„Es zieht dich in eine Richtung, und du probierst es aus“
Die Fotografin und Soziologin Ulla Sladek fordert die Betrachter auf, Darstellungen zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden.
Der Weg war weder schwierig noch kompliziert, aber lange - bis sich Ulla Sladek als diplomierte Soziologin entschied, durch den Besuch des berufsbegleitenden Kollegs für Fine Art Photography & Multimedia Art an der Grazer Ortweinschule ihre Passion für die Fotografie mit Kenntnis und Wissen zu untermauern. Die dreijährige Ausbildung schloss sie 2013 mit einer Arbeit über „Schönheit und Körpernormen" ab: In einer Porträtserie hat sie zehn Frauen im Alter von 17 bis 83 Jahren fotografiert. Diesen unbearbeiteten Bildern wurden Bilder gegenübergestellt, die mittels Photoshop verändert worden sind: Die Haut wurde weich gezeichnet, Kinn und Nase geschmälert, Backenknochen mehr betont, Augen vergrößert und die Stirn höher gemacht. „Solche künstlich erschaffenen Gesichter, die wir zu Tausenden jede Woche in den Medien sehen, wirken auf uns und zwingen uns zu einem Vergleich und machen erst auf ‚Makel‘ aufmerksam", sagt Sladek. Und so werde uns ein neuer Schönheitsmaßstab suggeriert.
Die Soziologie und ihre berufliche Erfahrung beeinflusse ihre Fotografie auf alle Fälle, sagt die 34-jährige in Graz lebende Künstlerin. Auch bei ihrem aktuellen Projekt, in dem es um Geschlechterkonstruktion in der Fotografie geht, ist dies der Fall. Ziel von Sladeks Bildern ist es, bei den Betrachtern Fragen aufzuwerfen. Sie werden aufgefordert, die Darstellung zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Fotografie ist für Sladek ein Medium, das vielfältige Möglichkeiten bietet, um ihre subjektiven Beobachtungen festzuhalten oder Bilder, die sie im Kopf hat, umzusetzen. Neben der Auseinandersetzung mit Themen wie Schönheitsnormen oder Geschlechterrollen, für die sie Frauen und Männer im Studio aufnahm, interessieren sie Formen und Strukturen im städtischen Raum und der Natur. „In diesen Bildern kommen keine Menschen vor, sondern nur Spuren und Zeichen menschlichen Handels", erklärt die Fotografin.
In ihrer „Marien-Serie" hat sie über den Zeitraum von einem Jahr die Mariengasse im Grazer Bezirk Lend unter Beobachtung genommen und in regelmäßigen Abständen einen Blick darauf geworfen, der Fokus dabei war immer unterschiedlich. „Ich habe die Bilder langsam gesammelt", erinnert sich Sladek. Die Serie zeigt jeweils fünf Aufnahmen pro Jahreszeit - wichtig bei der Produktion war der Fotografin immer eine ähnliche Lichtstimmung festzuhalten.
Ein weiterer Aspekt, der in Sladeks Fotografien zum Einsatz kommt, ist die Verfremdung. Der Einsatz von technischen Mitteln wie beispielsweise Blitzlicht hilft ihr dabei, den Betrachtern Bilder zu zeigen, die sie in der Realität so nie sehen würden. Wie viele Bilder sie „schießen" muss, um das zu vermitteln, was sie den Betrachtern zeigen will? „Oft sind die ersten Bilder die besten, obwohl ich 30 Bilder pro Szene mache. Wenn ich drei Stunden wo stehe, könnte ich die letzten zwei Stunden oft weglassen. Im Winter könnte ich mir so die kalten Hände und Füße ersparen", erzählt Sladek, die Teil des FotografInnenkollektivs „blyf" ist. „Wir sind ein eher loses Kollektiv, in dem alle an ihren eigenen Projekten arbeiten." Im Mittelpunkt stehen der Meinungsaustausch, die gemeinsame Nutzung der Atelierräume im RONDO sowie das Teilen des Equipments.
Mit der Fotografie ist Sladek in die Welt der Kunst eingestiegen, aber sie denke durchaus darüber nach, in ihrer künstlerischen Tätigkeit weiterzugehen: „Ich habe nicht das Bedürfnis mich einzuschränken. Vielleicht kommt etwas, das die bisherige Konzentration auf die Fotografie aufweicht." Versuche abseits der Fotografie hat sie schon gemacht: Bei der Jahrespräsentation 2013 im RONDO war die Fotografie nur ein Teil des Werkes. Die Künstlerin hat sich den Teil einer Wand vorgenommen, um dort die Spuren der Vergangenheit aufzuspüren. Unter dem Titel „Befund" hat sie einen Teil der Wand in ihrem Jetztzustand abgepickt und gerahmt und rundherum die Wand abgeschliffen und neu ausgemalt. Dadurch wurden im Rahmen die Strukturen und die Spuren, die die Wand im Laufe der Jahre bekommen hat, sichtbar.
Ihr aktuelles Projekt ist eine Fotoausstellung im März 2014 in der Galerie G 69 in Graz. Darin beschäftigt sie sich damit, wie Geschlechterrollern in der fotografischen Praxis (re-)produziert werden. Weitere künstlerische Zukunftspläne sind für die berufstätige Soziologin noch in der Schwebe. Und so schweben ihr auch Projekte vor, die interdisziplinär sind, und in denen die Fotografie keine alleinige Hauptrolle mehr spielt.
Petra Sieder-Grabner
Stand: Februar 2014














