Der schwarze Heinz
Eine herzhafte Jause im Schattenlabyrinth des Heinz-Joachim Schubert.
Keine Frage, „es ist ein Zauberhauch, der seinen Zug umwittert". Und es ist eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird: „Was macht eigentlich der schwarze Heinz?"
Nun, schlankes Wurzelfleisch ist er dem RHIZOM, als Logo zeigt er den abgenagten Ichthys, manchmal erreicht mich eine apokryphe Mail mit Aussparungen und Assoziationen; immer Sonderling ... Drei Geschenke erhielt ich im Laufe der Jahre von ihm. Erstens, einen längst vergriffenen Kunstkatalog mit himmelblauer Rückseite zur Ausstellung „Kunst was ist das?" in der Hamburger Kunsthalle, 1977. Zweitens, einen A4 großen, A5 dicken und sauschweren Ziegel aus Panzerglas und drittens, die Sammelalben „Winnetou I und II", worin einzig das Bild „Die Tapferen überwinden die Bösewichter" fehlte.
Außerdem unternahmen wir gemeinsam im vorigen Jahrhundert die Expedition „In 8 Stunden um die Welt", die uns vom Café Bali, über das Acapulco, Café Paris, New York, Athen, Roma, Tanzcafé Miami und Florida schließlich in die Haiti-Bar führte, wo uns eine exotische Schönheit ins Ohr flüsterte: „Ich habe große Haare". 3.000 Stück Korrespondenzkarten entstanden so unter der Flagge SM ART!
Prononcierte Weltzuspitzung
Trotzdem, wenn man mich fragt, was macht eigentlich der schwarze Heinz, so finde ich auch auf der Homepage von RHIZOM nur: Heinz-Joachim Schubert, freischaffender Künstler, Kulturarbeiter.
Ist er Surrealist? Für eine Kunstzeitung begab er sich auf die „Reise in eine andere Provinz" zur Ars Electronica nach Linz. Dort klebte er ein angelutschtes Firnbonbon auf eine Kabelrolle. Bildunterschrift „Da klebt es jetzt und hat es schön". Ist er Dadaist? Jedenfalls ist der schwarze Heinz jemand, der einem das Gefühl vermittelt, dass man sich mit ihm am wichtigsten Punkt des Universums befindet, um die bedeutendsten Entscheidungen der Welt zu treffen.
Er ist der, der den entscheidenden Hinweis gibt: „Frag den Generaldirektor doch, was er in seiner Spielzeugkiste hatte?", und die richtigen Zuspitzungen vornimmt: „Na, jetzt tu ma nix mehr umadumdodeln, Herr Hofrat."
Er hat also in Graz die Grafik absolviert und dann Bühnenbild studiert, mit irgendwelchen Architekten, Archäologen, Kunst- und anderen Historikern zusammen und mitgearbeitet, Buchprojekte ... Die Frage ist aber, was macht ihn aus? Was sind seine künstlerischen Bezugspunkte? Wie handelt und woraus schöpft er? Warum fällt mir, wenn ich an ihn denke, „... ein Stein, ein Blatt, eine nicht gefundene Tür" ein, aus Thomas Wolfes „Schau heimwärts, Engel!"? Wie erklären sich seine Reisen, wie seine Verweigerung sozialer Medien, wie seine Neugier und Suche, wie sein Versteck?
Er machte mich aufmerksam auf die Krimis von Sjöwal und Wahlöö und beide freuten wir uns, als Thomas Glavinic den Glauserpreis für seinen Krimi „Der Kameramörder" aus den Händen von Maj Sjöwal erhielt. Er fuchtelte mit zwei Krücken vom Balkon der Grazer Bestattung als „Gesellschafter der Gräfin". Auch war er dabei bei Heinos Film „Die Legende von Damir Grloci", der nach seiner Uraufführung in der „Graba 42" durch eine Sackerlverwechslung verschwand und plötzlich durch eine Unterhose und zwei Paar Socken ersetzt war.
Unnötiger, aber notwendiger Exkurs
H. J. S., da klingelt doch was? Eben: J. H. S. Jesum Habemus Socium. Auf das Verhältnis zu seinen Initialen werde ich den Heinz wohl nicht ansprechen. Soll ich ihn mit Vorsicht zur rhizomatischen Betätigung befragen? Vorurteilsbeladen wie ich bin, habe ich meine Probleme mit den Strukturalisten, erinnern sie mich doch an die Männer, die sich ihr Verdientes in möglichst kleine Scheine umwechseln, ein Bündel, das sie mit großer Geste immer wieder aus der Hosentasche ziehen, den größten Schein obenauf. Der Begriff Rhizom (sein Nießbrauch) stammt jedenfalls von Gilles Deleuze und Felix Guattari und meint das kameradschaftliche Nebeneinander unterschiedlicher, kommunizierender Wurzelknollen, im Gegensatz zum hierachischen Lernbaum.
Interessant aber ist, dass ich von den Strukturalisten assoziativ zu den Surrealisten komme (nebstbei zu DADA), von dort weiter zurück zu den Romantikern, denen der Katholizismus die Klammer bildete, die die Surrealisten durch den Kommunismus ersetzten, während sie ihr Angesicht zu Angesicht in Traum und Automatismus, zumindest halb, materialisieren ließen.
