Der springende Punkt in der Musik (*)
Der vielseitige junge Musiker Moritz Weiß verführt durch Klezmer-Musik, komponiert und arrangiert und sieht in allen musikalischen Systemen kulturelle Zusammenhänge.
Direkt zum *Update 2020
Er ist 20 Jahre jung, maturierte im Frühling 2016 am Musikgymnasium Dreihackengasse in Graz und studiert seit Herbst 2016 an der Privaten Musikuniversität Wien Instrumental- und Gesangs-Pädagogik. Das gemeinsame Musizieren, der Umgang mit Musik und ihre Entfaltung ist Weiß quasi in die Wiege gelegt. Der Vater ist Geigen- und Drehleiherbauer, die Mutter Kantorin in Fürstenfeld, wo der 20-jährige Künstler mit seinen Geschwistern und Eltern aufgewachsen ist. Im Leben von Weiß gab es ein paar entscheidende Eckpunkte, wo ihm klar wurde, dass die Musik zu seinem Beruf werden würde. Bereits im Kindergartenalter begann seine musikalische Ausbildung mit Blockflötenunterricht, und mit acht Jahren griff er zur Klarinette. Er besuchte die Musikschule in Fürstenfeld und Ilz, bekam Privatunterricht und ließ die Klarinette - oder sie ihn - nicht mehr los. Die nächsten wichtigen Stationen waren der Wechsel an das Grazer Johann-Joseph-Fux-Konservatorium und an das Musikgymnasium Dreihackengasse.
Weiß wollte schon immer mehr, als sich nur „klassisch“ mit seinem Instrument auseinandersetzen. Die endgültige Hinwendung zur Musik kam, als er sich mit 15 Jahren erstmals bewusst mit Klezmer-Musik auseinandersetzte. Er widmete auch seine Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA, Teil der Matura) ganz diesem Thema. Klezmer ist eine traditionelle Instrumentalmusik osteuropäischer Juden. Bei seiner Recherchearbeit zur Philosophie und Herkunft dieser speziellen Musikrichtung machte sich Weiß auch viele persönliche Gedanken über seinen Umgang mit Musik. Klezmer sei tief in der jüdischen Kultur verankert und bestehe aus zwei Wortteilen: zum einen aus dem Wort "kli" (Gefäß) und "zemer" (Musik). Das Gefäß trage die Gabe in sich, auf die Ursubstanz, die Urkraft, der Welt zurückzugreifen und diese an sein Umfeld weiterzugeben. „Das ist für mich der grundlegende Zugang zur Musik. Das genau ist die Idee, die hinter dem Musizieren steht", sagt Weiß. Es seien die Ausdruckskraft und die Emotionen, die ihn dabei am meisten faszinieren. Für ihn stellte sich in der Auseinandersetzung aber auch die Frage, ob es ihm überhaupt „erlaubt“ sei, diese Musik, die eindeutig aus einem anderen Kulturkreis als dem seinen stamme, zu spielen. Der bekannte Grazer Musiker und Psychotherapeut Aron Saltiel versicherte Weiß in einem Gespräch jedoch, dass es egal sei, aus welcher Kultur man komme, jeder könne alle Musik der Welt gestalten.
Viel schwieriger sei es, Klezmer heute stilistisch zu definieren, so Weiß, da diese Musik, je nachdem, wo sie gespielt werde, ganz anders klinge: in Russland anders als in Israel, in den USA, beeinflusst durch Jazzelemente, anders als in Südamerika, wo der Tango mitschwinge. Neben dem philosophischen und mystischen Hintergrund aber liebt Weiß vor allem der die Lebendigkeit, die diese Musik in sich trägt. Das erinnere ihn an seine Kindheit und das gemeinsame Musizieren mit Freunden daheim bei seinen Eltern, in der Kirche oder im Dorf. Inhaltlich thematisiert ist in der Klezmer-Musik das historische Schicksal der Juden, immer aufs Neue vertrieben worden zu sein und sich immer wieder auf eine strapaziöse Suche und einen hoffnungsvollen Neuanfang begeben zu müssen. Musikalisch drückt sich dies in einem modularen Aufbau, Chromatik und Halbtonschritten aus, die Melancholie verströmen.
