Die Allgegenwart der Töne
Musik bedeutet für den jungen klassischen Pianisten Philipp Scheucher unter anderem Persönlichkeitsbildung, Schönheit, Verstehen, Kommunikation und nicht zuletzt Unterhaltung. Die Begeisterung, die er beim Klavierspiel empfindet, gibt der vielfach ausgezeichnete Musiker in Konzerten und auf CDs an sein Publikum weiter.
Es gibt da einen obskuren deutschen Film der 90er Jahre, „Absolute Giganten". Nicht sonderlich bekannt eben, aber unter musikaffinen Fans zum Kult geworden. Und in diesem Film gibt es diese zwei zentralen Sätze: „Es müsste immer Musik da sein. Bei allem, was du machst." In dieser kurzen Sentenz steckt so vieles, was Musik für Menschen bedeuten kann. Und vielleicht ist deswegen Philipp Scheucher auch ein klein wenig zu beneiden, wenn er sagt: „Ich erinnere mich an so gut wie keinen Moment, bei dem die Musik mich nicht auf irgendeine Art begleitet hat."
Premiere im Wiener Musikverein mit 12 Jahren
Dieses Privileg will freilich erarbeitet werden, es fällt einem nicht in den Schoß. Philipp Scheucher begann früh mit dieser Arbeit: Mit 5 Jahren brachte der Vater ein Keyboard mit nach Hause, das Philipp fortan kaum mehr aus den Händen geben wollte. Die Faszination für das Klavier hat wiederum ihn seitdem nicht mehr losgelassen. „Das Instrument hat eine magische Anziehungskraft. Die Klangproduktion hat so viel Spielraum, und die Klangfarben, die man erzeugen kann, können ein ganzes Orchester ersetzen. Alles ist möglich auf dem Klavier, und das fasziniert mich bis heute."
Aus einem zwar musikbegeisterten, aber nicht musikfokussierten Haushalt kommend, war die Karriere nicht vorgezeichnet, der Weg nicht breitgetreten. Das Talent Philipp Scheuchers aber war offensichtlich, und so war er bald außerordentlicher Student an der Kunstuniversität Graz und nahm Unterricht bei Maria Zgubic und Markus Schirmer, mit dem er bereits als Zwölfjähriger seinen ersten Auftritt im Wiener Musikverein hatte. Viele weitere Auftritte, etwa in der Elbphilharmonie in Hamburg oder im Konzerthaus Berlin, sollten folgen, dazu zahlreiche Preise bei internationalen Klavierwettbewerben. Derzeit holt sich der gebürtige Steirer bei Ilja Scheps in Köln und Markus Becker in Hannover einen weiteren Feinschliff, arbeitet an neuem Repertoire. „Es gibt noch so viel zu entdecken, und das Repertoire ist endlos - ein Leben reicht nicht aus, um alle großen Meisterwerke zu spielen."
Breit gefächertes Repertoire
Apropos Repertoire, das ist bei Philipp Scheucher breit gefächert. Ausgehend von Ludwig van Beethoven, der ihm besonders am Herzen liegt, zieht er Verbindungen in die Vergangenheit wie in die Gegenwart. „Die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts in der klassischen Musikszene ist vielleicht nicht jedermanns Sache, doch glaube ich fest daran, dass dies ein wichtiger Bestandteil ist. Es muss nicht unbedingt kaum verständliche Zwölftonmusik sein, aber es darf auch mal klingen wie im Horrorfilm oder gar hässlich sein. Das Schöne wirkt dann umso schöner." Wie überhaupt das Verständnis seiner Rolle als Musiker beim 1993 geborenen Grazer ein umfassendes ist: „Ich sehe mich als multifunktionalen Menschen und Humanisten. Die Musik bedeutet Persönlichkeitsbildung, Schönheit, Verstehen, Kommunizieren und nicht zuletzt Unterhaltung. Es ist die größte Freude für mich, wenn ich einem Zuhörer ebenso eine Freude mit der Musik machen kann. Am besten funktioniert das natürlich, wenn und weil ich selbst so eine Freude am Musizieren habe. Diese Begeisterung, das Verständnis und den großen Wert der klassischen Musik möchte ich weitergeben."
Passenderweise hat Philipp Scheucher zu diesem Selbstverständnis auch ein Studium der Instrumentalpädagogik abgeschlossen, in Rekordzeit versteht sich. Für seinen Abschluss im Konzertfach Klavier wurde er übrigens als einer der besten Studienabsolventen in Österreich geehrt. Der pädagogische Impetus lässt Scheucher auch gerne im Konzert das Wort ans Publikum richten oder Texte für seine CD-Aufnahmen selbst verfassen, wie auch bei seiner jüngsten Einspielung, der Doppel-CD „Concert apéritif du Piano - Philipp Scheucher", die im November 2020 erschienen ist. Eingespielt wurde sie natürlich auf einem Bösendorfer Flügel, auf denen er als offizieller „Bösendorfer Artist" exklusiv spielt.
Neue CD, neue Projekte
Neben den Arbeiten zur neuen CD gab ihm das Jahr 2020 - der durch Corona verordneten Zwangspause sei es „gedankt" - Zeit zum Innehalten und Fokussieren. „Es gibt viele Dinge, die in meinem Kopf herumschwirren. Jetzt ist die Zeit, dass ich mir darüber mehr Klarheit verschaffen kann." Eine Klarheit, die in letzter Instanz wohl nie gänzlich aufgeklärt sein wird. Und das ist gut so. Denn nicht umsonst steht ein Zitat des großen Aphoristikers Oscar Wilde an prominenter Stelle auf Scheuchers Webseite: „Musik ist der vollkommene Typus der Kunst: Sie verrät nie ihr letztes Geheimnis." Und trägt so zur wunderbaren Verklärung der Welt bei.
Was die Zukunft für den Pianisten bringen wird? „Das schönste Geschenk für mich ist, wenn ich die harte Arbeit als Musiker weiterhin so genießen kann. Die Ideen werden mir nicht ausgehen: Ich plane die nächsten CD-Aufnahmen, eine Festivalgründung, neue Projekte und Programme für Konzerte, Online-Formate etc. Aber eins nach dem anderen." Hochbeschäftigt ist Philipp Scheucher also auch in Zeiten des forcierten vermeintlichen Stillstands. Und die Musik, die wird für ihn immer da sein. Bei allem, was er macht.
Roland Schwarz
Stand: Dezember 2020