Interessant ist Schmuck erst dann, wenn er „lebendig“ wird
Das Besondere an der Künstlerin Nicole Maunz*: Ihre handwerklichen Arbeiten sind nur ein Teil eines Gesamtkonzeptes, das jeder Beschreibung widersteht.
Getriebenes Metall und filigrane Textilkunst - es sind die Gegensätze, die die Arbeiten der Ortweinschule-Meisterklasse-Absolventin im Hinter- wie auch im Vordergrund wirken lassen. Ihr künstlerischer Zugang zeichnet sich durch eine philosophische Komplexität aus und ist durchzogen von tiefgründigen Gedankengängen. Dabei war das am Anfang ihres künstlerischen Weges gar nicht so. Die gelernte Kindergärtnerin und studierte Pädagogin - immer im Sozialbereich tätig - war schon von jeher von Schmuck fasziniert. Ein Praktikum als Goldschmiedin hat den Wunsch verstärkt, selbst Schmuck zu formen und zu gestalten. Die Meisterklasse der Ortweinschule mit dem Ausbildungszweig Metallgestaltung zu besuchen, sah sie als eine willkommene Zusatzqualifikation und als ausgleichende Aufgabe zum Sozialbereich. In der Meisterklasse hat sie dann bemerkt, dass es viel mehr als eine Zusatzqualifikation ist. Ausschlaggebend dafür war ihr Professor, Wolfgang Rahs: „Er hat es forciert, dass wir den Schmuck weiterdenken, künstlerisch und eigenständig."
Die gewohnte Vorstellung von Schmuck, dass er immer tragbar sein soll oder dass er in gängigen Formen wie Ringe oder Ketten gebracht wird, sollten die Studierenden hinter sich lassen. Für Maunz war klar: „Ich kann mich darauf einlassen, wenn es weiter wird." In dieser künstlerischen Ausbildung kristallisierte sich für sie heraus, dass die rein künstlerische Art der Schmuckgestaltung Teil der bildenden Kunst ist. Mit der Abschlussarbeit hat Maunz künstlerischer Werdegang dann richtig begonnen. In der Meisterschule ist es üblich, eine Abschlussarbeit zu einer für die gesamte Ausbildungsklasse geltenden Themenstellung auszuarbeiten. Das Thema für Maunz hieß „Bernstein".
„Meine Arbeit ist von einem inneren Prozess geprägt und nicht von einem Thema von außen. Ich will in meiner Kunst frei agieren", sagt die Künstlerin. Daher konnte ihre Abschlussarbeit gedanklich erst entwickeln, als sie das vorgegebene Thema zu einer Nebensache werden ließ und sich stattdessen existentiellen Themen und Fragen zu Leben und Tod, in denen auch eine gewisse Schwere mitschwingt, widmete. Maunz möchte diesen Dingen Raum geben, damit sie wandelbar werden. Mit ihren Arbeiten, die ohne Titel und ohne Beschreibung auskommen, sperrt sie sich gegen eine allzu einfache Zugänglichkeit. Sie überlässt dem Rezipienten jede Möglichkeit der Assoziation, den Raum der Interpretation. „Es bleibt viel Platz für Phantasie und für viele Anknüpfungspunkte; Dinge, die nicht auf den ersten Blick schlüssig sind. Dinge, die Platz lassen, sich selbst einzubringen."
Performative Elemente
Weil Metallgestaltung und die künstlerische Arbeit dahinter in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werde, unterstreicht Maunz ihre Arbeiten mit performativen Elementen. Ihre Abschlussarbeit präsentierte die junge Künstlerin im Juni 2013 auf dem Steinfeldfriedhof in Graz. Die dortige Stille hat ihren Gedanken des Transzendentalen nur verstärkt. Schwarz gekleidet schob sie einen mit ihren Schmuck-Elementen ausgestatteten alten Kinderwagen zwischen den Gräbern durch.
Ihre jüngste Ausstellung „INSIDE", die im Frühjahr 2014 in der Galerie G 69 der Kultur Service Gesellschaft Steiermark zu sehen war, betrachtet sie als weiteren Teil eines Zyklus. Auch hier wurden Geburt und Sterben, Frei- und Eingesperrt-Sein thematisiert. - Für Nicole Maunz ist Schmuck untrennbar mit der menschlichen Kultur und Entwicklung verbunden: „Ein Schmuckobjekt, das in seiner Inszenierung eine gesellschaftliche Relevanz findet und zum Träger einer Aussage wird, die Selbstinszenierung und Performance zum Ritus."
Ihre bevorzugten Materialen sind Metall und Textilien. Am Metall fasziniert sie besonders die Technik des Treibens, in dem das Kupferblech auf einen Holzpflock zu einer aufgetieften Schale geformt wird. Dann wird es erhitzt und mit dem Hammer weiter beklopft, bis die Schale die gewünschte Form erreicht. Der dafür notwendige körperliche und energetische Einsatz ist für Maunz extrem wichtig. „Das Schöne dabei ist das Formbare - andere Arbeitsmöglichkeiten mit Metall unterliegen immer einem konstruktiven Denken." Das Arbeiten mit textilen Materialien sieht Maunz als Gegenteil, das sei für sie fast ein malerischer Akt, das Material erfordere in seiner Weichheit einen sensiblen Umgang - egal, ob durch Reißen, Färben oder Nähen.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Gesamtkonzeption ihrer Kunst ist die fotografische Inszenierung, durch die sie ihre Werke noch einmal in einen anderen Bezugsrahmen stellt.
Maunz möchte ihre Kunst immer spür- und berührbar gestalten, und sie erwartet sich eine Reaktion von ihrem Publikum: „Ich will die Menschen nicht unberührt lassen, daher gibt es auch den Raum der Performance."
Was ihre Zukunft anbelangt, hat die 35-Jährige viele Pläne. Sie möchte hinaus aus Graz, das ihr aber weiterhin Homebase bleiben soll, möchte andere Szenen und ein anderes Publikum kennenlernen: „Ich suche Herausforderungen, die aus dem Gewohnten hinausführen." Sie möchte mit ihrer Kunst nicht gefällig werden - die Sorge ums finanzielle Auskommen deckt sie mit einem Nebenjob ab. „Das ist wichtig, damit meine künstlerische Freiheit gewahrt bleibt."
Petra Sieder-Grabner
Stand: Juni 2014
*Die Künstlerin Nicole Maunz hat heiratsbedingt ihren Namen geändert und heißt nun: Nicole Cseh
(Sommer 2022)








