Der bemerkenswerte Mr. Blake
Der Maler Lewis J. Blake ist ein britischer Pop-Art-Künstler der jungen Generation. Der Absolvent des renommierten Londoner Goldsmiths College lebt seit 2018 in Graz und hält seine neue Heimat auf eindringliche Weise in knallbunten Motiven fest.
Ein gut gepflegtes Klischee hält die Vorstellung am Leben, dass Engländer in der Diaspora nicht unbedingt zu den anpassungsfähigsten Menschen zählen. Wer sich vom Gegenteil überzeugen möchte, sollte die Bekanntschaft mit dem aus London stammenden Künstler Lewis Blake machen, den die Liebe im Jahr 2018 nach Graz gebracht hat. Der Besuch bei Mr. Blake in der Wohnung samt Atelierzimmer am Fuße des Schlossbergs sorgt für zweierlei Aha-Erlebnisse. Erstens: In einem Zeitraum von sechs Jahren lässt sich Deutsch tatsächlich perfekt erlernen. Das Interview bestreitet der Künstler auf Deutsch, obwohl es nicht einmal seine erste Fremdsprache ist - in der Schule hatte er Spanisch gelernt. Und zweitens: Auch die kulturelle Anpassung wurde zu einem beachtlichen Grad vollzogen, denn Lewis Blake fragt, ob ich - nein, keinen Tee, sondern: Kaffee möchte. Espresso oder Verlängerter? Splendid.
Der Verlängerte steht am Tisch, das Aufnahmegerät läuft, und Lewis erzählt von seinem Werdegang. Er hat ein Kunst-College in Farnham bei London absolviert, ehe er am Goldsmiths College aufgenommen wurde und dort 2014 seinen Master of Arts machte. Die Ausbildungsstätte genießt im Vereinigten Königreich höchstes Ansehen, internationale Kaliber wie Vivian Westwood, Lucian Freud, Antony Gormley und Damian Hirst zählen zu den Absolventen des Instituts.
Die Bildnisse des Damian Hirst
Letzterer - der Kunststar Damian Hirst - war es auch, bei dem Blake nach seinem Diplom seine Brötchen verdiente: Vier Jahre lang, von 2014 bis 2018, war er im Londoner Atelier des Superstars tätig. So, wie man das von den großen Malern der Kunstgeschichte kennt, sind auch in Hirsts Werkstatt rund 20 Leute damit beschäftigt, Werke nach Entwürfen des Meisters anzufertigen. Der Kunststar zeigte sich, wenn er zugegen war, als umgänglicher Mensch. Details und Anekdoten aus dieser Zeit darf und will Lewis Blake aufgrund einer Vertragsklausel nicht erzählen. Nach dem Highlight seiner Jahre bei Hirst befragt, fällt ihm aber eine Doppel-Vernissage des Meisters in Venedig anno 2017 ein: Jeff Koons war unter den Gästen, die Red Hot Chili Peppers sorgten für den Schwung bei der After-Party. Da kann man schon mal lange Zähne bekommen.
Dennoch hieß es für Blake, 2018 Abschied aus der Champions League des Kunstschaffens zu nehmen und sich um die eigene Produktion zu kümmern. Der dräuende Brexit erleichterte den Entschluss, dem Königreich den Rücken zuzukehren und mit seiner steirischen Liebe, einer Lehrerin, ins beschauliche Graz zu übersiedeln. Blake schätzt die Kompaktheit seiner neuen Heimatstadt, das viele Grün und dass die Leute sehr nett und entgegenkommend sind. Same to you, Mr. Blake. An London vermisst er die Freunde, die Familie und das Ale.
Eigenen Bildstil in Graz entwickelt
In Graz entwickelte Lewis Blake seinen eigenen Bildstil weiter: Aus Foto-Vorlagen fertigt er flächige Stadt-, Architektur- und Landschaftsansichten, die an Pop-Art-Siebdrucke erinnern, aber tatsächlich auf Leinwand gebannte Unikate in Acryl darstellen. Dabei nutzt er ikonische Perspektiven, zum Beispiel vom Grazer Uhrturm oder von klassischen Landschaften wie dem Attersee oder dem Glocknerblick von der Franz-Josefs-Höhe aus. In der Farbzusammenstellung gönnt er sich ganz eigene Zugänge, die das Kontrasthafte betonen und die Motive oft richtig knallen lassen. An die Bildgestaltung geht Blake eher intuitiv als konzeptuell-akademisch heran. Farbvarianten werden in Photoshop simuliert und dann akribisch auf Leinwand gebannt.
Der Einsatz poppiger Farben hat den Künstler zum Testimonial des niederländischen Farben-Herstellers Royal Talens werden lassen. Bei der Kölner Farbenproduktmesse FAF 2024 realisierte Lewis Blake auf Einladung von Royal Talens eine großformatige Ansicht einer Amsterdamer Gracht in nur vier Tagen. „Das ging nur, weil ich die richtigen Farben gewählt habe, die man nicht so oft auftragen muss", erklärt der Brite pragmatisch. Auch auf der World Art in Dubai war er 2024 vertreten. Es läuft also gar nicht schlecht für den Maler, der in Österreich von der Grazer Bakerhouse Gallery promotet wird. In Zusammenarbeit mit der Galerie sind Blakes Motive zum Beispiel im Frühjahr und Sommer 2024 im Grazer Shoppingcenter West zu sehen, wo seine Bilder, auf Planen gedruckt, temporäre Leerstände dekorativ verhüllen: Großglockner-Ansichten, multiple Uhrtürme und globale Postkartenmotive, wie die Oper von Sydney, das Empire State Building und der Toji-Tempelturm von Kyoto bringen Farbe in die Einkaufshallen.
Organische Formen matchen sich mit der Fläche
Von 2018 weg hat Blake etliche Motive von Graz, der Steiermark und Österreich immer wieder aufs Neue auf Leinwand gebannt. Jetzt scheint er bereit für neue Ufer zu sein. Einerseits wird er im Sommer 2024 mit seiner Frau für mehrere Wochen Japan bereisen und dabei sicher exotische Ansichten für neue Bildserien finden. Andererseits hat er in seinen jüngsten Arbeiten die flächig-poppigen Gefilde bereits hinter sich gelassen: In Bildern von Kalifornien mischen sich fotorealistische Darstellungen von Palmen mit den flächigen Darstellungen von Gebäuden. Und auch die 2023 entstandene Serie über den Botanischen Garten in Graz bezieht ihre Spannung nicht mehr nur aus den Farbkontrasten, sondern auch aus dem Spiel von farbiger Fläche und filigranen organischen Formen, also von klarer Kante und naturalistischer Anmutung.
Werner Schandor
Juli 2024