"Ich will das live" - mit Poesie und Humor
„Ich finde es spannend, wenn Künstlerinnen und Künstler mehrere Sparten bespielen – das schärft den Blick“, ist die Schauspielerin und Autorin, Malerin und Grafikerin Kirstin Schwab überzeugt.
Sie muss es wissen. Spätestens, wenn man Kirstin Schwab live erlebt, wird sofort klar: Diese Künstlerin muss mehrere Bühnen bespielen. Die 1,55 m große Frau sprüht auch nach einem fordernden vierstündigen theaterpädagogischen Workshop vor Energie, und es ist klar, dass sich ein solches Feuerwerk in verschiedenen Farben, Formen, Sprachen und Sparten Bahn brechen muss.
Dabei geht es der in Graz aufgewachsenen und in Wien lebenden Kirstin Schwab nicht um ein flüchtiges, schmetterlingshaftes Schaukeln von Blüte zu Blüte, sondern sie sucht die Professionalität in allem, was sie angreift, und schätzt es, dabei besonders tief zu schürfen. Ihre erste künstlerische Profession, die Schauspielerei, lernte sie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz. Schwab bekam gleich nach Abschluss 1999 in Münster ein Engagement - und einen Schauspielpreis. Es folgte Düsseldorf, doch parallel entstanden bereits eigene Projekte als Schriftstellerin.
Nach mehreren Jahren startete sie nicht nur eine Zusammenarbeit mit dem Leiter des Grazer Theaters am Ortweinplatz (TaO), Manfred Weissensteiner, mit dem sie auch heute noch gemeinsam als Theaterpädagogin an der Pädagogischen Hochschule Steiermark tätig ist, sondern auch eine Ausbildung am Cambridge Institute Vienna und am London Teacher Training College zur Englischlehrerin. Sie wollte ihre Liebe zur englischen Sprache vertiefen, ihre sprachlichen Fähigkeiten perfektionieren und an einer Sprachschule unterrichten. Sprachspiele haben Kirstin schon als Kind fasziniert: „Die Sprache hat mich zum Theater gebracht und das Theater wieder zur Sprache."
Wunsch nach mehr Selbstbestimmung
Schwabs Erfahrungen mit „Vorsprechreisen" und die Hierarchien an Schauspielhäusern ließen in ihr den Wunsch nach mehr Selbstbestimmung wachsen. So entstand der Kontakt mit dem „ aktionstheater ensemble", wo es laut Schwab „ein gleichberechtigtes Miteinander" gibt und „ein sehr physischer Spielstil" gepflegt wird, was ihr entgegenkomme. Zehn Jahre war Martin Grubers Aktionstheater ihr künstlerisches Zuhause, wo sie Poesie und humorvolle Skurrilität leben konnte. „Zwei Dinge, die mich als Mensch ausmachen", beschreibt sich Kirstin selbst.
Stücke von Arthur Schnitzler beim Salzburger Landestheater, von Thomas Bernhard mit dem „aktionstheater ensemble", ein Theaterpreis in Heidelberg und die Nominierung für einen Nestroy-Preis für „Pension Europa" (aktionstheater ensemble), Auftritte bei den Wiener Festwochen und im Salon5/Wortwiege - allesamt Theaterstationen, die neben vereinzelten szenischen Lesungen und Lyrik-Veröffentlichungen standen.
Auch das Genre Film findet sich in Kirstin Schwabs Vita: Stefan Ruzowitzkys „Die Siebtelbauern", die ORF-Fernsehshow „Die Frischlinge" und zwei Kurzfilme, „Erdbeerlust" und „Gesprungen" - für Letzteren schrieb Schwab 2011 das Drehbuch. Im Film fand sie bislang aber keine künstlerische Heimat für ihr Schauspiel: „Ich will das live! Es muss echt sein, man muss schwitzen auf der Bühne!", erklärt sie wild gestikulierend ihre Intention. Wie intensiv man Theater betreiben kann, zeigte auch Schwabs erstes Solostück „Kirstin Schwab sitzt auf dem Sarg und feiert Geburtstag" (Uraufführung 2017 in Wien), bei dem Text, Spiel, Bühne und Videos von ihr selbst stammen. „Ich wollte mehr Verantwortung über den gesamten künstlerischen Prozess, etwas Eigenes."
Künstlerischer Reichtum
Der künstlerische Reichtum im Hause Schwab wurde schon von Kindesbeinen an von Mutter Friederike Schwab, Grazer Malerin und Schriftstellerin, genährt. „Es gab im Atelier einen riesigen Arbeitstisch, jeder saß an einer Ecke, und das war alles sehr nah und selbstverständlich", schildert Kirstin, die sich auch von der Zaubershow über Sketches bis hin zu „nachgedrehten" MacGyver-Serienfolgen ausprobieren durfte und immer gefördert wurde. „Als Künstlerin kann man ein sehr reiches inneres Leben leben, vielleicht wirtschaftlich manchmal schwierig, aber Riki hat meinen Weg befürwortet, weil es für sie selbst einen Wert hat." Der Musiker Sting, den Kirstin Schwab sehr schätzt, nennt den Künstlerberuf „a very noble profession", und so sieht sie das auch: „Es ist die Suche nach dem, was den Menschen ausmacht." Für Diskussionen, Gespräche und den Austausch über die künstlerische Arbeit mit Mutter Riki ist Kirstin dankbar: „Ich profitiere von ihrer Einschätzung, den Perspektiven und natürlich ihrer Erfahrung - sie ist menschlich und künstlerisch eine Instanz, deren Meinung ich sehr ernst nehme."
2019 und 2020 ist ein enormer Output zu erwarten: Nach der Veröffentlichung des Lyrikbandes „Atemraub" in der Edition Keiper im Jänner 2019 wird derzeit an zwei Theaterstücken gearbeitet: Das eine ein Kabarettsolo mit dem Titel „Pack mich" mit viel Sprachwitz und voller Skurrilität, das andere ein ernstes Stück über Einzelhaft mit dem Titel „A Single Room". Außerdem ist ein Gedichtband mit Zeichnungen in der Pipeline: „TellerRandGänge" stellt Kirstin Schwab erstmals als Malerin und Grafikerin vor. Und last but not least das Kinderbuch „Fisch mit Regenschirm", das ebenfalls fantasievoll und ausdrucksstark Sprache und Bild mit viel Witz und Originalität vereint.
Die Vielfalt künstlerisch zu leben, sagt Kirstin Schwab, eröffne nicht nur größere Horizonte und Perspektiven, es beweise auch: „Nichts ist absolut, es gibt immer andere Möglichkeiten."
Claudia Rief-Taucher
Stand: Juni 2019