Nietzsche müsste da auch an der Wiege stehen, doch findet man ihn in der Geschichte des Surrealismus von Maurice Nadeau vergeblich, wohl aber findet man Hegel, nicht also Friedrich Paradoxsohn, wohl aber den Zweiwurzelturbo der Dialektik, auch also, aber nicht nur, als auf die Beine gestellt von Marx. Man will Revolte statt romantischer Hingabe. Beides als Ganzes.
Aber gerade damals ist auch das Gegenteil wahr, wenn Dali meint, in Hitler erneuere sich der Surrealismus, auch wenn er wohl bloß Breton provozieren wollte. Nicht nur der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer, auch der Traum kokettiert mit dem Alp, und der Rausch ist auch nicht weit. Bei den provokanten Gegengewichten zur Gesellschaft sollte man sich aber auch die Auswirkungen bei Machtübernahme ausmalen. Wie gesagt, mit den Strukturalisten (als dialektischer Dominoeffekt) hab ich meine Probleme.
Gustav Renè Hoke jedenfalls schreibt in „Die Welt als Labyrinth": Wenn sich die Gegensätze in einer Gesellschaft nicht mehr überbrücken lassen, entstehe in der Kunst Manierismus, der Labyrinth, Hohlspiegel und Verstoppelung von „Unmöglichem" zu irregulären Formen im Schild führe, im Gegensatz zu „klassischem" Maß und Ziel.
Insofern, und deshalb ist diese Suada notwendig, sehen wir heute ein zeitgeistliches Novum: Einerseits haben wir die totale Sprachkontrolle in der Correctness, anderseits die völlige Deregulierung im Handeln, und die Rotzigkeit der Künstler des 20. Jahrhunderts haben längst Politik, Wirtschaft und Finanzmärkte übernommen. Ist nun auch noch die Sprache als Herrschaftsinstrument „entlarvt" und wird als unreduzierbar zu höheren Sinneinheiten vermieden (weil hierarchisch, weil Herrschaft) und so zum strukturellen Filibustern, so fällt sie auch als Instrument der Kritik aus, weil sie sich endlos in egalitärer Entlarvung verzauselt. Ja, die höchste Rationalität in der Haarspalterei mutiert zum irrationalen Geraune. Der ursprüngliche Zauberspruch zur Schicksalsdeutung wird zum wöchentlichen Lottoschein für den Lucky Punch.
Bringen wir uns also mit dem Kunstjodler wieder auf die Erde zurück. „Hulz-huli-o Kunstbegriff, Kreiz-huli-o Werkvertrog, is oll‘s a Prekarium, wals neamt so wirklich mog ..."
Mischt man also nicht mit in der großen Steuerschonungs- und Geldwaschanlage Kunstbetrieb, so wird man Randexistenz und registriert die Schleifspuren am Sandkorn als sein Eigentliches. Das verbindet uns auch, den schwarzen Heinz und mich. Nichts halten wir von der egelhaften Kunstliebe in der „hochsterilisierten" Traditionspflege mit Schweinsledereinband und goldgeprägter Verdütel- und Vertitelung, nichts vom gepflegten Leichenschmaus ...
Jedenfalls: Wäre ich Kulturlandesrat hätte jede/r Steirer/in einen Anspruch auf eine Einschulung beim schwarzen Heinz zum Thema „Ästhetische Weltaneignung als humane Zentralperspektive".
Endlich, die erste Nachricht!
lieber erwin,
ich trete an das projekt heran.
den zwischenraum zwischen zwei schanzpfählen absteckend_ geomantische linien suchend
ex intervallo_nach geraumer zeit
ex (tanto) intervallo _nach so langer zeit........
schwimmen langsam nach
der arm fließt finger
stolpern knochen lang
peter köck
geboren 1949 in pöllau
ertrunken 1989 im donau oder kanal aus "ungeklärter ursache"
wir schreibendhören uns
best dir heinz
Was Wunder, bei einem Teamplayer wie ihm, dass der Heinz auch den Peter Köck ins Treffen führt, war der doch auch einer, der sich im Krampf um die täglichen Kröten aufgerieben hat. Ein Toter, der da auftaucht wie ein vergessenes Werkstattgeheimnis. Bei uns in der Kunstgewerbeschule war er Aktmodell. Wahrscheinlich hat er Rodin zu seinem Balzac Anlass gegeben. Rückwirkende Inspiration ist nicht undenkbar! Jedoch: Man findet Peter Köck immerhin auf Wikipedia, als ein Blitzlicht.
Die Jagd auf den Snark geht also weiter! Keine Ahnung wo sich Heinz, der schwarze Wi(e)dergänger, herumtreibt. Ihm eilts nicht. Mir schon. Wer ihn sieht - die Grazer Annenstraße wäre wohl ein heißer Tipp - fragen könnt‘ er ihn: „Was geht? Wie deuten sich die Zeichen?"
Erwin Michenthaler
Stand: Jänner 2018