Seit Jahren spielt Weiß in unterschiedlichen Formationen. Seine erste Band hieß „Klesh'ma“, im Grunde ein Pop-Rock-Besetzung mit Schlagzeug, E-Bass, Klavier und Klarinette als Stimme. Derzeit musiziert er gemeinsam mit dem Kontrabassisten Maximilian Kreuzer und mit Niki Waltersdorfer als „Moritz Weiß Klezmer Trio“. Der Schlagzeuger Waltersdorfer spielt in dieser Formation Gitarre. Weiß dazu: „Als Perkussionist spielt er rhythmisch sehr versiert.“ Anregung für die Gründung und Vorbild des Trios ist u. a. der argentinische Klezmermusiker Giora Feidman.
Weiß' leidenschaftliche Beschäftigung mit der Klezmer-Musik ist aber nur ein kleiner Teil seines Musiker- und Komponistenlebens. Seit fünf Jahren lernt er auch Klavier und seit zwei Jahren Cembalo, und er beschäftigt sich intensiv mit alter Musik. Zudem liebt er Johann Sebastian Bach und dessen Polyphonie, ist fasziniert von der Aussetzung des Generalbasses, komponiert und arrangiert selbst und spielt in unterschiedlichen Besetzungen klassische Klarinette. Sein Musik-Studium empfindet er als vielseitig und abwechslungsreich. Ein reines Konzertfach-Klarinetten-Studium wäre ihm zu wenig und zu eindimensional gewesen. Sehr wertvoll an seiner umfassenden Ausbildung sei für ihn auch der pädagogische Teil, der die Persönlichkeit forme und ihn zu einem Musikbotschafter mache. Abseits von Konzerten und dem strengen Spiel nach Noten liebt er das atonale freie Improvisieren, das sich je nach Stimmung und Gefühlslage in einem Live-Konzert ergibt: „Das Muszieren weg von Regeln gibt mir eine große Freiheit.“
Weißʼ Tage und Pläne sind voller Musik. Es sind Auftritte mit seinem Trio geplant wie auch eine CD-Aufnahme, er spielt da und dort Cembalo oder Klavier und lässt auch das „klassische“ Klarinettenspielen nicht zu kurz kommen. - Es scheint, dass keine Minute seines Lebens ohne Musik oder Klang vergeht. Weiß hat in seinem jungen Leben schon viele Einblicke in seine musikalische Vielfalt gegeben, und viele Einblicke warten noch darauf, gewährt zu werden.
Petra Sieder-Grabner
Jänner 2017
*Update 2020: Text zum Morgenstern-Preis
„Es ist eine große Ehre und Anerkennung", freut sich Weiß über den Morgenstern-Preis. „Es ist ein schönes Gefühl und grandios, ein steirischer Kulturpreisträger sein zu dürfen." Dies helfe ihm auch gegen die schwachen Momente, wenn er sich als Künstler nach der Sinnhaftigkeit seines kreativen Lebens fragt: „Das ist eine offizielle Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein." Das Preisgeld finde er total lässig, denn das ermöglicht ihm nun, „Ideen aus der zweiten Reihe" zu verwirklichen. Und Ideen hat er mehr als genug. Seit früher Jugend befasst sich Moritz Weiß aktiv mit Klezmer-Musik. (s. o.) Das 2016 gegründete Trio mit Maximilian Kreuzer (Kontrabass) und Niki Waltersdorfer (Gitarre) ist nach wie vor eine Grundkonstante im musikalischen Leben von Weiß.
Um all seine musikalischen, inhaltlichen, organisatorischen Pläne unter einen Hut zu bringen, hat Weiß den Verein „Styria Klezmer Connection" gegründet. Seine Projektpalette reicht vom Duo (gemeinsam mit dem Akkordeonisten Ivan Trenev) über das Trio bis hin zu „Vocal Klezmer Sounds", das sind mehrere Musiker plus Chor. Daneben studiert Moritz Weiß nach wie vor Instrumental- und Gesangs-Pädagogik (Fach: Klarinette) sowie Musikerziehung und Psychologie/Philosophie für das Lehramt. Nebenbei unterrichtete er Klarinette bei den Wiener Sängerknaben und etablierte in Wien ein „Klezmer Session"-Programm. Weiß war schon zweimal mit seinem Trio beim internationalen Festival „KlezKanada" zu Gast und wurde sogar in das Scholarship-Programm dieses weltweit größten Festivals für Klezmer und jiddische Musik aufgenommen.
