Bewegungskunst und Körpersprache
Tanzperformerin Ursula Graber bewegt sich mit feministischen und sozialen Themen zwischen Graz und Girona.
Profi-Tänzerin oder Tänzer zu werden, das klingt wohl für so manchen jungen Menschen nach einem Traumberuf. Den ganzen Tag in Bewegung - und das in der heute dominanten Büro-, PC- und Sitzgesellschaft. Doch schon der Start in den professionellen Tanz ist kein Kindergeburtstag. Jahrelanges Training und die erfolgreiche Teilnahme an Auditions sind gefordert. Perfektion in der Repetition ist aber nicht alles. Es geht um Kreation und Kreativität. Um Versuch, Irrtum und um (körperliche) Erfahrung. Als Tänzerin, so sagt Ursula Graber, ist sie dann aber eben auch noch ihre eigene Managerin. Und da sitzt man sehr wohl im Büro, macht Abrechnungen und füllt seitenlange Formulare aus.
Gehen wir noch einmal zurück an den Start: Die Auswahl, die durchlaufen werden muss, bevor die Ausbildung so richtig beginnt, ist mehrstufig, oft multimedial mit Videos und diversen Unterlagen und vor allem: sehr kompetitiv. Im Falle der Grazerin Ursula Graber führte der Weg zuerst nach Linz, an die Anton Bruckner Privatuniversität, wo sie Zeitgenössischen Bühnentanz und Tanzpädagogik studierte. Es folgten Jahre an der Universität für darstellende Künste in Lausanne (CH) mit dem Studium Contemporary Dance und dem Fokus auf Kreation. Das Weggehen aus und das Zurückkehren nach Graz ist seither Teil ihres Lebens geworden. Sie trat etwa in der Schweiz auf, in Paris, Wien, Liverpool und Girona. Sie lebt und arbeitet abwechselnd in Graz und in Katalonien. Romanistik hat sie auch studiert und sie ist gleich in mehreren Sprachen zu Hause.
Performances über persönliche und kulturelle Identität
In ihren Performances geht es bevorzugt um Feminismus, um Sprache, um persönliche und kulturelle Identität. So trat sie gemeinsam mit ihrer katalanischen Schwiegermutter in spe Eulàlia Purtí in einer Produktion auf, die neben steirischem und mallorquinischem Dialekt auch die unterschiedliche Körpersprache inkludierte. Graber betont, dass mit der Auseinandersetzung mit anderen Idiomen auch das Kennenlernen neuer Sichtweisen einhergeht. Landeskunde heißt auch: Wissen, was Bewegung in einer Kultur bedeutet. Dieses Denken fließt in Grabers Arbeit sichtbar und hörbar mit ein.
Im Podcast-Interview für die Reihe Kunstfunken sagt sie zu den Inhalten ihrer Programme: „Meine Orientierung bei der Auswahl ist immer: Themen, die nahe an meinem Herzen sind. Das heißt: Etwas, das mich gerade beschäftigt oder interessiert in meinem Leben. Das waren in den letzten Fragen hauptsächlich feministische Fragen, meine Rolle, mein Platz in der Gesellschaft als Frau."
Die gläserne Decke in der Tanzszene
Hier stellen sich in der Tanzszene, wie im Theater und anderswo in Kunst und Kultur, auch Fragen der Verteilung, der Gerechtigkeit, der Privilegien, der gläsernen Decke. Ursula Graber erzählt, dass zwar in der Tanzausbildung wohl 90 % Mädchen sind. Aber geht es dann an hochrangige Jobs im Bereich Choreographie und Direktion, sind meist nur mehr Männer präsent. Man darf dazu sagen, dass an den Bühnen in Graz hier mittlerweile andere Wege eingeschlagen wurden.
Eines ist Graber bei aller Ernsthaftigkeit der Themensetzung auch wichtig: der Humor. Sie lässt das Publikum lächeln bis lachen - was auch Kritikerinnen wie Ute Baumhackl von der Kleinen Zeitung nicht entging, die über eine Produktion schrieb: „Vielschichtigkeit ohne Fragmentierung, was für ein großartiges Bild. Dass die Performance auch noch Spaß macht, ist ein dicker Bonuspunkt."
Mit einer Prise Humor
Humor, aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen, interkulturellen Dialog und zeitgenössischen Tanz, das findet man hierzulande kaum in dieser Kombination und Perfektion. Das ist nicht nur der Fachpresse aufgefallen, Ursula Graber wurde beispielsweise auch dem nicht gerade kleinen Publikum der Barbara-Karlich-Show im ORF präsentiert. Das alles blieb letztlich dann auch bei den Förderstellen nicht unbemerkt. 2019 erhielt Graber das Startstipendium für darstellende Kunst des Bundesministeriums (BMKOES) und 2022 den Morgensternpreis des Landes Steiermark. Preise, Auszeichnungen und Förderungen sind sehr wichtig für die Entwicklungsmöglichkeiten in ihrer Sparte, sagt Ursula Graber. Erst nach einer erfolgreichen „Förderantragsphase" kann sie seriöserweise mit Proben und Experimenten an einer neuen Produktion beginnen, erzählt sie.
Stets im Gleichgewicht
Zu Beginn der Pandemie hat sie sich als Künstlerin selbstständig gemacht. Man merkt: Die Tänzerin ist nicht leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Und so ist sie auch optimistisch, was die Zukunft ihres Genres angeht. Gerade in Graz sind im zeitgenössischen Tanz Dinge im Entstehen, die Hoffnung geben, auch wenn sie Zeit brauchen werden. Graber leistet ihren Beitrag zur Vermittlung, denn bei ihr kann man auch Workshops und Einzeltrainings buchen und so tiefer in die Welt des Tanzes eintauchen. Wer darüber hinaus Interesse an professionellem Tanz hat, sollte sich den Podcast mit Ursula Graber anhören. Denn da gibt es unter anderem Tipps & Tricks zur Ausbildung.
Website: www.ursulagraber.com
Wolfgang Kühnelt
Juli 2023
Hinweis: Ursula Graber ist in Folge 19 des Podcasts Kunstfunken zu hören.