Leidenschaft in Wort und Bild (*)
Johann Wolfgang Lampl, mit dem Künstlernamen Jimi Lend, ist ein Wortaktivist in unterschiedlichen Rollen: als Schauspieler, Musiker, Regisseur, Poet, Begründer und Leiter des internationalen Kunstkollektivs „Vitamins Of Society“.
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Alle seine kreativen Tätigkeiten sind von einer Emotion geprägt, die sich wohl jeder berufstätige Mensch wünscht: der Leidenschaft. Der ausgebildete Schauspieler – er hat das Schauspielstudium an der Kunstuniversität in Graz (KUG) 2003 abgeschlossen – fühlte sich sein Leben lang vom Theater begleitet. Seine Großväter, Bauern in der Südweststeiermark, spielten in Bauerntheatern, und sein Vater ist nach wie vor leidenschaftlicher Volksschauspieler. Als Lampl während seiner Gymnasialzeit, in der Dreihackengasse in Graz, bei einem Gastspiel im Theater im Keller, das ihm Niki Lechthaler vermittelt hatte, entdeckte, dass Schauspiel tatsächlich ein Beruf ist – war sein Entschluss, diesen Ausbildungs- und Berufsweg einzuschlagen, schnell gefasst.
Lampl wurde im Juli 1999 auf Anhieb in die Schauspielklasse an der KUG aufgenommen. Für die Zulassungsprüfung musste er drei Rollen erarbeiten, wobei ihn der 2014 verstorbene passionierte Theatermacher Norbert Hainschek (Theater im Keller) unterstützte. 2002 wurden Lampl und seine Schauspielklasse für die Aufführung von Werner Schwabs Wirtshausdrama „ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM”, in der Inszenierung von Peter Gruber, mit dem Max-Reinhardt-Preis für Schauspiel-Studierende sowie dem Publikumspreis beim Treffen der deutschsprachigen Schauspielschulen in Essen (D) ausgezeichnet. Diese Produktion war 2003 als deutschsprachiger Vertreter beim Welttreffen der Schauspielschulen in Moskau zu Gast und wurde auch ein Monat lang im Wiener Ensemble Theater aufgeführt, wo Lampl seine Liebe zu Wien entdeckte.
Gemeinsam mit seinem Schulfreund, dem Schriftsteller Johannes Schrettle, gründete Lampl 2002 die „little drama boyz“, eine Künstlervereinigung, aus der in weiterer Folge die „Zweite Liga für Kunst und Kultur“ entstanden ist. Die beiden Künstler erarbeiteten gemeinsam Stücke mit realpolitischem Hintergrund und gesellschaftspolitischem Bezug, die bei UniT oder im Forum Stadtpark in Graz in unterschiedlichsten Besetzungen (ur)aufgeführt wurden.
Schreiben selbst war stets eine Leidenschaft von Lampl: „Ich wollte ursprünglich Dichter werden.“ Er habe immer schon geschrieben, und vor allem dramatische Texte haben ihm immer schon getaugt. Im Schauspiel aber habe er seinen Körper als Ausdrucksmittel entdeckt. Und das passt auch gut zu seiner nächsten Leidenschaft: dem Poetry Slam. Als Jimi Lend zählt Lampl seit 2004 zu den Urgesteinen der österreichischen Slam-Szene – und der daraus von ihm entwickelten Form „Drama Slam“ (2007): Autoren schreiben kurze szenische Texte in einer maximalen Länge von 10 Minuten, die von Schauspielern „a prima vista“ (auf den ersten Blick) nach Regieanweisungen des Autors vom Blatt gelesen, spontan interpretiert und dargestellt werden. Das Publikum entscheidet nach einem ausgeklügelten Punktesystem über Text und Darbietung. Insgesamt hat Lampl 29 derartige Veranstaltungen im In- und Ausland – bis nach St. Petersburg – abgewickelt. Den nächsten Drama Slam wird er im Rahmen seines Atelier-Auslandsstipendiums des Landes Steiermark in Sarajevo, gemeinsam mit bosnischen Künstlern, organisieren.
