Prosaische Malerei und malerische Prosa
Kamilla Bischof schreibt und malt Bilder voll surreal anmutender Szenarien.
„Beim Frühstück überfliege ich das Kleingedruckte. Hochzeit, Blumenmädchenkleid mieten, Reinigung [...].
Wir wollen attraktive Lagerräume für ein lukratives Geschäftsmodell und keine Schelte in der Schuhbox abkassieren. Wir sind doch nicht blöde. (Streik) Herr Inspektor, Sie finden uns ab sofort im Eissalon. Ich will eine doppelte Flügeltüre mit reichlich Luft nach oben. Ich will einen Gabelstapler im Eingangsbereich und ordentliche Riemen und Henkel und überall, wo ich mich festhalten möchte! Schluss mit der vergitterten Fensterfront! Bringen Sie mir einen unterschriebenen Änderungsvorschlag und das sofort, Herr Ober! Sonst bleibe ich in der Konditorei sitzen und bestelle bald einen dritten Eiskaffee auf Ihre Rechnung und die Bilder trinken mit. [...] sonst gibt es bald eine zusätzliche Rechnung vom Nervenheiler!"
Absurd ironische Verknüpfungen finden sich nicht nur in diesen Auszügen aus einem der Kurztexte, die in Kamilla Bischofs Künstlerbuch SCHÖN VERMÄHLT versammelt sind, das zur gleichnamigen Ausstellung im Grazer Künstlerhaus erschienen ist. Abbildungen des malerischen Werks sind in dem Band etlichen kurzen Erzählungen gegenübergestellt, die situative Stimmungsbilder vermuten lassen, wenngleich aus der weiteren Lektüre klar wird, es handelt sich doch stets um Fiktion, nämlich assoziativ weitergeführte Kopfgeburten mit eingeworfenen Versatzstücken des wirklichen Lebens.
Letzteres findet bei der 1986 in Graz geborenen Malerin und Autorin seit 2015 vorwiegend in Berlin statt. Tatsächlich aber waren die im Text genannten hohen Flügeltüren Bedingung für das mit Künstlerkolleginnen und -kollegen angemietete Atelier im Ortsteil Wedding in Berlin-Mitte, aus dem Kamilla Bischof großformatige Tableaus an die Öffentlichkeit bringt. Leicht, erzählt sie im Gespräch, und transportabel müssen ihre Arbeiten sein - was im Fall der Malerei zwar kein Kriterium ist. Das Material für Plastiken und Objekte allerdings wird derzeit auf zumeist Wellkarton eingegrenzt.
Vom Malerei-Studium in Wien nach Berlin
Mit Malerei und Holzbearbeitung ist Kamilla Bischof in Graz aufgewachsen. Die Mutter ist Malerin, der Vater entwirft und baut Möbel. So war sie wie selbstverständlich während Kindheit und Jugend mit Papier, Farbe, Stiften und Pinsel zugange oder mit Bastelarbeiten an Holzteilen. Mit 19 Jahren absolvierte sie in Wien die Schule für künstlerische Fotografie bei Friedl Kubelka und arbeitete in dieser Zeit als Bühnenhospitantin am Burgtheater. Dann die Aufnahme an die Universität für angewandte Kunst in der Klasse von Amelie von Wulffen. Das Studium der Malerei schloss sie an der Universität der bildenden Künste ab, wobei sie schließlich ein Erasmus-Stipendium nach Berlin führte.
Vorrangig in ihrer Arbeit ist freilich die Malerei. Mit Aufnahme des Studiums begann Bischof aber zu schreiben, „während Phasen" zunächst. Es geschieht oft, dass sie sich während des Malens Notizen macht. Gewisse Momente, Ereignisse, manchmal nur ein Wort, werden zu Auslösern, um die Texte verfasst werden, in denen Alltägliches in surreal anmutende Szenarien führt. Wechselweise sind es die erzählenden Texte, die den Bildfindungen vorangehen, dann wieder wird der assoziativ angelegte Malprozess zum Auslöser des Schreibens. Eine Installation im Souterrain des Künstlerhauses etwa entstand aus Kamilla Bischofs spontaner Idee, sie befinde sich hier in einer Art Parkgarage, in die sich eine Herde kleiner Tiere verlaufen hätte. Trotz aller Abstraktion mit angedeuteten Hörnern, und in gleicher Ausrichtung, muten die bemalten Kartons wie eine Gruppe aufgeschreckter Wesen an.
Inhaltlich offene Bilder und Bilderzählungen
Formal lässt Bischofs Malerei durchaus an die Jungen Wilden denken. Auf informell und lasierend angelegtem Grund entwickelt sie Kompositionen, in denen Objekte, Mobiliar oder Pflanzen - wie in Okoberfest (2019) - mit Wesen zwischen Mensch und Tier in Verbindung gebracht werden - ein Kobold vielleicht, der sich mittels eines Griffs an einem Bäumchen festhält, dessen Krone offenbar in Folie gehüllt ist. Inhaltlich, sagt Kamilla Bischof, bleiben die Bilder, die Bilderzählungen auch für sie offen. Immer wieder kommt es vor, das vermeintlich fertiggestellte Bilder nach einiger Zeit doch noch bearbeitet werden: Nach fast einem Jahr beispielsweise wurde der Kobold neben das Bäumchen gesetzt.
Ihre Texte nennt Kamilla Bischof „geschriebene Bilder", die Bilder empfindet sie wie im Malen fortgeführte Texte. Im Schreiben wie im Malen „sind es ähnliche Motive, die mich interessieren". Angesichts ihres Werks bleibt der Eindruck, Kamilla Bischof versucht, die Grenzen der Genres aufzulösen. Und sei es in lautmalerischer Weise, wenn sie den Titel der Ausstellung und des Künstlerbuches, SCHÖN VERMÄHLT, damit erklärt, dass sie mittels Text die Malerei evoziert, nämlich im Sinn von „schön vermalt" und somit „gut verbunden".
Wenzel Mraček
Jänner 2020