufig trashige Materialien verwendet, grundsätzliche, ja geradezu klassische Themen der Skulptur die sie - auch - umtreiben. Sie erläutert: „Ich untersuche gern, wie weit sich Materialien ausreizen lassen."
Demnächst geht sie ein Stück weiter in ihrer Experimentierfreude: In Griechenland möchte sie Skulpturen und Installationen unter Wasser bauen - eines ist zumindest sicher: Die Arbeitsbedingungen werden sich wesentlich von jenen zu Lande unterscheiden. Auf Loderers neue Entdeckungen darf man gespannt sein. Vielleicht fliegt sie ja eines Tages noch auf den Mond. Die dortigen Gravitationsverhältnisse könnten sich als interessant entpuppen.
Nina Schedlmayer
Stand: August 2013