Fusion der Klangwelten
Peter Lenz ist ein Reisender zwischen den Kontinenten – musikalisch wie im Leben. Er pflegt einen undogmatischen Zugang zu Klang und Stille, zur Rolle des Komponisten, zum gemeinsamen Kreieren von Musik und zur Musikvermittlung.
Der aus Straden stammende Jazzdrummer und Komponist fand seinen Weg über Rotterdam nach New York City, wo er an der Manhattan School of Music bei John Riley Drums und bei Jim McNeely Arrangement studierte. Rileys unaufgeregter Zugang zu Ästhetik und Stilistik sollte Lenz sehr prägen. Abgesehen von Riley waren auch in New York einfache Regeln und Schubladen erwünschter als das Dazwischen und das Progressive. Das hatte Lenz zuvor schon in Graz so wahrgenommen.
Neue Wege öffnen
Im Jazz sind der Bebop und seine Proponenten allmächtige Großväter, an denen man sich zu messen habe, in der Klassik sind es vielleicht Bach und Beethoven. Sogar in der modernen Musik des 20. Jahrhunderts, die mittlerweile auch schon kanonisiert ist, sind es je nach Schule Boulez und Stockhausen für die Europäer sowie Williams für cineastische bzw. Riley und Reich für minimalistische Amerikaner. Solcherart Dogmen kann man als Student*in jedweder Richtung nicht entrinnen, und das ist in Peter Lenz' Wahrnehmung wenig produktiv. Er wünscht sich einen offenen Zugang zum Musikmachen; Schule solle Aspirant*innen ermächtigen, neue Wege öffnen, und sich nicht nur auf quantifizierbare Techniken beschränken. Derzeit könne man Kunst nur im Leben lernen, schwerlich an einer Universität.
Eine wohltuende Ausnahme bildete ein Seminar an der Kunstuniversität Graz beim Komponisten Georg Friedrich Haas. Er ließ den offenen Dialog organisch wachsen und stand so einem kursorientierten Studienbetrieb kontrastierend gegenüber. Auch das eine Jahr Wohnzimmer-Sessions in Brooklyn lehrte Lenz mehr als viele Jahre Universität. Im freien Spiel der Kräfte entwickeln sich Kunst und Expertise, können gedeihen und synergetisch wirken.
Atmosphären dominieren die Musik
Peter Lenz träumt und ersinnt sich Essenzen von Gefühlen oder Zuständen, die er zu vertonen sucht. Atmosphären manifestieren sich in seiner Vorstellung, Melodien oder Harmonien, Tonalität, Swing oder Groove sind diesen untergeordnet, dasselbe gilt für Voicings. Wenn Elemente oder Stile dem Bild entsprechen, finden sie Verwendung. Das Ergebnis klingt entsprechend weniger kommerziell oder altbekannt, es kann aber auch passieren, dass man etwas Bekanntes zu hören bekommt, weil es eben keine Rolle spielt. Lenz denkt nie über Stilistik nach, einem Schubladisieren erteilt er ganz klar eine Absage. Improvisation findet auch ihren Platz, diese sei im Quartett natürlich einfacher zu realisieren. Die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation sollen verschwimmen, das Komponierte soll hierbei nicht klingen, als ob es vorgegeben sei. Das hat mit dem Grad der Unvorhersehbarkeit zu tun und ebnet auch das traditionell hierarchische Gefälle von Komponist*in zu Musiker*innen ein. Die tiefsinnigen und sensiblen Texturen und Welten des Peter Lenz verweben Alt und Neu, Musik und Sound und laden ein zum Verweilen.
Fusion der Welten in der Blasmusik
2018 öffnete sich für Lenz die Position des Kapellmeisters der Marktmusikkapelle Straden. Es finden nun klassische, Jazz- und Pop-inspirierte Stücke ins Repertoire der Kapelle, welche vor allem aufgrund ihrer großen Besetzung auch symphonische Passagen meistern kann. Kooperationen mit Jazz-Posaunist Luis Bonilla und ein „Romeo & Julia"-Projekt zusammen mit Tänzer*innen der Oper Graz erweitern das Spektrum der Blaskapelle. "Mit dem 47er Regimentsmarsch bekommt man keine jungen Leute zur Blasmusik", ist Lenz überzeugt. Er sieht das Überleben der Blasmusik in der Fusion der Welten Volkskultur, Klassik und dem modernen Repertoire. Der Reiz für ihn ist es, Musik unterschiedlicher Stile dirigieren und auch arrangieren zu können, auch wenn z. B. klassische Musik sowohl für das Publikum als auch für die Musiker*innen manchmal zu anspruchsvoll sein kann. Gerade hier seien Grenzgänge und Feingefühl gefragt, eine Herausforderung, die Peter Lenz gerne annimmt.
Aktiv als Musiklehrer und Musiker
Seit 2017 ist Lenz in Graz als Musiker aktiv, und er unterrichtet mit Freude an der Musikschule in Passail. Diese Tätigkeit gestaltet sich für ihn interessanter und erfüllender, als er erwartet hätte. Das Musizieren mit seinem Jazzquartett „Lithium" findet aufgrund der Diaspora der Musiker projektweise statt, bildet aber das Zentrum seiner musikalischen Ästhetik. Hier ist es, wo er sich als Musiker und Komponist verorten kann. Als Jazzmusiker spielt er eher (dem Musikeralltag geschuldet) spontane und kurzlebige Projekte. Durchaus stabile Kooperationen gibt es jedoch mit „Sir" Oliver Mally's Bluesband und mit „My wicked wicked ways", einer steirischen Indierockband. Im April 2023 findet ein größeres Orchesterprojekt statt, das Peter Lenz und seine Frau wieder nach New York führt. Gemeinsam mit Wegbegleitern werden Lenz' New Yorker Kompositionen von einer selbst zusammengestellten Bigband geprobt und dann im Studio aufgenommen.
denovaire
Stand: Februar 2023