Stille auf Augenhöhe
Mit ihrem Spielfilmdebüt „Beatrix“ haben Milena Czernovsky und Lilith Kraxner ihr erstes Langprojekt umgesetzt. In der Arbeit ergänzen sich die beiden in Graz aufgewachsenen Filmemacherinnen durch ihre unterschiedlichen Charaktere perfekt: Euphorie trifft Genauigkeit.
Seit ihr Spielfilmdebüt „Beatrix" 2021 auf dem internationalen Filmfestival FIDMarseille seine Premiere gefeiert hat, waren die Regisseurinnen Milena Czernovsky und Lilith Kraxner bei mehr als einem Dutzend Festivals zu Gast und haben einige Preise gewonnen. Dass der stille, vordergründig ereignislose 95-minütige Streifen, der das Alleinsein und die Körperlichkeit einer jungen Frau in den Mittelpunkt rückt, derart erfolgreich sein würde, haben sich die gebürtigen Steirerinnen davor nicht träumen lassen: „Wir haben alles Schritt für Schritt gemacht", erklärt die 1993 in Graz geborene Milena Czernovsky, die kürzlich ihr Studium der Bühnen- und Filmgestaltung an der Universität für Angewandte Kunst in Wien abgeschlossen hat. „Wir haben immer nur bis zum Dreh gedacht", erläutert sie die einjährige Phase des Schreibens und Vorbereitens. „Wenn wir vorher gewusst hätten, was auf uns zukommt, hätten wir es vielleicht gar nicht gemacht", lacht die um zwei Jahre jüngere Lilith Kraxner, die zunächst an der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film studiert hat und derzeit die Klasse für Video und Videoinstallation an der Akademie der bildenden Künste besucht.
Eine Bachmann-Geschichte als nachträgliche Patin
Ursprünglich war „Beatrix" überhaupt als Serie angedacht, der Spielfilm ist erst im Schnittprozess entstanden, als den beiden jungen Filmemacherinnen klar wurde, dass die Verwertungssituation für Serien fürs Kino nicht gerade rosig ist. Das ungeplante Ergebnis feierte jedenfalls großen Erfolg: Neben rund 20 Festival-Einladungen wurde ihr Debütfilm auf der Diagonale mit dem „Kodak Analog"-Filmpreis ausgezeichnet, auf der Viennale gab es den Spezialpreis der Jury.
Als thematischer Ausgangspunkt diente ihnen übrigens die eigene Erfahrung mit dem Alleinsein, das sonst nie in Filmen gezeigt werde. Erst im Nachhinein sind die beiden auf Ingeborg Bachmanns Kurzgeschichte „Probleme Probleme" gestoßen, deren Hauptfigur Beatrix ähnliche Charakterzüge wie die Protagonistin des damals noch titellosen Filmprojekts aufwies - ein Titel war also gefunden.
Bewährte Zusammenarbeit
Ihre Zusammenarbeit wollen die beiden, die sich bereits in ihrer Schulzeit auf der Grazer Modeschule kennengelernt haben und schon ihr Diplomprojekt sowie einige Kurzfilme gemeinsam realisiert haben, auch in Zukunft fortsetzen. „Wenn alles gut geht, beginnen wir im Frühjahr mit dem Dreh für unseren neuen Film", so Kraxner. Darin geht es um „eine Großstadt und ihre Bewohner*innen und zwei Hauptcharaktere, die wir in ihrem Alltag begleiten und die sich zufällig begegnen", wollen sie noch nicht viel verraten.
In ihrer Zusammenarbeit verstehen sie einander, ohne viel miteinander reden zu müssen. Während Czernovsky an Kraxner den Fokus, die Motivation und ansteckende Euphorie schätzt, überzeugt Czernovsky Kraxner mit ihrer „Ruhe, Genauigkeit und ihrem Blick für Feinheiten", wie sie sagt. Auch ihren Anspruch an die Arbeit am Set teilen die beiden. „Wir versuchen mit unserem Filmemachen eine andere Arbeitsweise zu etablieren, wo kein klassisches hierarchisches Set reproduziert wird, sondern wir arbeiten in einem Team aus Freund*innen, in dem es um Vertrauen und Dialog geht." Ein bisher sehr erfolgreicher Ansatz.
Sonja Harter
Stand: Dezember 2022