Mit seinem Trio erhielt Weiß für drei Jahre - bis 2022 - einen Platz im Langzeitförderungsprogramm NASOM („New Austrian Sound Of Music"), was internationale Auftritte mit sich bringt. Im Februar waren die drei Musiker eine Woche in Istanbul, danach folgte ein Auftritt in Wien und anschließend in Bratislava. Corona hat nicht nur diese intensive Reisetätigkeit des musikalischen Botschafters jäh gestoppt und ihn zu einer ohnehin erwünschten Ruhepause gebracht, sondern auch zu einer Nachdenkphase. Moritz Weiß reduzierte eine Reihe seiner Tätigkeiten, um wieder fokussiert und gezielt zu arbeiten. Denn wie im NASOM-Programm beschrieben, geht es Weiß um Folgendes:
„Den traditionellen Klang in ein neues Gewand hüllen: Das Moritz Weiß Klezmer Trio spinnt die Geschichte Klezmer weiter und erzählt diese in einer wunderbar erweiterten musikalischen Sprache neu. Seit ihrem Debüt mit dem Album ‚Spheres‘ (2017) schlägt das virtuos aufspielende Trio die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und lässt in respektvoller Verneigung vor der jüdischen Musiktradition diese auf Musikformen und -stile anderer Epochen treffen. In den von anspruchsvoll strukturiert bis energiegeladen reichenden Stücken des jungen Dreiergespanns verwebt sich der Klezmer in kunstvoller und vielschichtiger Art mit Elementen unter anderem des Jazz und der Klassik. Es formt sich ein Klang, der einen mit seinen Melodien gefühlvoll ergreift, die Fantasie anregt und das Tor hin zu einer neuen Sphäre weit öffnet."
Moritz Weiß komponiert. Seine Musik ist tief berührend und sehr einzigartig, sie trägt gleichsam etwas „Göttliches" in sich und schwingt in kosmischen, mitunter spirituellen Sphären. Die einzelnen Melodien sucht er in sich. Auf Basis von drei Hymnen Hildegards von Bingen komponierte Weiß eine mehrteilige Kantate, „Vocal Klezmer Sounds Cantata", indem er die frühchristlichen Melodien Hildegards, erweitert um eine gewisse „Klezmerfärbung", auf eine weite Reise schickt. Hier treffen sich Kulturen und Religionen, und frühchristliche Elemente werden mit jüdischen Traditionen verwoben. Und auch dies ist ein Weiß-Musik-Detail: Die CD-Aufnahme dazu fand im Schloss Feistritz in der Oststeiermark statt. Die Ruhe und Atmosphäre im Schloss ermöglichte ein konzentriertes, klangvolles Arbeiten, doch schlich sich etwas Unerwartetes in die Aufnahme: Vogelgezwitscher. „Wir haben das an einigen Stellen so belassen, weil wir ja nicht wussten, ob genau diese Vogelsänge uns nicht in unserem musikalischen Spirit unbewusst positiv beeinflusst haben."
Die Geschichten, die Moritz Weiß mit seiner Musik erzählt, berühren Zwischenwelten, für die in der Realität oftmals die Worte fehlen. Sehr real sind jedoch seine Zukunftspläne. Da möchte er von seinem Trio ausgehend ein großes Ensemble aufbauen und etwas für Streichquartett plus Akkordeon und Klarinette schreiben. Es wird ein gemeinsames Projekt mit der „Jewish Choir Society Of Serbia" geben, und das Moritz Weiß Klezmer Trio wurde von der Folk-Metal-Band Maiden United aus Amsterdam für ein gemeinsames Projekt 2022 eingeladen. So hoffen wir, dass Moritz Weiß uns noch viele weitere Klezmer- und andere Geschichten erzählen wird.
Zur Website des Moritz Weiß Klezmer Trio (MWKT)