Die Band, die man nicht googeln kann
Die steirische Band Bender und ihr unverwechselbarer Art-Pop-Noir.
Auch wenn es der Albumtitel „Blender" ihrer im Mai 2013 bei Pumpkin Records veröffentlichten 10-Inch-Vinyl-EP suggeriert: Mit ihrer ersten Vinylpressung liefert die steirische Band alles andere als ein „Blendwerk" ab. „Blender" vereint die Ideen von drei kreativ-eigenständigen, aber schöpferisch-kooperativen Musikern und zeitigt musikalische Ergebnisse, die künstlerischen Anspruch auf stimmige und hörenswerte Art mit der geschmeidigen Eingängigkeit melodiöser Popmusik verknüpfen. Hierzulande besitzt das Trio auf dem Gebiet intelligent gemachter, aber jederzeit ihren emotionalen Kern in den Mittelpunkt stellenden Popmusik fast ein Alleinstellungsmerkmal. Der nicht immer einfache Balanceakt zwischen artifizieller Ambition und Pop-orientierter Produktion mündet in eine entspannte Lässigkeit, die den Songs jede Form von Rustikalität und Verschwitztheit nimmt. Die Einordnung in die „heimische Szene" gelingt bei dieser Band ebenso schwer, wie sich die Suche nach ihr bei Google als äußerst schwieriges Unterfangen erweist. Googelt man bei der Vorbereitung für ein Gespräch mit der Band den Bandnamen Bender, erhält man zwar Auskunft über den gleichnamigen humanoiden Roboter in der Science-Fiction-Zeichentrickserie „Futurama", über die deutschen Fußballprofis Lars und Sven Bender, über Hennes Bender, den Komiker aus dem Ruhrpott, über Firmen für elektrische Sicherheit und Autoverwertung, einen Filmverlag, ein Landhaus in der Steiermark und schließlich sogar über eine US-Hardrock-Band aus Milwaukee. Das Trio aus der Steiermark bleibt jedoch die Band, die man nicht googeln kann.
Emotionale Tiefe, vertonte Melancholie
So unzugänglich sich Bender in der Google-Welt präsentieren, so eingängig ist ihre Musik, obwohl die Band einen unverwechselbaren Sound entwickelt hat, der eine Brücke zwischen Eklektizismus, Modernismus und Zeitlosigkeit schlägt. Ein dezenter Perkussionsteppich und ein artifizieller Mix aus Gitarren, Bass, Piano und Keyboards bilden das musikalische Fundament des Bender-Sounds. Über allem schwebt aber die prägnante, charaktervolle Stimme von Rebecca Hofer, einerseits ein wenig entrückt, manchmal fast exaltiert, immer aber ausdrucksstark und voll tiefer Emotionen. Eine Stimme, in der man sich als Hörer verlieren kann, die einen quasi zu ihrem Gefangenen macht. Der Song „Love That I Design" steht exemplarisch für die EP - eine melancholisch-schwebende, warme Stimme, eingebettet in atmosphärisch-kühles Elektronik-Soundgewand. Der Song steht aber auch als einer von sechs Songs der EP exemplarisch dafür, was Bender darstellen: Nicht einfach eine Band aus drei Mitgliedern - Rebecca Hofer (Vocals), Chris Markart (Guitars, Keyboards, Bass, Piano, Programming) und Christoph Röber (Drums) - hat sich da zusammengetan, sondern ein produktives musikalisches Spannungsfeld wurde aufgemacht.
Gefunden haben sich die drei doch so unterschiedlichen Charaktere eher zufällig. Bei einer Theaterproduktion des Theaterzentrums Deutschlandsberg - Autor Mike Markart hatte Bruder Chris Markart um musikalische Unterstützung für sein Theaterstück gebeten - trafen der gelernte Schriftsetzer und die Absolventin des Ausbildungszweiges Kunst & Design der Grazer Ortweinschule aufeinander. Rebecca Hofers Sprechstimme beeindruckte Chris Markart so sehr, dass er sie zu einer gemeinsamen Jamsession mit Christoph Röber einlud.
Von Sri Lanka nach Wies
Das Trio hatte die ersten gemeinsamen musikalischen Versuche kaum hinter sich, als 2003 im Rahmen eines Kulturaustausch-Projekts eine Einladung zu einer Konzertreise nach Sri Lanka durch den dort lebenden steirischen Künstler Günter Herman erfolgte. So flott wie die Bandgründung erfolgte und so rasch sich erste Erfolge einstellten, so zögerlich und mühsam gestaltete sich die weitere Entwicklung des Bandprojekts Bender. Obwohl man ab 2007 durch das wöchentliche Proben und vermehrte Auftritte für Konstanz und Dynamik in der Bandentwicklung sorgte, dauerte es bis 2013, ehe man sich mit der Veröffentlichung der EP „Blender" (Pumpkin Records, Wies) über Insiderkreise hinaus Gehör verschaffte: mit ihrer Interpretation von Popmusik, die Musikalität, Kunstanspruch, Humor und Hingabe miteinander verknüpft. Bender verkörpern in jedem Ton ihre Idee von Sinnstiftung durch Popsongs: seelenvoll, hymnisch, melodramatisch, lyrisch, dynamisch. Während die zwei männlichen Mitglieder der Band, lebenserfahren und gelassen in sich ruhend, eher für den durchdachten und kalkulierten Zugang zu Aufnahme und Produktion stehen, ist es Rebecca Hofer, die als spontan und situationsbezogen handelndes Korrektiv auftritt und auf diese Art für die Balance zwischen akkurater Könnerschaft und lustvoller Kreativität sorgt. Das Zusammenwirken von souveränen Tüftlern mit Freude am Werkstück und dem ungezügelt-kreativen und genialischen Künstlertum einer Suchenden sorgt für ein Spannungsfeld, in dem professionelle Glätte auf charmante Naivität trifft und gerade dadurch wunderbare musikalische Ergebnisse zeitigt.
Bender sind auf jeden Fall jetzt schon ein österreichisches Unikat. Wohin die (musikalische) Reise geht, wissen die drei noch nicht so genau. Egal - wenn es das Trio mit seiner Musik weiterhin schafft, verborgene Seiten beim Hörer zum Klingen zu bringen und so eine Verbindung mit unseren tief verwurzelten Sehnsüchten zu herzustellen, ist ihnen ihr Platz im kleinen, aber feinen heimischen Popmusik-Kosmos sicher. Auch deshalb, weil sie „keine beliebige Allerweltsmusik produzieren, sondern eine gelungene Mischung aus Sound und Song", wie der umtriebige Kulturvermittler und Labelbetreiber (Pumpkin Records) Wolfgang Pollanz über seine Entdeckung einmal erläuterte.
Heimo Mürzl
Stand: Mai 2014