Eine weitere Leidenschaft gehört der Musik. Seine Band „Lickedeela“ (2004–2012) war sicht- und hörbares Zeugnis dieser Passion. Der Name „Lickedeela“ sollte an die Gesinnung des berühmt-berüchtigten norddeutschen Piraten Klaus Störtebeker erinnern, einer Art „Robin Hood der Meere“, der in der Zeit der streng hierarchisch strukturierten Gesellschaft des Mittelalters seine Beute gerecht unter seinen Leuten teilte. Lickedeela heißt in etwa Gleichteiler: „Für mich sind das Urkommunisten, weil jede Piratenfamilie daheim den gleichen Anteil der Beute bekommen hat“, sagt Lampl zum Hintergrund des Bandnamens. Die Band bestand aus einer Besetzung von drei bis sechs Leuten – darunter Jörg Haberl und Daniel Kern –, spielte von Lampl getextete Lieder, gab zahlreiche Auftritte und veröffentlichte ein paar Stücke im Internet. Auch in der österreichischen Filmlandschaft ist Lampl vertreten, aber wie er selbst sagt, noch in „Mini-Futzi-Rollen“ – so zum Beispiel als Sanitäter in Wolfgang Murnbergers „Der Knochenmann“, in Harald Sicheritz mehrteiliger Serie „Mutig in die neuen Zeiten“ oder im deutschen Doku-Drama „Dutschke“.
Doch zurück zur Theaterleidenschaft des 35-jährigen Künstlers. Schon seit einigen Jahren gestaltet Lampl das Sommertheater auf dem elterlichen Hof „Mathans“ (St. Ulrich im Greith) oder auch im „Waldtheater Wenzel“ (Eibiswald). Unter Einbeziehung der örtlichen Volks- und LaienschauspielerInnen und gemeinsam mit ProfischauspielerInnen und -musikerInnen werden Stücke aufgeführt, in denen die „Vitamins Of Society“ globale Fragen in den regionalen Kontext verorten. 2015 hatte das Stück „SANKT FIGHT – Angriff der Außersteirischen“, eine Science-Fiction-Story, das brisante Migrationsthema zum Inhalt. „2016 wird es sich um ein Mittelalterstück handeln, in dem Auswege aus dem permanenten Krieg oder der Übergang zur Renaissancezeit gesucht werden“, verrät Lampl. Jedes Jahr gibt es rund zehn Vorstellungen des „Vitamins Of Society“-Theatersommers, die jährlich von rund 1000 begeisterten Menschen besucht werden. Lampls Vater spielt zeitweise mit, sein Bruder, der bekannte Filmschauspieler Harry Lampl sowieso, seine Schwester Brigitta schneidert die Kostüme und seine Mutter kümmert sich um das außerordentlich beliebte Catering und die Theaterkassa.
Lampls Stücke und Texte entspringen einem Impuls oder Gedanken, entwickeln sich in einer gewissen Spontaneität. Manchmal gibt es aber auch konkrete Aufträge für ein Stück oder einen Text. „Fürs Überleben ist das notwendig“, weiß der vielseitige Künstler. Prinzipiell möchte er sich aber treiben lassen, lebt von der Kunst und plant seine Arbeiten „auf Sicht“. Seine „Love & Peace“-Lebenseinstellung zeigt sich auch in der Idee seiner internationalen Künstlervereinigung „Vitamins Of Society“, denn „Kunst und Kultur arbeiten für den globalen sozialen Körper wie Vitamine für den menschlichen“.
Lampls berufliche Visionen für die Zukunft? – Er würde gerne die hochaktuellen Stücke des Theatersommers in die Städte bringen und mit der Zeit auch an etablierten Theatern inszenieren. Er wäre auch gerne ein Charakterdarsteller in einem richtig großen Film, und mit 80 Jahren sieht er sich in New Orleans als Bluessänger mit einer Ukulele.
Und übrigens: Sein Künstlername Jimi Lend, unter dem er 2013 seinen ersten Gedichtband „Mundlandungen“ in der Edition Kürbis veröffentlichte, ist eine Hommage an die Ausnahmekünstler Jimi Hendrix & Jim Morrison, kombiniert mit dem Namen des Grazer Wohnviertels seiner Kindheit.
