Zurück in die Zukunft
… oder vorwärts in die Vergangenheit treibt es Stefan Rothbart, wenn er mit geschultem Auge und sicherer Hand Geschichte(n) auf die Leinwand wirft.
Wenn man sich nur lange genug in der Kultur-, oder genauer: meiner Profession, der Filmbranche, herumtreibt, hier eine/n Jungregisseur/in, dort eine Alt-Produzenten-Größe (seltsamerweise immer von recht kleiner Statur?!) zwischen zwei schalen Partysnacks am Buffet inklusive unverfänglichem Smalltalk bei der letzten Filmpremiere beispielsweise eines - Ja, das muss sein! - Haneke-Dramoletts in Slow Motion trifft, so kann einem das Leben schon recht lau bis fad vorkommen. Umso mehr man sich, natürlich immer ganz selbstreferenziell offen, eingestehen muss, dass man ja selbst auch funktionaler Teil dieser öden Inszenierung aus angewandter Arroganz und dumpfer Selbstherrlichkeit ist. Desto größer ist da das Erstaunen und in Folge die Freude, wenn man mal auf jemanden trifft, der so gar nicht ins Schema „Filmmensch, Made in Austria" passt.
Der Grazer Jungfilmer Stefan Rothbart jedenfalls, anno 1986 mit weit offenem Objektiv das Licht der Welt erblickend, ist so ein Unikat, so ein freies Radikal in heimischer Szene. Allein sein Werdegang - von der Sporthauptschule, obwohl ihm die Welt der körperlichen Ertüchtigung eine terra incognita ist, bis zur HTBLA Eisenstadt, Unterabteiltung Maschinenbau, Ausbildungszweig Flugzeugtechnik, selbst wenn ihm die faktische Prägnanz des Greifbaren eher unbegreiflich bleibt - entspricht in keiner Weise der typischen Vita eines heimischen Filmkünstlers. Keine Filmakademie, kein medienkundlicher Lehrgang im „Diagonale"-Schatten, keine filmtheoretischen (Selbst-)Ergießungen nennt er sein Eigen. Dennoch scheint er geeigneter zu sein als die üblichen Verdächtigen, eine Geschichte filmisch zu transportieren. Und darum geht es ja schließlich!
„Wenn ich vor etwas Angst habe, ist es mir wichtig."
Ja, wichtig muss ihm das Medium schon sein, wenn man sich die stringente Konsequenz seiner bisherigen filmischen Laufbahn von der Gründung der eigenen Nachwuchsfilmplattform „Drop Out Films Graz" (2005) über einige recht interessante Kurzfilmproduktionen („Das Leben ist kein Traum" (2006), „Made in Thailand" (2010), „Suller" (2012)) bis zum ersten Langfilm, dem charmant-hintergründigen Graz-Krimi „Bell Canto" vor Augen führt. Angst? Nun, Angst vermochte ich dabei nicht zu erkennen. Eher schon Respekt. Eine gesunde und vor allem realistische Art des Zugangs zum Laufbild und seinen Möglichkeiten, die bei vielen das rechte Maß an Erdung vermissen lässt.
Rothbart-Filme, egal ob kurz oder lang, vermitteln sich im Dazwischen aus Arthouse und Entertainment, an der haarscharfen Linie an Filmerzählung, für die man hierorts kaum ein Händchen noch hat. Augenzwinkernder Pragmatismus und feiner Witz, gepaart mit einem überaus genauen Gefühl für Timing, lassen sich bei ihm genauso erkennen wie das Faszinosum am abgründig Dunklen menschlichen Verhaltens, das oft auch nur sekundenschnell aufblitzen zu lassen er seinen Protagonisten immer wieder gestattet. Spontan fällt einem da der 80er-Jahre-Hollywood-Liebling Joe Dante ein, der auf den ersten Blick immer süffiges Kintopp ablieferte, bei genauer Sichtung seines Œuvres aber einen gepflegten Anarchismus praktizierte. So könnte man die „Bell Canto"-Geschichte (nach dem gleichnamigen Roman von Heinz Auernig) um einen ermordeten Obdachlosen am Grazer Schlossberg missverständlich als behübschenden Hilfsmotor des Tourismus verstehen, bei einiger Klarsicht aber auch als hintersinnigen Kommentar zur Zuckergussmentalität hiesigen (Kultur-)Treibens. Die Wahrheit liegt also doch im Auge des Betrachters.
