Eine breit gefächerte Toolbox
Wenn Jakob Kolb eine Idee hat, wird es spannend: Materialisiert sie sich als Skulptur, Gemälde oder gar als Song? Den 1992 in Deutschlandsberg geborenen und mittlerweile in Wien lebenden Steirer kann man getrost als transmedialen Künstler bezeichnen.
"Ich kuratiere mich meistens selbst", lacht Kolb, der nach seinem Zivildienst zuerst einmal für sieben Jahre nach Barcelona ging, wo er als junger Mann, der sich vor allem als Musiker gesehen hat, zur bildenden Kunst fand.
Sich auf ein einzelnes Medium zu beschränken, ist seine Sache aber weiterhin nicht. Seine Installationen, die er oft erst zusammenstellt, wenn er eine Vorstellung vom Ausstellungraum hat, nennen sich "Reception", "Bread Head" oder "Head over Heels", seine Materialien reichen von der Ölfarbe über Salzteig bis hin zu Harz und Schnittblumen. "Ich habe meistens eine Grundidee, die über Umwege das Medium definiert." Ob aus dieser Idee ein Song, eine Installation oder eine Zeichnung entsteht, entscheidet sich von Fall zu Fall. Wird es ein Song, veröffentlicht Jakob Kolb ihn unter seinem Künstlernamen On Bells, mit dem er seit einigen Jahren erfolgreich ist. Das Video zu seinem Song "Make Me Cry" gewann im Vorjahr den "Austrian Music Video Award" im Rahmen des "Vienna Shorts"-Kurzfilmfestivals.
Eine Toolbox für jeden Ausstellungsraum
Aber zurück zur bildenden Kunst: "Ich habe eine Toolbox, mit der ich auf den Ausstellungsraum bezogen spiele", lacht der Künstler, der an der Akademie der bildenden Künste bei Daniel Richter studiert hat und im Herbst 2023 sein Diplom abschließt. Es ist bereits sein zweites Kunst-Studium. Familiär war Kolb vor allem musikalisch geprägt und wuchs unter Einfluss der damals sehr lebendigen Musikszene in Voitsberg auf, fand aber nach der Matura in Köflach keine Möglichkeit, in Österreich Musik zu studieren, "wo nicht die Notation im Vordergrund steht". Er wollte es experimenteller angehen. Also ging er zunächst mit einem Freund nach Barcelona, wo er bald eine Gruppe von Illustrator*innen kennenlernte. "Da habe ich Blut geleckt für Kunst und künstlerisches Denken. Ich habe immer schon gerne gezeichnet, und nach einem Jahr habe ich mich für ein Illustrationsstudium in Barcelona beworben", erinnert sich Kolb. Als der dann in einem Nebenraum die Werke der Malerei-Klasse sah, wechselte er das Fach und studierte Malerei. In Barcelona bespielte er gemeinsam mit seinen Freunden als Zwischennutzung ein Atelier in einem alten Lager. Dort konnte das Kollektiv an Werken arbeiten und Ausstellungen kuratieren. Eine Arbeitsweise, die Kolb auch nach Österreich mitgenommen hat, wo er nicht nur sich selbst "kuratiert", sondern auch Ausstellungen mit anderen Künstler*innen.
Von Barcelona nach Wien
Nach seiner Zeit in Barcelona, wo seine Freund*innen aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs zuletzt nur mehr in prekären Nebenjobs arbeiteten, bekam er in Wien durch ein Sozialstipendium die Möglichkeit, ein weiteres Studium zu absolvieren und landete bei Richter, dessen Vorbildwirkung in Kolbs Werken durchaus zu entdecken ist. Immer wieder verwendet Kolb organische Materialien wie Blumen, die sich in ihrem Zerfall "performativ verändern". Diese Transformation hält er wahlweise auf Fotos oder auch Video fest.
"Bei mir geht es um die Gefühlsebene, ich bin kein Konzeptkünstler", fasst Kolb seine Herangehensweise zusammen. "Ich arbeite als Medium und habe ein eigenes Filtersystem." Der Raum ist dabei stets Teil der Arbeit, tritt in Symbiose mit den Werken, der "Experience", die Kolb aufbaut. So ist es kein Wunder, dass nicht nur White Cubes sondern auch "Site Specific"- und "Off Site"-Räume für seine Arbeiten verwendet werden.
Kunstraum Steiermark in Ligist
Nicht nur in Barcelona, auch hierzulande setzt Kolb gern auf Kollaboration. Im Rahmen des "Kunstraum Steiermark"-Stipendiums hat er in Ligist ein Atelier eingerichtet, um in Ruhe zu arbeiten und Gruppenausstellungen zu organisieren, die er bisher unter anderem in Graz, Weiz und Wien realisiert hat. "Durch den Space in Spanien habe ich Lust am Kuratieren gefunden, dem gemeinsamen Arbeiten, dem Dialog", sagt er. Durch das Vernetzen mit anderen Künstler*innen lerne er immer wieder dazu. So ist es auch sein Ziel, steirische Künstler*innen vermehrt mit internationalen Kolleg*innen zu vernetzen. "Da viele steirische Künstler mangels einer adäquaten Ausbildung nach Wien gehen müssen, ist es wichtig, sie mithilfe von Stipendien und Projekte wieder zurückzubringen", ist Kolb überzeugt.
Er selbst kann sich vorstellen, noch ein weiteres Studium anzuhängen - sein Traum wäre die Royal Academy in London. "Das wäre dann schon der dritte Neustart, das kostet Energie", weiß er, weshalb er in diesem Fall seine "familiäre Homebase" auf jeden Fall in Wien behalten würde. "Es gibt nichts Schöneres, als weiterzulernen. In der Kunst gibt es kein Stehenbleiben." Und so darf man gespannt sein, wohin es Kolb in den kommenden Jahren noch ziehen wird. Nur eins ist fix: Der Steiermark bleibt er verbunden.
Hier geht es zur Website von Jakob Kolb
Sonja Harter
Juli 2023