April 2016
Petra Sieder-Grabner
* Update 2024: Das Schreibjahr des Jimi Lend
Jimi Lend alias J. Wolfgang Lampl hat 2024 zum „Schreibjahr" erkoren. Neben Auftritten bei Literatur-Großveranstaltungen in Turin und Brüssel hat er als Auslandsstipendiat am Literarischen Colloquium Berlin (LCB) auch an seinem neuen Lyrikband gearbeitet. Ein Gespräch mit dem Künstler.
Du warst im Mai in Berlin am Literarischen Colloquium und wirst im Oktober noch einmal fahren. Wie war die erste Hälfte deines Aufenthaltes?
Jimi: Wunderbar. Das Literarischen Colloquium ist in einer riesigen alten Villa am Wannsee untergebracht. Es hat einen eigenen Seezugang, es gibt einen großen, schönen Park, es ist ein genialer Platz. Die Stadt im Rücken pulsiert und brodelt, aber rund um das LC ist es mehr wie in einem Villendorf. Es waren super spannende Leute zugleich mit mir dort, viele aufstrebende Schriftsteller*innen, die gerade ihr erstes Buch veröffentlicht haben. Im LC gibt es eine Gemeinschaftsküche, wo man die anderen trifft und wo man sich teils gemeinsam im Selbstmitleid suhlt. Es ist manchmal wie in einem Sanatorium, wenn alle herumgehen und brüten. Da gab es so Gespräche zwischen den gleichzeitig mit mir gastierenden irischen Autorinnen wie: „I just wrote seven words this morning." - „Oh, so many?!"
Konntest du Kontakte zu anderen Autorinnen und Autoren knüpfen?
Ja, es fand ein super Austausch statt, unter anderem im Zuge des Hausgäste-Leseabends. Für den habe ich mich auch dreimal mit meiner eigenen Germanistin getroffen, um die Texte und das Programm zu besprechen, obwohl es nur ein relativ kurzer Abend war. Diese Aufmerksamkeit, das Fokussiert-Sein aufs Schreiben, das war einfach schön.
Ein neuer Platz ist einerseits sehr anregend, andererseits hat man manchmal ein Projekt im Kopf, und es passt nicht zum Ort, zur Residency. Wie war das bei dir in Berlin? Konntest du gut arbeiten?
Bei mir war das genial. Ich bin da einfach auf der Terrasse oder unten am Wasser gesessen und konnte die Worte einfach laufen lassen. Ich war komplett inspiriert und offen. Auch die Geschichte, die dort allgegenwärtig ist, spielte dabei mit. Gleich gegenüber ist das Haus, in dem 1942 die Wannseekonferenz stattfand, das ist sehr präsent. Das ist sehr speziell, aber auch sehr anregend.
Hast du an einem konkreten Projekt gearbeitet oder hast du ins Offene hineingeschrieben?
Ich war Mitte Mai Gast bei der Buchmesse in Turin und wollte dafür etwas Neues schreiben. Und im Herbst bin ich zum Festival „Transpoesie" in Brüssel eingeladen. Ich habe an meinen Lyrik-Performances für diese Events gearbeitet und einfach kommen lassen, was an Material kommen wollte. Ich schreibe quasi automatisch und wähle dann aus. Beim Schreiben geht es oft zwei Stunden dahin, da kommt viel Material heraus, und dann muss ich verdichten und schauen, was Brauchbares dabei ist, um es weiter auszuarbeiten.
Jimi Lend stand im Sommer 2024 mit dem von ihm ins Leben gerufenen Theater- und Performancekollektiv im Stück „Jameregg II" (Text: Jo Schrettle) auf der Bühne in Graz und St. Ulrich im Greith. Zudem tourt er in der Dramatisierung von Reinhard P. Grubers „Aus dem Leben Hödlmosers" als Ursteirer durch die steirischen Lande. Auch im Fernsehen und auf der Kinoleinwand ist Lampl ein gefragter Darsteller. Für seinen Lyrikband in Arbeit (feuilles van de herfst) ist er noch auf Verlagssuche.
Werner Schandor
August 2024