„Aus der Historie kann man sich sehr viel für die Gegenwart ableiten."
... Und manchmal liegt sie, bei Historikern, auch in der Phantasie. Damit jene aber auch fußt auf festem Grund, wenn man sich anschickt ihr den Mantel der Geschichte umzuhängen, oder ganz einfach: Ihr per Wort und Bild gerecht zu werden, widmet sich Rothbart wohl seit 2010 dem Studium der Geschichte (Ergänzungsfach Politikwissenschaften) an der Karl-Franzens-Universität Graz. Geschichte hat's ihm, dem heutigen Jungfilmer mit klarem Blick fürs Gestrige, irgendwie angetan. Nicht allein die Schlossberg-Location aus „Bell Canto" sei da als Beweis angeführt, nein, auch ein - no na - dem Grazer Hausberg gewidmetes Sachbuch („Der Grazer Schlossberg", 2013) aus der Reihe geheimer Geschichten rund um Österreichs Kulturdenkmäler. Wen wundert's da noch, dass mit seinem neuen Roman „1809 - Die letzte Festung", einer historisch-fiktionalen Aufarbeitung der legendären Verteidigung des Grazer Stadtmuggels gegen die napoleonische Besatzungsmacht, ein weiteres Mosaikteilchen des rothbartschen Geschichte(n)-Erzählens zutage tritt.
Der Roman, ganz in der Tradition eines Robert Harris oder Ken Follett und nicht minder spannend verfasst, wird 2014 erscheinen, versteht sich aber, so hört man munkeln, nur als fabuliertes Foyer zu einem großen Grazer Historienfilm über ein Thema, dessen Behandlung schon lange fällig wäre. Die Verbeugung vor dem Gestern, die beim Hochkommen im Heute ihre Verankerung findet, lässt ihn also nicht mehr los. Einem Heute, das sich aber für dieses Gestern nur in Maßen zu interessieren scheint; wenigstens soweit es die Finanzierung adäquater Filmprojekte betrifft. Weshalb Rothbart auch zum Wanderer zwischen den Welten Film und Literatur mutieren musste und muss. Und so bleibt nur zu hoffen, dass seinem allerneuesten, vorerst literarischen Projekt „Die Wahrscheinlichkeit des Krieges", einer Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg, zukünftig ein filmisches folgen möge.
Filme (Auswahl)
2005/06 Produktion mehrerer Kurzfilmprojekte
Kurzfilm „Killaz" [Drehbuch/Produktion]
Kurzfilm „Das Leben leben ist ein Traum" [Produktion/Produktionsleitung]
2008-10 „Bell Canto" [Regie/Drehbuch/Schnitt]
2010 Kurzfilm „Made in Thailand" [Drehbuch]
Diplomfilmprojekt „Damals im Sommer" [Co-Produktion]
Kurzspielfilm „Vitabox" [Kamera]
2011 div. Werbe-, Image- u. Auftragsfilme
2012 Kurzfilm „Suller"
2012/13 Dokumentation „Wurzeln und Spuren" [Regie/Produktion]
Bücher
2006 „Zur Hölle mit der Welt" [satirisch-politische Streitschrift]
2009 „Eine kleine Satire des Lebens" [satirische Streitschrift]
2013 „Der Grazer Schlossberg" [historisches Sachbuch]
2014 „1809 - Die letzte Festung" [historischer Roman]
„Die Wahrscheinlichkeit des Krieges" [historischer Roman; in Arbeit]
A. Heimo Sver
Stand: Jänner 2014