Zwischen Poesie und Realität
Die ersten Fotos machte Franz Sattler Mitte der 1960er-Jahre als Partyfotograf für Freunde. Dann begeisterte ihn ein Mitglied des Weizer Fotoklubs für die Negativ- und Bildentwicklung in der Dunkelkammer. Durch den Umstieg auf digitale Techniken ist seine eigene Dunkelkammer schon jahrelang außer Betrieb, aber jederzeit wieder startklar. Die Leidenschaft zur Fotografie“ ist Franz Sattler über die Jahrzehnte geblieben.
Besucht man den Fotografen Franz Sattler in seinem Haus in Naas bei Weiz, 30 Kilometer östlich von Graz, ist man eingangs überrascht: Anstatt Fotos des Fotografen an den Wänden hängen zu sehen, findet man Arbeiten von heimischen Künstlern wie Günter Brus, Gustav Troger, Herbert Soltys, Werner Hofmeister und anderen. Im Wohnzimmer stapeln sich die Tonträger von Neil Young, Tom Waits, Jimmy Hendrix und Konsorten. Dazu plaudert Sattler über Rockmusik und den Sound seines Röhrenverstärkers aus den ehemaligen Tesla-Werken in Prag, „weil es muss ja neben der Fotografie auch noch etwas anderes geben." Seine große Leidenschaft ist jedoch die Fotografie, die der 1952 Geborene schlussendlich auch professionell als Fotografenmeister ausgeübt hat.
Poesie, Magie und Aussage
Mit seiner ersten Lehrlingsentschädigung als kaufmännischer Angestellter kaufte sich Sattler die erste Kamera. Bald schon drang der Gedanke durch, einen Schritt weiterzugehen, zu schauen, was die Fotografie noch alles kann. Bei seinen Fotoprojekten und Fotoarbeiten stellt er sich stets die Frage: „Wie gehe ich mit dem Thema um und wie kann ich es in Bilder transferieren?" Letztendlich interessiert ihn das Bild. Es sollte seiner sehr konkreten Vorstellung von Poesie, Magie und Aussage gerecht werden. Vor allem sollte es eine gewisse geheimnisvolle Aura besitzen, die den Betrachter in den Bann zieht. „Themen, die ich wähle, beruhen auf Wahrnehmungen, die mich persönlich bewegen", so der Fotograf.
Distanz und Sensibilität
„Es gibt Tage, an denen einem die Motive zufliegen und manchmal geht gar nichts. Was nicht weiter schlimm ist." Fotos gibt's also nicht auf Knopfdruck, doch sind die Fotos einmal gemacht, kommen die nächsten Schritte am PC. „Nach der Durchsicht bleibt eine engere Auswahl an Bildern zurück. Die kann ich durchaus einmal weglegen." Gut Ding braucht eben Weile. „Mit einem gewissen zeitlichen Abstand kann ich dann gut beurteilen, welche Bilder wirklich stark sind. Schlussendlich muss jedes Bild eine Geschichte erzählen." Manchmal ergibt sich daraus eine Bilderfolge, eine Geschichte mit einem großen Bogen, ideal für Ausstellungen. „Ich schätze Zurückhaltung, Distanz und Sensibilität. Ich persönlich halte nicht viel von ‚lauten‘ Bildern. Erst durch die Reduktion wird die Aufmerksamkeit auf Wesentliches fokussiert. Man muss von seiner Sache beseelt und überzeugt sein. Diese Leidenschaft mag ich sehr, denn nur so kommen außergewöhnliche Dinge zustande. Ich mag es eben, all diese Wahrnehmungen und Informationen zu dechiffrieren, in einen künstlerischen Kontext zu stellen."
Victory-Zeichen am Blumentopf
Fragt man Franz Sattler, wie er seine Bilder beschreiben würde, antwortet er ohne zu zögern mit „Poesie, Melancholie und Ironie". Tristesse und Melancholie ziehen sich eben wie ein roter Faden durch viele seiner Bilder: Ausgebleichte Plastikblumen auf Gräbern, eine verschwommene Spiegelung im Fluss, verwischte Bäume während einer Autofahrt, Detailmotive aus einem Vorhang. Das hat alles viel Gewicht, denn als Betrachter fühlt man sich den Motiven ausgeliefert und zugleich entlässt uns der Fotograf mit einem Augenzwinkern. Themen wie Heimat, Tod, Vergänglichkeit oder auch Religion behandelt er oft mit ironischem Feingefühl: Auf einem Foto hängt ein Hosenträger über einem Landschaftsbild, auf einem anderen zeigt eine kaputte Topfpflanze ein Victory-Zeichen. Dieser subtile Humor blitzt bei Sattler immer wieder auf.
Hände sind ein Thema
„Den Eiffelturm in Paris muss ich jetzt nicht fotografieren, den gibt's schon oft genug", stellt Franz Sattler ganz locker fest, ohne das wertend zu sehen: „Es muss jeder tun, was ihm wichtig erscheint. Es muss demjenigen etwas geben, der fotografiert." Trotzdem hat Sattler jetzt keine Berührungsängste mit stark fokussierten Ereignissen. „Ich habe mich auch mit dem Falcone-Mord der Mafia in Sizilien und dem Terroranschlag auf die Twin Towers künstlerisch auseinandergesetzt." Hier hat er Detailaufnahmen aus dem TV hergenommen und dem Ereignis durch bewusst eingesetzte Unschärfe seine eigene Sichtweise gegeben. „In New York haben wir zum Beispiel die Rettungsleute mit ihren helfenden Händen", meint der Fotograf. Hände sind für ihn überhaupt ein Thema: „Hände können helfen, zärtlich und liebevoll sein, aber Hände können auch töten." Hommagen an Anna Politkowskaja oder George Eastman sind ebenso Teil seiner Arbeit, um nur ein paar weitere Aspekte seiner Themen aufzuzeigen.
Das Bild muss stimmen
In puncto Technik, die ja unter Fotografen immer für Diskussionen sorgt, ist Sattler tolerant: „Ob man jetzt mit Leica, Nikon, Canon, einer Lochkamera oder mit dem Handy fotografiert, ist Nebensache. Wenn man jedoch die Technik beherrscht, schadet es mit Sicherheit nicht. Das Bild muss stimmen, so einfach ist das!" Was die Präsentation und den Druck oder die Ausbelichtung seiner Arbeiten betrifft, da ist Sattler, dessen Bilder bereits in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen waren, ein absoluter Qualitätsfetischist. Hier muss alles „Museumsqualität" haben. Sattler lächelt, erhofft sich als Optimist weitere 100 Lebensjahre, denn an Themen, die er noch fotografisch erarbeiten will, fehlt es ihm nicht. Kunst ist und bleibt für ihn ein ganz besonderes Lebenselixier.
Martin G. Wanko
Stand: Februar 2015









