Maximale Spannung mit minimaler Form
Für Gerhard Raab besteht die Aufgabe der Kunst in der Reduktion. Nach dem Grundsatz „Weniger ist mehr“ zeigen die Arbeiten des gebürtigen Steirers zwei unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema: Während seine Grafiken und gestischen Zeichnungen dem Prinzip der informellen Kunst folgen, lässt sich vor allem in jüngeren Arbeiten eine Tendenz zu formalen Konzeptionen erkennen.
Gerhard Raab studierte Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Als er dabei die Gestaltung als seine wahre Leidenschaft erkannte, bewegte er sich weg von der Wissenschaft, hin zu einer aktiven Karriere als Künstler. Von 1993 bis 1997 studierte Raab Malerei und Grafik bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Darauf folgte das Studium der Bildhauerei bei Bruno Gironcoli, der Raabs künstlerisches Bewusstsein nachhaltig prägte: Für Gironcoli zählte nicht das Gefühl, sondern das Werk. Vor allem seine Kritik war es, aus der Raab großen Gewinn zog. Raab nahm an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland teil, seine Arbeiten wurden bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet.
Ich bin, was ich bin, weil ich bin, wie ich bin.
Authentisch zu sein ist in der heutigen Zeit notwendiger und zugleich schwieriger denn je. „Kunst muss eine Haltung spürbar machen", sagt Gerhard Raab und beschreibt damit eine Motivation, die sein Schaffen seit langem begleitet. In seinen Augen geht es nicht darum, einzigartig zu sein oder etwas Neues zu erfinden, sondern darum, eine eigenständige und ehrliche formale Sprache zu finden. Nur dann kann ein Künstler sein wahres Ziel erreichen und authentisch sein. „Die Menschen brauchen Kunst." - Eine Überzeugung, die Gerhard Raab sinnbildlich mit der Idee begründet, dass Kunst die einzige Möglichkeit ist, „den Menschen in einer Welt, in der es schon alles gibt, den Boden unter den Füßen wegzureißen." Kunst muss die Menschen irritieren und sie zur Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt inspirieren. „Es geht darum, dass etwas passiert, damit etwas passiert", kommentiert der Grazer seinen Ansatz und fügt hinzu: „Meine Kunst soll keine Antworten liefern, sondern immer neue Fragen aufwerfen."
Kunst darf nicht langweilig sein.
Gerhard Raab ist ein Minimalist. Als Aufgabe der Kunst versteht er die Reduktion. Die konkrete Herausforderung besteht für ihn darin, durch ein Minimum an Form eine maximale Spannung für den Betrachter zu erreichen. Diesem Ziel nähert er sich auf zwei verschiedene Arten: Ursprünglich orientierte er sich an den Prinzipien der informellen Kunst. Die Devise dabei lautet, sich während eines Schaffensprozesses so lange wie möglich nichts vorzustellen und für alles offen zu bleiben. Viele seiner Grafiken, aber auch seine gestischen Zeichnungen - Objekte aus Eisendraht - entstehen nach dieser Idee. Daraus ergibt sich ein ganz besonderer Kontrast. Die Arbeiten wirken spontan, obwohl sie das Ergebnis eines langen und oft anstrengenden Entstehungsprozesses sind. Neben der informellen Kunst arbeitet Raab in den letzten Jahren auch vermehrt mit formalen Konzepten. Egal an welchen Grundsätzen er sein Schaffen auch orientiert, eines darf in seinen Augen nicht passieren: „Kunst darf nicht langweilig sein! Sie muss immer neue Anreize liefern, damit man sich damit auseinandersetzt."
Barbara Jernej
Stand: November 2014
Der Artikel entstand in Kooperation mit dem Kulturmagazin „80".