Die mit den Pflanzen spricht
Trifft man Lena Violetta Leitner ausnahmsweise alleine an, verweisen sogleich die Kunstwerke und Installationen um sie herum auf das, was sie als Künstlerin ausmacht. „Zusammenarbeit zieht sich als roter Faden durch meine Arbeit“, lacht die 1986 in Graz geborene und mittlerweile in Wien lebende Künstlerin.
„Lena Violetta Leitner erfindet, interveniert und kooperiert", heißt es schon im ersten Satz ihrer Kurzbiografie, die man bei Ausstellungen zu lesen bekommt. Will man Lena Violetta Leitner also vorstellen, hält man sich am besten an die von ihr eingeschlagenen Eckpfeiler: Erfindungen, Interventionen, Kooperationen. Immer mit dabei: die Natur.
Erfindungen
Es ist Kunst, aber ohne Wissenschaft geht hier nichts. Das wird schnell klar, wenn Lena Violetta Leitner dazu anhebt, ihre Arbeiten zu beschreiben. Da ist etwa das Werk „DELPHI 2.0 (Phyto-Pythia)", in dem sie „die Institution des Orakels" mit der dazugehörigen „Dimension der Zukunft" verschränkt. Entstanden ist die Videoinstallation im Rahmen des Auslands-Atelier-Stipendiums des Landes Steiermark 2022 in Athen, wo sie sich mit der bekannten Orakelstätte auseinandersetzte. Von den heute noch sichtbaren Überresten fertigte sie 3D-Scans an, die sie im Anschluss mit technisch produzierten Glitches überlagerte, also kurzzeitigen Falschaussagen in logischen Schaltungen. Alles klar? Muss es nicht. Herausgekommen ist eine Videoarbeit, die sowohl auf die Prozesshaftigkeit als auch die Veränderung von Raum und Zeit verweist.
Korrespondierend damit hat die Künstlerin die Arbeit „Pflanzenorakel" entwickelt - eine interaktive Installation, in der Pflanzen zum Transmitter für Orakelsprüche werden. Wie das geht? Ganz einfach, erklärt Leitner: Die in Terrakottatöpfen aufgezogenen Pflanzen (Bogenhanf, Drachenbaum und Japanischer Staudenknöterich) sind an Lautsprecher angeschlossen und geben bei Berührung durch die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher mehrdeutige Orakelsprüche - entnommen aus einem Gedicht von Ingeborg Bachmann - von sich.
Ebenfalls in Athen widmete sie sich in Kollaboration mit der Künstlerin Lily Hassioti dem völlig überbauten Fluss Ilissos, den sie in Online- und Offline-Interventionen zurück ins Bewusstsein der Bewohner der Stadt holten. Das Ergebnis ist im Dezember 2022 im Kunstraum Steiermark zu sehen.
Die Liste der Werke, hinter denen sich ganz schön viel Theorie verbirgt, könnte hier weitergehen; man kann sie aber auch auf der Website der Künstlerin nachlesen.
Intervention & Kooperationen
Lena Violetta Leitners Interventionen ohne Kooperationen zu denken, führt ins Leere, weshalb diese beiden Pflöcke hier gemeinsam eingeschlagen werden sollen. So unterschiedlich die wissenschaftlichen Disziplinen sind, die Lena Violetta Leitner für ihre künstlerische Arbeit heranzieht, so vielfältig sind auch ihre Kooperationen und Kollaborationen.
So ist sie etwa Teil des öko-feministischen und sozio-künstlerischen Kollektivs DTAFA (Danube Transformation Agency for Agency), das sich zwischen bildender Kunst, Design und Wissenschaft bewegt, um für eine lebenswerte Zukunft zu sorgen. Im Fokus steht dabei, inwiefern Kunst den Klimawandel und seine Auswirkungen auf den Donauraum adressieren kann, um mithilfe von Interventionen Innovationen zu schaffen.
Gemeinsam mit Steffi Baron Neuhuber hat Leitner das Kollektiv OutSight gegründet, das etwa ein temporäres experimentelles Soundlabor in Bad Ischl installiert hat, in dem die auch im „Pflanzenorakel" verwendeten Neophyten eine Rolle spielen.
Und um die grünen Mitbewohner des Planeten geht es auch im „Integrationszentrum für Migrierte Pflanzen" (IZMP), das Leitner 2017 als Abschlussarbeit ihres Studiums der digitalen Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien gründete. Davor hat sie übrigens Japanologie studiert.
Vielfach ausgezeichnet
Für ihre bisherige Arbeit wurde Leitner mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, darunter das Startstipendium Medienkunst 2022, den Ö1-Preis „Reparatur der Zukunft" und der Medienpreis der Stadt Wien (2018). Das Land Steiermark verlieh ihr 2019 ein Arbeitsstipendium für bildende Kunst, im Zuge dessen das „Integrationszentrum für Migrierte Pflanzen" im Universalmuseum Joanneum zu sehen war; 2022 folgte das Auslands-Atelier-Stipendium.
Website der Künstlerin: https://lenaviolettaleitner.com/
Sonja Harter
Stand: Oktober 2022