California Dreaming
Die Grazer Malerin Julia Bauernfeind liebt es, mit Ölfarben leuchtende Bilder auf Leinwand zu bannen. Bei der Motivwahl lässt sie sich von ihrer Intuition leiten.
„Ich liebe es figurativ zu malen", sagt Julia Bauernfeind. Man sieht es ihren Bildern an, dass die Künstlerin während ihrer Ausbildung nicht unter dem Einfluss jüngerer österreichischer Kunsttraditionen stand, die oftmals sehr konzeptuell ausgerichtet sind. Bauernfeind dagegen malt gegenständlich und realistisch: blumenreiche Vorgärten, in denen die aufgehängt Wäsche flattert, oder Feldwege und kleine Straßen, die sich durch Wiesen und Wälder winden; und dann wieder mediterrane Ansichten mit engen Gassen und schaukelnden Booten im Hafen oder mit den Kanälen von Venedigs kleiner Schwester Chioggia. „Ich will die Welt malen, wie sie aussieht, weil ich sie schön finde", sagt die Künstlerin. Am deutlichsten zeigt ein Gemälde eines jungen Mädchens, das im klaren, türkis leuchtenden Meereswasser taucht, wo Bauernfeind ihr Handwerk gelernt hat - in den USA nämlich. Die Farben, die Reflexionen am Wasser, das Licht: Man denkt bei diesem Bild vom tauchenden Mädchen an David Hockney oder Eric Fischl und deren zahlreiche Szenen am Pool.
Von Kärnten in die USA
Julia Bauernfeind wuchs in Treibach-Althofen in Kärnten auf, wo sie am Gymnasium maturierte. Aus einem Au-pair-Jahr in Kalifornien, das sie mit 19 absolvierte, wurde ein zehnjähriger Aufenthalt in Los Angeles. „Ich habe mich dermaßen gut mit der Gastfamilie verstanden, dass ich ihr Angebot angenommen habe, bei ihnen als Kindermädchen zu bleiben." Die Gasteltern waren beide Musiker und hatten am Abend Engagements. Tagsüber waren sie daheim, und Julia Bauernfeind konnte eine Ausbildung an einem Kunst-College absolvieren. Logisch, denn: „Ich stamme aus einer Familie, aus der ein paar in Kärnten bekannte Künstler hervorgegangen sind, und habe schon als Kind viel gezeichnet. Vor allem mein Großvater hat das gefördert."
Kunststudium summa cum laude
Nach ein paar Jahren als Grafikdesignerin („zu computerlastig") begann sie ein umfassendes, sechs Jahre dauerndes Kunststudium an der California State University Long Beach, wo sie den Bachelor und schließlich den Master of Arts mit Auszeichnung abschloss. Die Ausbildung umfasste nicht nur sehr viel Kunstgeschichte, sondern vermittelte in der Praxis auch den ganzen Bogen bildnerischer Techniken von der Druckgrafik über die Fotografie bis hin zur Skulptur. „Das Realistisch-Figurative hatte im Studium einen sehr hohen Stellenwert", erinnert sich Bauernfeind. Man sieht es den Zeichnungen, Lithographien und Collagen in ihrem Grazer Atelier an, dass sie das Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Ihr künstlerisches Herz aber hat Bauernfeind an die Ölmalerei verloren. Ihr Zugang ist dabei strikt intuitiv: „Ich liebe Farben und die Malerei. Die Farben sind für sich gesehen schon wunderschön. Und dann sehe ich Motive, die so ansprechend sind, dass ich sie einfach malen muss." - Zum Beispiel die Grazer Dachlandschaft vom Schlossberg aus oder die Sporgasse.
„Die Innenstadt in Graz ist ein Genuss: schön, vielfältig, inspirierend" - und nach den Jahren, den Bauernfeind im Moloch Los Angeles verbracht hat, ist die Grazer City in ihren Augen auch herrlich heimelig. „Ich habe in den USA die tiefe Liebe zu Europa und Österreich in mir entdeckt. Es ist ein Glück, hier leben zu dürfen", sagt die Künstlerin angesichts der prekären Lebensverhältnisse, die in den Vereinigten Staaten zunehmend um sich greifen. Die ersten Jahre, die sie zurück in Österreich war, hat Bauernfeind mit ihrem Mann Walter auf einem alten, wunderschönen, aber schlecht beheizbaren Bauernhof südlich von Graz gewohnt. Als 2005 die ältere von zwei Töchtern zur Welt kam, übersiedelte die Familie nach Graz.
Dachoase in Graz
Eine Dachterrasse mit viel Grün und Blick auf Petersbergen ist seit einigen Jahren die persönliche Oase der Künstlerin, die als Vizepräsidentin des Berufsverbandes der bildenden KünstlerInnen BVBK Steiermark die Belange der Kunstschaffenden vertritt. In ihrem Atelier, das im Keller des Mehrparteienhauses unterbracht ist, fertigt sie Porträts und Auftragsarbeiten. Und sie ist oft unterwegs, um Kurse zu geben: Bauernfeind leitet Workshops für Malerei und Zeichnen in Österreich, Südtirol und Bayern. Sie ist regelmäßig Referentin bei der Styrian Summer Art in Pöllau, bei Kaspar Harnsich in Graz, bei der Kunstfabrik Wien und beim Innerberger Forum in Eisenerz.
„Es kommen sehr viele Leute in meine Kurse, die beim Malen und Zeichnen total entschleunigen", erzählt die Künstlerin. „Wir leben in einer Zeit der permanenten Reizüberflutung. Als Gegengewicht wird das analoge Betrachten immer wichtiger", ist die Malerin überzeugt. Auch in ihren eigenen Werken hinterlässt der Informationsüberfluss Spuren, allerdings auf paradoxe Weise: „Je mehr Information und Negativität in den letzten Jahren aus den Nachrichten und digitalen Medien gekommen ist, umso ruhiger sind meine Bilder geworden."
Die verrauchten realistischen Tableaus, auf denen sie als Masterprojekt zum Studienabschluss Szenen vom nächtlichen Zusammensitzen und Feiern mit ihren Freunden daheim in Österreich festgehalten hatte, sind beschaulicheren Motiven gewichen. Die jüngeren Bilder feiern die Schönheit des Augenblicks und vor allem das Glück des Lichts, das bei Bauernfeind immer auch einen irgendwie mediterranen Anstrich hat. Oder sollte man besser sagen: einen pazifischen Touch? Die Wärme und das Meer sind in ihren Bildern immer nah. Und selbst in den Stadtansichten von Graz vermeint man noch einen Hauch von California Dreaming zu verspüren.
Werner Schandor
Stand: Juli 2020