Freundliche Faustwatschen
Der Multiartist KRI Kammerhofer teilt in seinen Arbeiten verspielt Schläge aus.
Unter dem Titel „Playful Punches" erschien 2013 ein Katalog Christian KRI Kammerhofers, in dem Heimo Steps die darin versammelten Arbeiten charakterisiert, sie „können freundliche Faustwatschen, sanfte Magenstrudel oder traurige Humoresken sein - oft sind sie das alles in einem." Als ich mich nach unserem Gespräch, von dem hier die Rede sein soll, von KRI verabschiedete, bat er mich - freilich mit ironischem Schmunzeln -, ich möge doch über ihn schreiben, er sei einer jener Künstler, von denen erzählt wird, dass er keinem Streit aus dem Weg geht, der Schrecken aller Ausstellungseröffnungen sei, immer für einen Skandal gut, ein Raufbold, eben das personifizierte Klischee des Künstlerrabauken. - Also bitte, gern geschehen.
Zuvor hatten wir uns nämlich über einen jungen österreichischen Künstler unterhalten, der, so geht die Mär, sein Unwesen nach solchem Modell in Los Angeles treibt und damit versucht, sich berühmt zu machen. So viel wusste Kammerhofer zum Auftreten dieses Kollegen zu erzählen, während uns beiden von dessen Kunst nichts bekannt ist. Immerhin soll er immense Preise erzielen. Auch wenn Punches eine gewisse Rolle spielen, geht Kammerhofer allemal subtiler ans Werk. Gegenüber seiner Person, so die im Gespräch vermittelte Haltung, ist es jedenfalls die Kunst und deren Relevanz, die im Vordergrund zu stehen hat - durchdacht, in mehrfachem Sinn hintergründig, von einer gewissen Ironie getragen, die sich in der Interpretation immer wieder als vielschichtig erweist.
Kindlicher Berufswunsch: „Maler wie Rembrandt"
„Wie bei den anderen auch", erzählt Kammerhofer, gab es keinen benennbaren Zeitpunkt, ab dem er sich mit Kunst beschäftigte respektive war da keine Entscheidung, Künstler sein zu wollen. Im Alter von sieben Jahren hatte er einen Zeichenwettbewerb gewonnen. Daraufhin wurde er in der Volksschule gefragt, was er denn einmal von Beruf werden wolle. „Maler", hatte Christian damals geantwortet, „wie Rembrandt." Das war der einzige Künstler, den er damals kannte, namentlich zumal. Aber die Richtung immerhin war schon ins Auge gefasst. In Kindberg absolvierte er die Lehre zum Vergolder und Staffierer und arbeitete danach ungefähr zehn Jahre in diesem Beruf. 2003 schloss er die Meisterklasse für Bildhauerei bei Erwin Talker an der Grazer Ortweinschule ab. Um Ausstellungsmöglichkeiten habe er sich bis dahin allerdings nicht gekümmert. Erste Beteiligungen ergaben sich, „zwangsläufig", erst während der Zeit an der Ortweinschule.
Tendenz zur Plastik
Als bildender Künstler ist Kammerhofer keineswegs auf ein bestimmtes Medium fokussiert. Im Grunde geht es ihm darum, eine Idee in der ihr möglichst entsprechenden Form umzusetzen beziehungsweise das entsprechende Medium zu finden. Und das geschieht, wie auch das inzwischen entstandene Œuvre zeigt, mittels Malerei, Grafik, Fotografie, Video, Performance beziehungsweise dem, wofür es immer noch keine vernünftigere Bezeichnung gibt, der Medienkunst. Allerdings besteht auch eine deutliche Tendenz zur Plastik und zum Objekt in einer jeweils inhaltlichen Verbindung zur konzeptuellen Kunst. In einem Begleittext zur Ausstellung „KRIstallisation", die im Frühjahr 2015 im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten zu sehen war, verweist Iris Uranitsch auf ein Statement Kammerhofers, nach dem für ihn „Kunst ... immer schon ein Hoffnungsträger gewesen" sei, „um soziale und politische Hierarchien zu überwinden." Neben etlichen möglichen Beispielen, die hier angeführt werden könnten, äußert KRI seine aufmerksam kritische Haltung in Form unangemeldeter Interventionen im öffentlichen Raum, wie einer 2012 am Geländer der Grazer Hauptbrücke angebrachten Rampe, an deren Ende ein nachgebildeter Eisbär, ein circa 60 Zentimeter großes Stofftier, hoch über der Mur sitzt. Der Eisbär macht einen denkbar traurigen Eindruck und zu lesen war daran der Schriftzug, „Ich möchte kein Eisbär sein in dieser Zeit ... trotzdem Ja zum Leben sagen". (Auf YouTube kann man ein kurzes Video der Aktion ansehen: www.youtube.com/watch?v=32ay0Bb_UJE.) Abends angebracht, war die Installation erwartungsgemäß bereits am nächsten Vormittag verschwunden. Wichtig an solchen freundlich subversiv angelegten Eingriffen ist es KRI, keinesfalls fremdes Eigentum zu beschädigen.
