Alle wollen die Bühnensituation auflösen
Die junge Künstlerin Leonie Bramberger findet ihren Weg in die darstellende Kunst über die Kostüm- und Bühnengestaltung.
Es sind neun junge Menschen, wie damals vor 2006, als die Wissenschaft neun Planeten zu unserem Sonnensystem zugehörig erklärt hat, die sich zur Theater und Performancegruppe „Planetenparty Prinzip" zusammengefunden haben. Sie lernten sich alle mehr oder weniger als Jugendliche beim Theaterspielen im Theater am Ortweinplatz (TaO!) kennen und gründeten vor zwei Jahren ihr eigenes Theaterkollektiv. Wenn Ihnen, liebe Leserin/lieber Leser, dies alles schon etwas bekannt vorkommt, erlaube ich mir, Sie auf das ARTface von Victoria Fux zu verweisen, die wie Bramberger Mitglied des Planetenparty Prinzips und gleichwohl auch Stipendiatin des KUNSTRAUM STEIERMARK-Programms des Landes Steiermark 2017/2018 ist. Bramberger hat in diesem Verein neben ihren künstlerischen Tätigkeiten die Aufgaben der Schriftführerstellvertreterin inne.
Dieses Porträt dreht sich rund um die junge Bühnenkünstlerin Bramberger, die es nie interessierte, Schauspiel zu studieren. Sie fand in sich selbst zu viele Begründungen, warum ein derartiges Studium nichts für sie sei, obwohl sie im TaO! oft und auch gerne auf der Bühne stand. Und so bewarb sie sich nach der Matura, die sie an einem „ganz normalen" Grazer Gymnasium, dem Akademischen, absolvierte, an der Grazer Kunstuniversität (KUG) für den Studienzweig Bühnen- und Kostümgestaltung. Auf diese Idee hat sie der freischaffende, in ganz Österreich tätige Bühnenbildner Bernhard Bauer gebracht, der auch im TaO! oftmals das Bühnenbild realisierte. Und an der KUG wurde Bramberger prompt genommen. Sie verrät, dass sie damals sehr wohl einen Plan B hatte: ein Biologiestudium.
Ihre erste große Erfahrung als Ausstatterin, verantwortlich für Bühne und Kostüme, machte sie 2013/14 unter der Regie von Simon Windisch mit dem preisgekrönten Jugendstück „A free porn version of love" im TaO!. Ein Stück über gespielte und gelebte Liebe und wie man beides voneinander unterscheiden kann. Eine Wolkeninsel, Darstellung eines überdimensionales Taschentuchs, jugendliche Schauspieler, die darin eintauchen und wieder auftauchen und Projektionen, die drüber flimmern, nichts ist real - oder etwa doch? Bramberger erinnert sich, dass sie die Ausstattung parallel zum Stück entwickelt hatte. Es gab zahlreiche konstruktive Gespräche mit dem Regisseur und den Darstellern, denn nur so konnte sie das Bühnenbild und auch die Kostüme auf die Menschen zuschneiden. Die Thematik rund um Jugendliche, Sex und Pornos empfand sie als heikel und gleichzeitig sensibel. Bramberger war es schlussendlich gelungen, diese Mischung aus jugendlicher Neugierde, Internetpornografie und gelebter Wirklichkeit auf die Bühne zu bringen. „Es war eine sehr intensive Arbeit", erinnert sich die 21-Jährige. „Ich hatte damals noch keine Werkzeuge und Methoden für die bühnenbildnerische Darstellung. Ich habe alles so gemacht, wie ich dachte und intuitiv fühlte, dass es passt. Irgendwie auch in einer Naivität."
Ihr bisher größtes Projekt als Studierende war die Inszenierung der Engelbert-Humperdinck-Oper „Hänsel und Gretel" im MUMUTH (Haus für Musik und Musiktheater) an der KUG. Wer im MUMUTH den großen György-Ligeti-Saal kennt, weiß, wie vielseitig dieser bespielt werden kann. Doch auf Bramberger kam eine ganz besondere Aufgabe zu: „Alle wollen die Bühnensituation auflösen, aber in dem Fall war eine Guckkasten-Bühne die Grundvoraussetzung." Das heißt, eine klassische Opernbühne mit Portal und Vorhang. Darüber hinaus war das Genre Oper für Bramberger völlig neu: „Mir ist erst bei dieser Inszenierung der Knopf aufgegangen, warum Oper so was Besonderes ist. Davor konnte ich das überhaupt nicht verstehen." Regie führte bei der im Jänner 2017 aufgeführten Operninszenierung Ernst M. Binder, der am Tag vor der Premiere unerwartet verstarb. Bei „Hänsel und Gretel" trug Bramberger erstmals die Verantwortung für Bühne, Kostüme und Maske. Für Bramberger war dieses Opernprojekt ein kontinuierlicher Lernprozess, wie sie ihre Vorstellungen am besten einfließen lassen, argumentieren und schlussendlich auch umsetzen konnte. Binder fokussierte seine Inszenierung auf die Flüchtlingsthematik und -problematik. Für die Bühnenkünstlerin war es wichtig, dass das Märchenhafte, Absurde und Traumhafte seinen Platz fand und dass die Hänsel-und-Gretel-Geschichte an und für sich nicht unterging.
Die größte Herausforderung in dieser Inszenierung war für Bramberger der präzis geplante und getimte Bühnenumbau, der zwischen dem zweiten und dritten Teil stattfinden musste. In der Ausbildung an der KUG wird von ihr Selbstständigkeit gefordert, die besonders in den Semesterarbeiten spürbar werden. Dabei handelt es sich um rein theoretische Arbeiten für Bühne und Kostüme inklusive eines Regiekonzeptes. Im Gespräch mit Bramberger hört man heraus, dass ihr die Arbeit im Kollektiv, in einer Kooperation, im Austausch und in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen mehr taugt als allein zu arbeiten. „Die Arbeiten, die ich alleine mache, sind zwar stimmig, aber mir ist ein bisschen fad dabei. Durch Interaktion komme ich auf neue Ideen und neue Dinge, die sich dann wieder weiterentwickeln können. Und das gelingt im Planetenparty Prinzip sehr gut." Womit wir wieder bei der Einleitung wären. Im Planetenparty Prinzip steht also noch viel auf dem Programm. Im Mai wird das Stück „Klugscheißer" uraufgeführt, im Herbst 2017 nimmt das junge Theaterkollektiv an „newsOFFstyria", dem Nachfolgefestival von „bestOFFstyria" teil.
Und wo sieht sie sich in Zukunft, nach ihrem Studium? „Vorerst sehe ich mich nach dem Abschluss meines Studiums als selbstständige Bühnenbildnerin in Graz."
Petra Sieder-Grabner
Mai 2017