Gegenstände, festgezurrt
Noch ein Beispiel: Im Zeitraum 2008 bis 2009 befestigte KRI kleine Gegenstände - Stofftiere, Batterien, eine Packung Zigarettenpapier - mit Kabelbindern und Schaumgummipolstern an Trägern von Verkehrszeichen. Sichtlich, durch Festzurren, wird physischer Druck auf die Gegenstände ausgeübt. Der metaphorische Gehalt dieser Aktion - gesellschaftlicher Druck, Pflicht, Ordnung - erschließt sich letztlich über die fotografische Dokumentation unter dem Titel „Drucksache".
Titel, sagt KRI, während wir in seinem Katalog blättern, gäbe es zu seinen Arbeiten immer seltener. Serientitel zwar, die wie im Fall von „Knäckebrot" eigentlich nur auf das Ausgangsmaterial verweisen, mit dem er etwa eine Kamera mit Stativ nachbaut oder kleine Häuser, wie man es ja auch von Lebkuchenbäckerei kennt. „Knäckebrot ist ein super Material." Der gelernte Bildhauer überträgt die Brot-Objekte dann aber in den Bronzeguss und nennt eine Serie von an Hütten erinnernde Objekte „Slum". Suggeriert werden so einmal mehr existentielle Anliegen in Verbindung von Brot als Grundnahrungsmittel mit der Suche nach Schutz des sich ausgeliefert findenden Individuums. Malerisch wird das Thema weitergeführt in Bildern von hausähnlichen Strukturen, immer in Assoziationen, wie KRI erklärt, zwischen Schutzhülle, Haut und Haus, Fenster und Augen, Kopf und Dach. Aber Titel wären dabei Schranken, die mögliche Interpretationen zu sehr in eine Richtung lenken.
Fiktive Topografien
Ein aktuelles Projekt soll, weil in Vorbereitung zur Einreichung bei einem Wettbewerb in Tirol, nur seinem Prinzip nach beschrieben sein: Einigermaßen überraschend erscheint, dass sich Kammerhofer nicht auf die Methode der Collage in der bildenden Kunst bezieht, vielmehr auf William Burroughs literarisches Verfahren des Cut-ups. KRI allerdings zerschneidet nicht Textteile, um sie nach seinem Ermessen neu zu ordnen, sondern Straßenkarten und erstellt damit fiktive Topografien. Zur Teilnahme an einer Schau in Gleisdorf, die im Juni 2015 stattfand, brachte er dagegen die schriftlichen Absagen vergangener Jahre, die er nach Bewerbungen zu Ausstellungen oder infolge Ansuchen um Förderungen erhalten hat. „Leider müssen wir Ihnen mitteilen ..." oder „ ... und alles Gute für Ihre weitere künstlerische Arbeit ..." ist nun mit persönlichem Stempel versehen, mit Karikaturen überzeichnet und wie üblich signiert mit „KRI". Der Namenszug Kammerhofer ChRIstian „ist für eine Signatur viel zu lang."
http://www.christiankrikammerhofer.at
Wenzel Mraček
Stand: Juni 2015
*1971 in Bruck an der Mur
Ausbildung
1987-1990 Lehre als Vergolder und Staffierer, Kindberg
2001-2003 Meisterklasse Bildhauerei bei Prof. Erwin Talker, Graz
Solo-Ausstellungen
2015 KRIstallisation, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
2012 geKRitzel, Galerie Eugen Lendl, Graz
2011 irReal, KHG-Galerie, Graz
2010 defeKt, Galerie Eugen Lendl, Graz
2009 "profaner Altar": Galerie kunst.wirt.schaft, Graz
2007 "meine Nachbarn": Fotogalerie Grazer Rathaus, Graz
Videos
Unter KRI Kammerhofer auf http://www.youtube.com
Galerien-Vertretung
Galerie Eugen Lendl, www.eugenlendl.com
kunst.wirt.schaft, www.kunstwirtschaft.at
Reinisch Contemporary, www.reinisch-contemporary.com